Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 5 – Familienroman. Michaela Dornberg
hatte es geahnt!
Ilka würde alles versuchen, um die Kinder auf ihre Seite zu bringen, und das nicht, weil sie die beiden über alles liebte, sondern weil sie Geld für sie bekommen würde. Was für eine traurige Erkenntnis. Es stimmte. Es stimmte leider.
Und es stimmte auch, dass er den Kindern den Umgang mit ihrer Mutter nicht verbieten konnte. Die Frage des Sorgerechts war noch nicht geregelt. Und was Ilka immer auch getan hatte, sie war und blieb die Mutter von Maren und Tim.
Dr. Peter Bredenbrock war ein ausgezeichneter Pädagoge, er konnte sich sehr gut in seine Schüler hineinversetzen. Er war beliebt.
Das alles zählte jetzt nicht.
Hier war er nicht der beliebte Lehrer, sondern er war ein Vater, der alles für seine Kinder tun würde.
Und was sollte er jetzt tun?
Er hatte keine Ahnung, überhaupt keine Ahnung.
Dass ihr Vater nichts sagte, verunsicherte Maren und Tim noch mehr. Mitten hinein in das Schweigen erkundigte Maren sich ganz zaghaft: »Papa, müssen wir die Mama treffen?«
Peters Kopf ruckte hoch.
Was hatte Maren da gefragt?
Tim mischte sich ein: »Papa, wenn wir es nicht müssen, dann wollen wir es nicht.«
Das sagte Tim, der erklärte Liebling von Ilka?
Peter riss sich zusammen.
Die Kinder wollten es nicht. Sie wollten ihre Mutter nicht treffen, und Ilka konnte deren Seelen nicht wieder vergiften.
»Ihr müsst Mama nicht treffen«, sagte er ruhig. »Ihr müsst das tun, was Ihr für richtig haltet. Aber ihr müsst auch auf mich keine Rücksicht nehmen. Ich meine, ihr müsst nicht darauf verzichten, eure Mutter zu treffen, weil ihr glaubt, dass ich es nicht möchte. Ich habe es euch schon mehr als nur einmal gesagt, dass ich euch sehr liebe, dass ihr für mich das Wichtigste auf der Welt seid. Und daran wird sich niemals etwas ändern. Gefühle für einen Menschen sind einfach da, die stellen sich nicht ein, weil man etwas vollbracht hat, was dem anderen gefällt. Also, wenn ihr …«
Maren unterbrach ihren Vater.
»Papa, Tim und ich haben es für uns entschieden, und das hat nichts mit dir zu tun. Wir möchten Mama nicht sehen. Wir …, wir können ihr nicht mehr vertrauen. Was ist, wenn ihr ein anderer Rockmusiker über den Weg läuft, oder ein Mann, mit dem sie Spaß haben will? Nein, Papa, es war sehr schwer für Tim und mich. Aber du hast uns nicht allein gelassen, du warst immer auf unserer Seite, obwohl wir es dir gewiss nicht leicht gemacht haben. Der Tim und ich haben ganz schön herumgezickt. Und du hast nicht die Nerven verloren. Und dass wir hier in den Sonnenwinkel gezogen sind, das ist schon okay für uns. Du hast dir bestimmt was dabei gedacht.«
Tim mischte sich ein.
»Papa, wir wissen, dass du uns lieb hast, aber wir …, wir …, die Maren und ich …, wir haben dich auch sehr lieb.«
Nach diesem Geständnis war es still.
Peter hatte alle Mühe, jetzt Tränen der Rührung zu unterdrücken. Ja, er hatte viele Opfer für Maren und Tim gebracht.
Er hatte seinen Job, der sehr wichtig für ihn gewesen war, aufgegeben. Er hatte für Maren und Tim ein Umfeld gewählt, von dem er glaubte, dass sie da zu sich finden würden und dass er da besser ein Auge auf sie haben konnte. Er war schließlich ein alleinerziehender Vater. Er war es gern, und er würde alles so, wie es geschehen war, immer wieder tun.
Es hatte sich gelohnt!
Es hatte sich alles gelohnt!
Peter Bredenbrock breitete seine Arme aus, und Maren und Tim flüchteten sich voller Vertrauen hinein.
