Kinderärztin Dr. Martens Classic 3 – Arztroman. Britta Frey
musst was, Birger? Du willst mich wirklich mit Ramona und Inka allein lassen? Warum hast du deinem Chef dann nicht abgesagt, dass du nicht ins Ausland willst?«
»Nein, Ute, das konnte ich nicht. Ich wäre in Gefahr gelaufen, meine Arbeit zu verlieren, aber das wäre für euch und mich schlimmer gewesen, als einige Monate im Ausland zu verbringen. Für diese Art Maschinen kommen nur Werner und ich infrage. Ich kann es nicht ändern.«
»Und wohin müsst ihr, Birger?«, fragte Ute leise und sah ihn dabei traurig an.
»Nach Algerien, Liebes.«
»O Gott, ich werde keine ruhige Minute mehr haben, solange du fort sein wirst. Es wird doch sicher noch einige Zeit dauern, bis ihr fahren müsst, nicht wahr?«
»Nein, Liebes, es sind noch genau vierzehn Tage, wir müssen am fünfundzwanzigsten startbereit sein. Wir fliegen von Düsseldorf aus mit dem Flugzeug.«
»So bald schon, Birger? Warum hast du nur nicht schon eher etwas gesagt? Warum, Birger?«
»Es hätte nichts geändert, denn ich fühle mich in unserer Firma wohl und möchte meine Arbeit nicht verlieren. Ich sagte es dir ja bereits. Es ist ja auch nur dieses Mal. Wenn ich auch nicht gern gehe, so geht davon die Welt auch nicht unter. Du bist nicht allein, du hast unsere Mädchen bei dir. Ich denke, jetzt sollten wir dieses Thema beenden.«
»Noch nicht, Birger, ich bin mit deiner Antwort auf meine Frage noch nicht zufrieden. Du weichst mir schon wieder aus. Warum hast du es mir so lange verschwiegen?«
»Nun, Ute, wenn du es genau wissen willst. Erstens habe ich insgeheim gehofft, dass vielleicht noch etwas dazwischenkommen würde, und zweitens war ich zu feige, denn ich hatte Angst, dir wehzutun. Bist du jetzt zufrieden?«
»Ich muss ja, denn es bleibt mir nicht mehr viel Zeit, mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass du uns für eine so lange Zeit allein lässt. Verzeih mir, dass ich an dir zu zweifeln begann, aber durch dein ständiges Ausweichen hattest du diese Zweifel an dir in mir selbst geweckt. Nun muss ich mich aber um Ramona und Inka kümmern. Die zwei waren sowieso heute so enttäuscht über dein nicht eingehaltenes Versprechen.«
*
Als es am nächsten Tag gegen fünfzehn Uhr an der Wohnungstür klingelte, sagte Ute Deiter lächelnd zu ihrer Ältesten: »Gehst du bitte die Tür öffnen, Schatz?« Sie wusste ja, dass es nur die Schwiegermutter sein konnte, die für diesen Nachmittag ihren Besuch angesagt hatte.
Ramona eilte sofort zur Tür, und Ute hörte sie gleich darauf jubelnd ausrufen: »Mutti, Mutti, sieh doch nur, die Oma ist gekommen.«
Als Ute in die kleine Diele trat, konnte sie noch miterleben, wie die Schwiegermutter von Ramona und Inka stürmisch begrüßt wurde.
»Grüß dich, Mutter.« Mit einem Kuss auf die Wange begrüßte nun auch Ute Birgers Mutter.
Cora Deiter, zärtlich geliebt von Ramona und Inka, war eine sehr warmherzige Frau von vierundfünfzig Jahren. Sie war mittelgroß und vollschlank, und das dunkle, modisch frisierte Haar zeigte die ersten grauen Strähnen. Von ihrem ersten Kennenlernen an bestand zwischen ihr und Ute ein sehr gutes und herzliches Verhältnis. Sie war immer ansprechbar, wenn Ute sie brauchte, wenn sie mal Probleme hatte. Natürlich hatte Ute ihr schon am vergangenen Morgen während ihres Telefongesprächs von ihren Sorgen, die sie sich wegen Birger machte, berichtet.
Cora Deiter sah Ute forschend an, dann fragte sie: »Alles in Ordnung, Mädel? Wo steckt Birger?«
»Birger ist in der Garage, er hat an seinem Wagen einen kleinen Defekt, Mutter. Er wird wohl bald heraufkommen.«
»Gut, dann haben wir ja ein paar Minuten für uns. Hier, ihr beiden Rangen, Oma hat euch etwas mitgebracht. Ihr könnt es ja in eurem Zimmer auspacken.« Cora Deiter reichte den beiden Mädchen ein längliches Paket, und beide waren im nächsten Augenblick hinter der Tür des Kinderzimmers verschwunden.
