LebensAder. Bernd Steckmeier

LebensAder - Bernd Steckmeier


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      Neben den technischen Schwierigkeiten und der Kunst der Ingenieure zur Entwicklung der Schrittmacherstimulation bestand noch ein weiteres Problem: Das Herz galt in zahlreichen Kulturen der Menschheit über Jahrtausende als Sitz der Seele und der Gefühle („mit jemandem ein Herz und eine Seele sein“) und sein Stillstand als Ende der menschlichen Existenz. Wer hier in die „göttliche Fügung“ eingriff, machte sich der Sünde und des Frevels schuldig. Ein Pionier aus Australien wagte es dennoch, diese religiösen Vorbehalte zu überwinden und wies nach, dass mit dem Herzstillstand das Leben nicht immer zu Ende gehen muss.

      1929 gelang es Mark Cowley Lidwill im Crown Street Women’s Hospital in Sydney mit Unterstützung des Physikers Edgar H. Booth bei einem todgeborenen Neugeborenen, von außen eine Nadel in das Herz zu stechen und mit 16-Volt-Impulsen das Kind wiederzubeleben. Dr. Lidwill gilt als Erfinder des Schrittmachers, wurde danach allerdings angefeindet und führte keine weiteren Versuche mehr durch. Erst am 26. Juni 1954 verlieh die Fakultät des Royal Australasian College of Surgeons Dr. Lidwill ein Ehrenstipendium.

      MARK C. LIDWILL, australischer Pionier der Anästhesie und Kardiologie; 1878–1969; Erfinder des Schrittmachers, Wiederbelebung eines Neugeborenen mit einem elektrischen Apparat, 1929 in Sydney.

      Die Schrittmacherbatterien waren zu jener Zeit noch zu groß, um sie im Körper einzubauen. Dies wurde erst durch die bahnbrechende Entwicklung einer kleineren Batterie durch Rune Elmquist (schwedischer Ingenieur und Erfinder; 1906–1996) möglich.

      Âke Senning (schwedischer Herzchirurg; 1915–2000) konnte am 8.10.1958 im berühmten Karolinska Hospital in Stockholm zusammen mit Rune Elmquist den ersten Schrittmacher beim Menschen implantieren.

      2,5–3 Milliarden Mal schlägt das Herz in 80 Jahren unentwegt und ohne Muskelkater. Schon vorher bis zur vollen Reife im Mutterleib musste das Herz 600 Millionen Mal schlagen. Viel Zeit zum Üben. Wie ein Ausdauersportler. Die haben nach längerem Training auch keinen Muskelkater mehr.

      Das Herz hat eine besondere Muskelstruktur mit einem einzigartigen Aufbau.

      Sie besteht anfangs aus 6 Milliarden Muskelzellen, deren Anzahl im Laufe des Lebens schwindet. Diese Muskelzellen des Herzens bilden keine Einzelfasern, sondern liegen innerhalb einer verzweigten und miteinander verzahnten Bandstruktur wie in einer Substanz aus Kitt. Da im Herzen keine Muskelfasern wie in der Skelettmuskulatur vorkommen, können einzelne Fasern auch nicht reißen und zum Muskelkater führen.

      Bevor ich Sie einweihe in die Geheimnisse eines langen Lebens, möchte ich Ihnen einige Wunder unseres Körpers vorstellen. Wir müssen wissen, was wir riskieren und was wir verlieren, wenn wir ungesund leben und die Risikofaktoren für unsere Gefäße, unser Herz und die übrigen Organe nicht vermeiden lernen.

      Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind etwa 54 % der Schlaganfälle und 47 % der Herzinfarkte direkte Folge eines zu hohen Blutdrucks. Dennoch ist der hohe Blutdruck oft nicht hinreichend kontrolliert. Erfreulicherweise ist die Häufigkeit eines nicht kontrollierten Bluthochdrucks von 24 % auf 18 % bei Männern und von 22 % auf 13 % bei Frauen deutlich zurückgegangen. Wohlgemerkt: Dies sind Durchschnittswerte, die nicht auf das Alter bezogen sind !

      Bei jungen Männern zwischen 18 und 29 Jahren hat sich die Häufigkeit der Hypertonie jedoch von 4,1 % auf 8,5 % erhöht. Jeder 12. junge Mann ist also betroffen.48

      Risiken sind nicht immer vermeidbar, schön wär’s. Leider können wir nicht alles vermeiden, besonders nicht das Alter. Es kommt ganz von alleine. Wir können den Risikofaktor Alter hinauszögern, aber letztlich nicht bezwingen.