Es hatte Höhen und Tiefen gegeben. Er war mehr als nur einmal am Ende seiner Kräfte gewesen. Das war alles vergessen.
»Und was fangen wir an mit dem Rest des Tages?«, erkundigte er sich, während er die Kinder noch immer fest umfangen hielt.
Da hatte Tim sofort eine Idee.
»Freizeitpark?«, erkundigte er sich vorsichtig und blickte seinen Vater an.
Der Freizeitpark war nicht unbedingt Peters erste Wahl. Doch heute war er zu allen Kompromissen bereit.
»Möchtest du das auch, Maren?«, erkundigte er sich bei seiner Tochter.
Die lachte.
»Papa, der Freizeitpark geht immer.«
»Also gut, gehen wir in den Freizeitpark«, gab Peter sich geschlagen. Und es dauerte nicht lange, da fuhren Vater, Tochter und Sohn los.
Maren und Tim waren aufgeregt, sie stritten darüber, was zuerst unternommen werden sollte, und Peter atmete insgeheim auf. Der Kelch war noch einmal vorübergegangen. Doch er kannte Ilka. Die stand mit dem Rücken zur Wand und würde sich deswegen nicht so einfach geschlagen geben.
Sie würde einen erneuten Versuch unternehmen, und er konnte nichts dagegen tun.
Beinahe gewaltsam schüttelte Peter die Gedanken an seine Noch-Ehefrau ab.
Heute war ein schöner Tag, und den würde er mit Maren und Tim genießen. Das war auf jeden Fall sehr viel besser, als beim Grafen Small Talk zu machen.
Aber mit dieser netten Freundin von der Frau Doktor, mit der hätte er sich gern noch ein wenig länger unterhalten. Sie war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Schade!
Sie war die erste Person, die er seit der Trennung von Ilka bewusst als Frau wahrgenommen hatte. Aber darum musste er sich jetzt wirklich keine Gedanken machen. Auch wenn es schön wäre, eine neue Frau hatte im Grunde genommen in seinem Leben keinen Platz.
Außerdem hatte sie nicht so ausgesehen, als sei sie erpicht darauf, sich einen Mann anzulachen, der zwei pubertierende Kinder im Schlepp hatte.
»Seid ihr fertig?«, erkundigte er sich, und als Tim und Maren das wie aus einem Munde bestätigten, rief er: »Gut, dann können wir los.«
Freizeitpark …
Das war etwas, was die Herzen höherschlagen ließ. Maren und Tim waren noch nie so schnell im Auto gewesen.
*
Roberta wusste nicht, was sie tun sollte, und sie ärgerte sich auch über sich selbst, dass sie Nicki nicht zurückgehalten hatte. Aber die war ja wie besessen gewesen, wegzukommen, und sie war erwachsen.
Roberta hätte ihrer Freundin nicht befehlen können zu bleiben.
Und jetzt saß sie am Telefon und versuchte immerfort, Nicki zu erreichen, die ihr Handy übrigens ausgeschaltet hatte.
Sie wollte mit niemandem reden, auch mit ihr nicht.
Irgendwie hatte sie alles überrollt. Wer hätte auch ahnen können, dass der Graf Hilgenberg der von Nicki gesuchte Mathias war. Da passte nichts zusammen, und aus dem Grund wäre es auch besser gewesen, Nicki hätte nicht fluchtartig das Haus verlassen, sondern sie hätten sich ausführlich über alles unterhalten. Und da gab es Gesprächsbedarf.
Jetzt half es nicht, herumzujammern. Sie konnte nur hoffen, dass Nicki gesund zu Hause ankam und dass sie nichts Unüberlegtes tat.
Roberta blickte auf ihre Armbanduhr.
Nicki hätte längst zu Hause sein müssen.
Ihre Unruhe wuchs, und sie bedauerte unendlich, dass Lars nicht daheim war. Er verstand es ganz wunderbar, einem die Sorgen zu nehmen. Vielleicht hätte Nicki sogar auf ihn gehört.
All diese Gedanken brachten überhaupt nichts.
Vielleicht …, hätte …, wäre …
Als es an ihrer Haustür klingelte, hielt Roberta kurz inne, dann rannte sie los.
Nicki?
Das wäre durchaus möglich, Nicki neigte zu Handlungen, die nicht immer nachvollziehbar