Feuerkuss und Flammenseele. Eileen Raven Scott
Missmutig sah sie zu ihrer Sammlung von Handschuhen, Hüten, Haartüchern und Spangen, die auf der Kommode am Fenster lagen. Ash rieb ihren Kopf gegen Arunis Hand. Aruni kraulte ihre Ohren, setzte sie dann aber sacht neben sich ab und ging zum Fenster. Nachdenklich strich sie sich über ihre kurzen Hörner. Mit einem letzten Blick in die Nacht zog sie die Vorhänge zu. Neugierige Blicke von Passanten konnte sie jetzt wirklich nicht gebrauchen. Sie drehte die Heizung noch ein wenig höher. Für Ihren Geschmack war die Temperatur zwar immer noch zu niedrig, aber mehr als knappe 45 Grad schaffte die Anlage einfach nicht.
Blazer, Bluse und schwarze Jeans landeten in einem unordentlichen Haufen auf dem alten Samtsessel in der Ecke des Schlafzimmers. Dann begann Aruni mit finsterem Blick die schwarze Bandage abzuwickeln, unter der sie ihre rotschuppig glänzende Körpermitte und ihren nachtschwarzen Schweif verbarg. Kurz sah sie in die Flamme der Kerze auf ihrem Nachttisch, blies sie dann aus und krabbelte unter die Bettdecke.
Die kleine Katze leckte ihr Fell sauber, dann sprang sie mühelos vom Kamin und lief lautlos zu Arunis Bett. Mit einem eleganten Satz landete sie auf der weichen Decke und ringelte sich dort zusammen.
„Mein Flämmchen, wenn ich dich nicht hätte“, sagte Aruni leise. „Schlaf schön.“
Entgeistert fuhr Aruni hoch. Neben ihr fauchte Ash fast so laut wie sie. Wer zum Teufel klingelte mitten in der Nacht an ihrer Tür? Aruni sprang aus dem Bett, riss hastig die Bettdecke mit sich und stolperte fluchend zur Tür. Jetzt hämmerte der nächtliche Störenfried ungeduldig an das Holz.
Um diese Zeit konnte das nur einer sein - und der bedeutete Ärger. Ein Blick durch den Spion bestätigte ihren Verdacht. Erneut stieß sie ein leises Knurren aus. Ash sprang auf das Bücherregal gegenüber der Tür und machte sich neben einer Blumenvase ganz klein.
Aruni zog die Bettdecke fester um sich und öffnete die Tür einen Spalt breit.
„Mach endlich richtig auf, Aruni. Was soll das denn jetzt?“, herrschte Lierd sie an. „Bist du plötzlich schüchtern geworden, hier unter den Menschen?“ Er drängelte sich an ihr vorbei in die Wohnung und sah aus seiner imposanten Höhe von zwei Metern zwanzig auf sie herab.
„Na, was ist, störe ich?“ fragte er.
„Überhaupt nicht. Schon gar nicht um diese Zeit.“ Aruni schnaubte. "Was willst du, Lierd? Es ist Nacht.“
„Ja, genau. Es ist die Nacht vor Halloween, in der du eigentlich an der Zeremonie teilnehmen solltest. Du könntest ein paar Menschenopfer mitbringen. Du sitzt doch hier direkt an der Quelle.“ Er leckte sich über die Lippen.
Ein Husten ertönte, Aruni und Lierd sahen zum Bücherregal. Die Katze würgte einen Fellball hoch. Er landete lautlos auf dem Teppich.
Lierd sah sie an. „Siehst du? Ihr gefällt es hier auch nicht. Wie lange willst du denn noch hier bleiben?“
Erneut schnaubte Aruni wütend und verschränkte die Arme. „Es gefällt ihr hier gut. Und mir auch. Wenn du mich nur wieder überreden willst, mitzukommen, kannst du sofort wieder gehen.“
Anstatt zu antworten, lachte Lierd. Er machte zwei Schritte auf Aruni zu und baute sich vor ihr auf wie ein Kater, der sein Revier verteidigt. „Willst du mir drohen?“
Leicht glühten Arunis Hörner auf, aber dann zuckte sie nur mit den Achseln und trat einen Schritt zurück.
Lierd grinste und ging an ihr vorbei. Dabei stieß er sie mit der Schulter an, sodass fast ihre Bettdecke heruntergerutscht wäre. Er ging zum Feuer und ließ sich breitbeinig in einen der Ledersessel fallen.
Aruni zögerte. Dann entschied sie sich für die Bank am Fenster. In sicherer Entfernung setzte sie sich und beobachtete ihren ungebetenen Gast.
„Warum trägst du eigentlich eine Bettdecke?“, fragte Lierd schließlich, nachdem er eine Weile in die Flammen gestarrt hatte. „Ist das eine neue Menschenmode?“
Der sanfte Ton beunruhigte Aruni noch mehr. Seine Augen funkelten seltsam. Führte Lierd etwas im Schilde? Aber nein, es war bestimmt nur das Feuer.
