Future History 2050. Thomas Harding

Future History 2050 - Thomas Harding


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Ich habe immer gern gelehrt, aber ich freute mich nun darauf, mehr Zeit für mich zu haben. Außerdem hatte ich gerade den Auftrag bekommen, ein Buch zu schreiben. 2020 war also das Ende eines Lebensabschnitts – entschuldige bitte die abgedroschene Floskel – und der Beginn eines neuen.

      Ich habe das Geld vom Vorschuss für das Buch genutzt, um mir ein neues Auto zu kaufen. Es war mein erster fahrerloser Wagen. Und es war toll! Er konnte ganz allein einparken. Er konnte selbständig die Spur wechseln. Bei einer Fahrt machte es mir so viel Spaß, in den fahrerlosen Modus zu wechseln, dass der Wagen mich ermahnte. „Legen Sie bitte Ihre Hände auf das Lenkrad!“, rief er, und für die nächsten 500 Kilometer durfte ich die „Fahrerlos“-Funktion nicht mehr nutzen.

      Erst ein Jahr zuvor war der erste Mensch von einem fahrerlosen Auto getötet worden. Das war sehr traurig, und es zeigte, dass der Weg in eine automatisierte Zukunft nicht gefahrlos war.

      2020 war auch das Jahr, in dem uns zum ersten Mal mitgeteilt wurde, dass es zu spät war, die Erderwärmung aufzuhalten. Wir hatten eine rote Linie überschritten. Ein erheblicher Klimawandel würde eintreten, egal, was wir unternahmen. Aber wir hatten eine Wahl. Wenn wir die Lebensweise unserer Gesellschaft radikal änderten, und zwar schnell, würden die Auswirkungen der Klimaveränderung begrenzt werden können. Wir würden sie noch stark spüren, aber wir könnten einigermaßen damit zurechtkommen. Wenn wir nichts unternähmen und alle düsteren Warnungen ignorierten, würden die Konsequenzen katastrophal sein: Anstieg des Meeresspiegels. Überflutungen. Seuchen. Massenhaftes Artensterben. Ernteausfälle. Hurricans und Tornados. Das Leben, so wie wir es kannten, würde es nicht mehr geben. Für unsere Zukunft, so hieß es, gäbe es dann keine Hoffnung.

      Wir hatten also die Wahl zwischen einer schlechten Zukunft und einer wirklich schlechten Zukunft.

      Ich kann mich gut an diese Zeit erinnern, weil ich hart gearbeitet habe, an meinem Buch über die Klimapolitik. Bis in die Nacht habe ich die neuesten wissenschaftlichen Arbeiten gelesen. Über Zeitgeschichte zu schreiben ist nicht einfach, weil es eigentlich eines größeren Abstands bedarf, um die Dinge im richtigen Zusammenhang zu sehen. Wenn ich die Nachrichten las, achtete ich zuerst darauf, ob es irgendetwas zum Klima gab. Dann las ich die Fußballergebnisse. Ich hatte kaum Zeit, mich mit irgendetwas anderem genauer zu befassen.

      Ich erinnere mich noch an ein paar andere Ereignisse. Bei uns war gerade ein „royal baby“ geboren worden, und fast überall war ein Film, in dem Superhelden in Monstergröße gegen Aliens kämpften, ein Riesenerfolg. Ich glaube, damals war es auch das erste Mal, dass eine Privatfirma eine Rakete zur internationalen Weltraumstation schickte. Unser Land, das früher Vereinigtes Königreich hieß, trat aus der Europäischen Union aus. Ein Handelskrieg zwischen den Supermächten China und USA brach aus. Das schien damals sehr wichtig zu sein, aber eigentlich ging es nur darum, sich in das Unvermeidliche zu fügen. China wurde zur wirtschaftlichen Weltmacht, musste dafür aber zulassen, dass ausländische Firmen sich einigermaßen frei im Land bewegen konnten. Und natürlich taten die Chinesen das bei den anderen auch.

      Damals erschienen uns all diese Ereignisse als sehr folgenreich. Heute, in der Rückschau, muss man feststellen, dass all diese Ereignisse keine großen Folgen hatten, und dass sich kaum jemand an sie erinnert. Sie sind das Strandgut der Zeit. Für mich als Historikerin ist es wichtig herauszufinden, was wirklich bedeutend war, im Unterschied zu dem, was seinerzeit die meiste Aufmerksamkeit erregt hat. Manchmal, so heißt es, sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir aber müssen den einzelnen Baum ebenso wie den gesamten Wald betrachten.

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      Notiz Nr. 1

      Ich habe beschlossen, mir einige persönliche Notizen zu machen, meine eigenen Kommentare und alles mögliche Interessante, das mir dazu einfällt.