»So, Ute, jetzt erzähl mir etwas genauer, was mit Birger los ist«, forderte Cora Deiter ihre Schwiegertochter auf.
»Es ist nichts mit ihm, wir haben uns gestern ausgesprochen, Mutter. Das heißt, er hat mir erklärt, warum er sich mir gegenüber in den letzten Wochen eigenartig verhalten hat. Es hat mit seiner Firma zu tun.«
»Also, es steckt keine andere Frau dahinter? Wenn ja, dann werde ich ihm ganz gehörig die Hammelbeine lang ziehen.«
»Nein, es steht keine andere Frau zwischen uns, Mutter. Aber da kommt etwas auf uns zu, von dem du gleichfalls nicht erfreut sein wirst. Birger wird mich und die Mädels bald für wenigstens ein halbes Jahr nicht sehen können.«
»Geh, Ute, red doch nicht solch einen Unsinn. Birger hat seine Arbeit hier in der Stadt, warum sollte er euch allein lassen?«
»Birger und ein Kollege werden für ein halbes Jahr nach Algerien geschickt, Mutter. Sie müssen da mithelfen, Maschinen aufzubauen und einzurichten. Ein neues Werk.«
»Und das lässt du zu, Ute?«
»Du bist gut, Mutter. Wie hätte ich es denn verhindern sollen? Ich kann ihn ja nicht anbinden. Sie fliegen auch schon in vierzehn Tagen von Düsseldorf vom Flughafen Lohausen ab. Ich kann mir auch noch nicht vorstellen, wie ich es eine so lange Zeit ohne ihn schaffen soll.«
»In vierzehn Tagen schon? Das ist ja …«
»Bitte, leise und nicht aufregen«, unterbrach Ute ihre Schwiegermutter. Sie legte warnend einen Finger auf ihre Lippen. Sie wollte nicht, dass die beiden Mädchen erschraken, die ja noch nichts wussten.
Cora Deiter begriff auch sofort und flüsterte tadelnd: »Ihr wollt doch wohl nicht bis zum letzten Tag warten, bis ihr es den Kindern sagt, oder?«
»Nein, Mutter, ich werde es ihnen im Laufe der nächsten Tage so schonend wie möglich beibringen.«
In der Diele klappte eine Tür, und da kamen auch schon Ramona und Inka in die Küche gelaufen.
»Mutti, sieh nur, was uns die Oma mitgebracht hat.« Mit strahlenden Augen hielten die beiden Mädchen ihrer Mutter die Mitbringsel ihrer geliebten Oma entgegen. Ramona hatte eine neue Barbiepuppe und Inka eine niedliche Puppe mit schwarzen Wuschelhaaren bekommen.
Während Cora Deiter von den kleinen Enkeltöchtern umhalst wurde, kam auch Birger hinzu.
»Na, hier geht es ja schon recht lustig zu«, sagte er schmunzelnd, danach begrüßte auch er seine Mutter herzlich.
»Mutter, Birger, geht ihr doch schon ins Wohnzimmer hinüber. Ich decke inzwischen hier in der Küche den Kaffeetisch für uns«, sagte Ute lächelnd. Sie wollte vermeiden, dass Birgers Mutter vor den beiden Mädchen Fragen stellte.
»Ich kann dir doch dabei helfen, Ute«, erwiderte Cora Deiter.
»Nein, ich helfe Mutti, Oma«, sagte da Ramona und legte schon ihre Puppe auf einen Stuhl.
»Ich auch, ich will auch helfen«, verlangte die fünfjährige Inka nun auch.
»Siehst du, ich habe schon Helfer, Mutter. Geh ruhig mit Birger hinüber. Wir rufen euch, wenn wir hier fertig sind.«
Birger, der Ute verstanden hatte, legte einen Arm um die Schultern seiner Mutter und führte sie ins Wohnzimmer hinüber. Nachdem er die Tür hinter sich zugeschoben hatte, sagte er: »Setz dich bitte, Mutter, und hör mir einen Augenblick zu, ich habe dir etwas zu sagen.«
»Wenn es deine Reise ins Ausland betrifft, so weiß ich es schon von Ute. Ich begreife überhaupt nicht, dass du dich auf eine so unsichere Sache einlassen kannst, Junge, Auslandsmontage, wenn ich das schon höre. Es ist meiner Meinung nach eher etwas für Junggesellen, aber nicht für einen Familienvater.«
Cora Deiters Stimme klang ärgerlich und auch vorwurfsvoll.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Ich habe mich weiß Gott nicht danach gedrängt, Mutter. Aber es gibt Situationen, da kann man einfach nicht ablehnen. Man muss sich dort einsetzen lassen, wo man gebraucht