„Ich habe geschlafen“, sagte sie kleinlaut.
„Du hast geschlafen?“ Lierd klang ehrlich erstaunt. „Du musst schlafen? Das wusste ich nicht. Wieso wusste ich das nicht? Seit wann?“
„Hier oben ist es anders. Meine menschliche Seite kommt auf der Oberfläche mehr zum Vorschein. Aber ich habe auch unten geschlafen. Heimlich. Wenn du mich einen Moment entschuldigen würdest“, murmelte sie und ging rückwärts ins Badezimmer. Sie ärgerte sich darüber, dass Lierd diese Schwäche herausgefunden hatte. Im Schlaf war sie wehrlos. Wenn das unten die Runde machte, wer wusste schon, wer das ausnutzen würde. Und auf Lierd war kein Verlass.
Aruni lehnte sich an die geschlossene Tür und schnappte sich ihren Bademantel. In der Ecke neben der Badewanne lagen noch ihre violette Jogginghose, eine blaue und eine rote Socke. Leider keine Unterwäsche, aber Hauptsache, er starrte nicht auf ihre nackte Haut. Schnell schlüpfte sie in den weichen Stoff und strich ihre Haare zurück. Dann holte sie tief Luft und öffnete die Tür wieder.
Lierd saß nicht mehr im Sessel. Nervös schoss ihr Blick von einer Ecke des Raums in die andere. Ein Geräusch kam aus der Küche. Leise schlich sie bis zum Türrahmen und sah genau auf die mächtigen Muskelstränge seines Rückens. Lierd stand vor dem offenen Kühlschrank. Wahrscheinlich suchte er nicht vorhandenes Bier. Er hatte sein Hemd ausgezogen. Menschenkleidung hatte er schon immer gehasst.
„Du brauchst nicht zu schleichen, ich weiß genau, wo du bist.“
Im nächsten Augenblick stand er so dicht vor ihr, dass sie ihn förmlich riechen konnte. Über dem gewohnt rauchigen Geruch lag ein Hauch von Parfüm. Es war ein weiblicher Duft, blumig und tödlich. Jenna. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
„Ja, ich war bei Jenna“, sagte er und zog die Schultern zurück. „Du brauchst gar nicht so an mir zu schnüffeln.“ Seine Hände steckten tief in den Taschen seiner schwarzen Jeans. Lierd zog die Lippen ein Stück zurück und entblößte seine perfekten weißen Eckzähne. Ein leises Knurren ließ sie in seine Augen blicken. Darin loderte sein eigenes Feuer. Wild und unbezähmbar. „Aruni ...“, fauchte Lierd. „Sieh mich nicht so an. Ich weiß, was du denkst, und du liegst falsch.“
Sie löste ihren Blick und drehte den Kopf zur Seite. Schritt für Schritt ging sie rückwärts, bis sie an die Küchenwand stieß. Lierd blieb stehen, wo er war und lehnte sich an den kleinen Klapptisch, der in der Mitte der Küche stand. Es knirschte vernehmlich. Lierd riss die Augen auf und fiel wie ein gefällter Baum nach hinten, als der Tisch nachgab. Die Tischplatte brach in der Mitte durch und Lierd landete zwischen den großen Splittern auf den Küchenfliesen. Er stieß einen saftigen Fluch aus. In einer geschmeidigen Bewegung richtete er sich wieder auf und sah halb mitleidig auf den Berg aus Sperrholz und Plastik.
„Ich kaufe dir morgen einen neuen Tisch. Leg dich wieder schlafen“, sagte er und verließ die Küche. Die Haustür fiel laut ins Schloss. Aruni ließ den angehaltenen Atem ausströmen.
Kapitel 2
Ilvio schwamm ärgerlich von den anderen weg. Es war alles so sinnlos. Tanzen, tanzen, tanzen, singen, singen, singen. Mehr taten sie nicht. Aber zu dieser Musik wollte er nicht mehr tanzen, und er wollte auch nicht singen. Er wollte die Welt sehen. Etwas, was keiner der anderen verstand. Ilvio schwamm zum Ufer und richtete sich auf. Und bald würden sie ihm dafür auch danken. Er würde ihnen neue Musik bringen. Dann würde es besser werden. Für eine Weile. Und wenn auch das langweilig geworden wäre, würde er eben erneut losziehen.
Am Strand spürte er die ungewohnte Härte des feuchten Sandes unter den Schwimmhäuten seiner Zehen und seufzte. Mit großen Schritten lief er am Wasserrand entlang. Er rieb sich die Brust. Seine Lungen schmerzten, er hatte sie schon ein paar Monate nicht mehr benutzt. Am Ende des Sandstrandes sah er sich um. Vor ihm lagen die Klippen und darauf ein grüner Rand aus Gras und Bäumen. Hinter ihm lag das dunkle, unendliche Meer. Seine Heimat.