      Ich wusste überhaupt nicht, dass Großma Nancy Geschichtsprofessorin war. Für mich war sie einfach die „Großma“, die uns Geschichten vorlas, als wir klein waren, und bei den Haushaltsarbeiten half. Sie war einfach immer da.

      Auch wusste ich nicht, dass es in der längsten Zeit von Großma Nancys Leben gar keine fahrerlosen Autos gab. Die Geschichte von der Raumstation fand ich cool, obwohl ich gar nicht glauben kann, dass Weltraummissionen damals noch von der Erde losgeschickt wurden. Es ist doch völlig einleuchtend, dass sie besser von der MoonBase1 aus starten.

      Und was sie über den Klimakrise erzählt hat, war wieder typisch Großma Nancy. Sie redet dauernd vom Ende der Welt und davon, wie das Leben besser war, als sie noch ein Kind war. Ich habe mir angewöhnt, in solchen Augenblicken nur so zu tun, als würde ich zuhören, aber ich höre nicht wirklich zu.

      Ich muss Großma daran erinnern, dass ich von historischen Ereignissen hören und mich nur mit Fakten beschäftigen möchte.

      2021

      Ich halte mich an die Fakten!

      Unter allen Aufgeregtheiten in den Medien der damaligen Tage gibt es ein wichtiges Ereignis, das ich für das Jahr 2021 festhalten möchte: nämlich dass in großem Maßstab in die Entwicklung von Quantencomputern investiert wurde.

      Diese Nachricht wurde damals nur am Rande wahrgenommen. Doch wenn ich drei Jahrzehnte zurückblicke, war dies ein entscheidender Augenblick. Er hat dazu geführt, die Welt zu verändern. Die Wissenschaft hatte seit Jahren nach einer Methode gesucht, um die Rechengeschwindigkeit von Computern signifikant zu erhöhen. Bei uns in Cambridge gab es eines der dabei am weitesten fortgeschrittenen Forschungszentren. Ich kannte einige der führenden Forscher, und durch sie habe ich erfahren, was für eine bemerkenswerte Arbeit an meiner Universität geleistet wurde, eine Arbeit, die vieles Gewohnte auf den Kopf stellen sollte.

      Die wissenschaftliche Grundlage der neuen Technologie ist nicht so leicht zu begreifen, und das ist einer der Gründe dafür, dass die Medien ihr keinen größeren Wert beigemessen haben.

      Ich habe eine meiner Freundinnen gebeten, mir die Sache zu erklären. Soweit ich mich daran erinnern kann, sagte sie ungefähr Folgendes:

      Theoretisch kann ein Quantencomputer einen Algorithmus hundert Millionen Mal so schnell ausführen wie ein herkömmlicher Computer-Chip. Herkömmliche Computer haben sich bisher auf das Rechnen mit binären Werten, also null (an) oder eins (aus) gestützt. Ein Quantencomputer ist dagegen nicht auf diese Entweder-Oder-Denkweise beschränkt. Sein Datenspeicher besteht aus Quantenbits oder einfach qubits. Und qubits funktionieren „sowohl als auch“, das heißt, sie können sich in „Superposition“ zu allen möglichen Verbindungen von Nullen und Einsen befinden; sie können in all diesen Zuständen gleichzeitig sein. Dank dieses und eines weiteren Grundkonzepts der Quantentheorie, nämlich der „Verschränkung“ – das heißt, dass weit voneinander entfernte Teilchen dieselben Eigenschaften haben können – ist ein Quantencomputer vielfach leistungsfähiger als ein herkömmlicher Computer.

      Google hatte schon 2019 behauptet, sie hätten die „Quantenüberlegenheit“ erreicht, also den Moment, in dem ein Quantencomputer eine Aufgabe lösen konnte, vor der ein herkömmlicher Computer kapitulierte. Aber danach ging es erst richtig los. In den darauffolgenden Monaten und Jahren flossen gewaltige Investitionen in das Quantencomputing. Meine Freundin sagte mir, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis wir die Auswirkungen auf unser tägliches Leben bemerken würden.

      Sie hatte recht. Der Quantencomputer sollte eine Schlüsseltechnologie für die nächsten drei Jahrzehnte werden.

      Es existierten nur ein paar wenige Quantencomputer weltweit. Sie sind einfach zu teuer zu bauen und verbrauchen unglaubliche Mengen an Energie. Doch diese wenigen außerordentlichen Maschinen haben die Welt verändert. Eine Anwendung hat die Welt der Medizin dabei unterstützt, das Zusammenspiel von Atomen und Molekülen im menschlichen Körper zu enträtseln und neue Behandlungsmethoden zu erfinden. Weiterhin dienten Quantencomputer zur Verbesserung von Wettervorhersagen – denn die waren bekanntlich wegen der vielen zu berücksichtigenden Variablen immer schwierig. Gerade für die vom SHOCK besonders betroffenen Gegenden ist die


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