      Zu den behandelbaren Risikofaktoren der Gefäßverkalkung zählen der Bluthochdruck, das Rauchen, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht und mangelnde Bewegung, die falsche Ernährung und nicht zuletzt der Diabetes.

      Alter, männliches Geschlecht und genetische Faktoren erhöhen ebenfalls das Risiko für Arteriosklerose, sind aber letztlich nicht beeinflussbar.

      Die Arteriosklerose ist nicht nur eine Bedrohung in unseren Breiten. Die westliche Welt hat ihre Lebensweise auch exportiert auf die südliche Erdhalbkugel. Früher waren Herz- und Gefäßleiden in Zentralafrika so selten, dass weniger als ein Promille der Einwohner daran starben. Auch im ländlichen China oder Indien waren Schlaganfall und Herzinfarkt außerordentlich seltene Ereignisse. Durch den Einfluss der „westlichen Diät“ hat sich das Blatt gewandelt. Die Kurve der kardiovaskulären Erkrankungsrate zeigt mittlerweile auch in diesen Ländern steil nach oben.49

      Schon das Vorhandensein eines einzigen Risikofaktors (z. B. hoher Blutdruck) im Alter von 50 Jahren ist mit einem deutlich höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden und vermindert die Lebenserwartung. O weia !

      Der hohe Blutdruck ist nur ein Risikofaktor, wenn auch einer der wichtigsten. Vieles mündet aber letztlich in einen hohen Blutdruck: Rauchen, Stress, falsche Ernährung, Alkohol, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel. Wenn wir die Gefährlichkeit des hohen Blutdrucks verstehen wollen, sollten wir auch den Normalwert kennen.

      Erste Aufzeichnungen vom Genuss alkoholischer Getränke finden sich schon 5.000 v. Chr. bei den Sumerern.

      SUMERER: Volk, das im Gebiet von Sumer im südlichen Mesopotamien vor fünf Tausend Jahren lebte; gelten als erstes Volk, das den Schritt zur Hochkultur geleistet hat; ursprünglich wohl in den Steppen des Ural beheimatet.

      Die Ägypter und nicht die Bayern, wie man vermuten könnte, waren die ersten Bierbraumeister. Vor 3.500 Jahren war Bier dort auch Zahlungsmittel.

      In der Grabkammer von Tutanchamun wurden sogar Reste von Wein nachgewiesen. Und trotzdem, oder vielleicht deswegen, haben die Ägypter die Pyramiden erbaut. Man muss aber annehmen, dass sie bei der Errichtung dieser genialen Dokumente architektonischer Kunst nüchtern waren.

      TUTANCHAMUN: altägyptischer König, regierte von 1332–1323 v. Chr.; Howard Carter entdeckte sein nahezu ungeplündertes Grab 1922 im Tal der Könige.

      Im Gegensatz zu heute waren auch die Araber früher keine „Kostverächter“. Schon 700 n. Chr. fand im arabischen Raum die erste Destillation statt.

      Die Methode der Herstellung von Hochprozentigem gelangte erst im 11. Jahrhundert nach Europa. Klöster waren im Mittelalter Zentren der Bier- und Weinherstellung.

      Am 23. April 1516 erließen die bayerischen Herzöge Ludwig X. und Wilhelm ein Gesetz, welches die Jahrhunderte überdauern sollte. Es handelte sich um das „Bayerische Reinheitsgebot“. Damit sollten die Bürger vor minderwertigen oder gar giftigen Zutaten geschützt werden. Gerste, Hopfen und Malz stellen auch heute noch die Grundzutaten beim Bierbrauen dar.

      0,5 Liter Bier enthält bereits über 200 Kcal (alkoholfreies Bier etwa die Hälfte), 1 Glas Weißwein (0,2 l) 120 Kcal und ein Glas Caipirinha schon 322 Kcal. Alkohol wird in Fett umgewandelt. Dieses sammelt sich an in der Leber und um die Organe im Bauchraum. Ein groteskes Beispiel ist der Bierbauch.

      Die meisten denken an Leberzirrhose, wenn von Alkohol die Rede ist. Kleinere Mengen an „geistigen Getränken“ können aber ebenso hohen Blutdruck auslösen und eine Kaskade von Herz- und Gefäßerkrankungen in Gang setzen. Es wird im Durchschnitt zu viel Alkohol getrunken, auch wenn die meisten Trinksprüche das Zellgift Alkohol verharmlosen.

      „Ei,


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