LebensAder. Bernd Steckmeier

LebensAder - Bernd Steckmeier


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besteht für uns wegen der mehr als grausamen Vivisektionen von Galen und Harvey keinerlei Anlass zur Überheblichkeit. Ein Blick in unsere jüngste Geschichte legt offen, welche qualvollen „medizinischen“ Versuche an Häftlingen in Konzentrationslagern ohne Narkose durchgeführt wurden. Diese Schergen experimentierten an Menschen wie an Meerschweinchen oder Mäusen.

      Auch Tieren wurde und wird Leid angetan. Man denke nur an deren industrielle Züchtung, Mästung und Verwertung sowie nicht zuletzt an nicht immer notwendige Tierversuche in der Forschung.

      Es war ein Arzt aus Damaskus in Syrien, der als erster das Herz anatomisch richtig beschrieb. Er nahm zum Teil die Entdeckung des Kreislaufes durch den englischen Arzt William Harvey im 17. Jahrhundert vorweg. Der Mann hieß Ibn an-Nafis (muslimischer Universalgelehrter aus Damaskus; 1213–1288 n. Chr.) und lebte vor 800 Jahren.

      Er erkannte, dass sich im rechten Herzen „verbrauchtes Blut“ aus dem Körper sammelt und zum Gasaustausch (Abgabe von Kohlendioxid und Aufnahme von Sauerstoff) durch die Lunge und dann zurück in die linke Herzkammer gepumpt wird. Auch entdeckte er, dass das Herz selbst von Gefäßen – den Koronararterien – versorgt wird.

      Schon der Marburger Pathologe Friedrich Wilhelm Beneke (1824–1882) erkannte 1866 in Cholesterin die Ursubstanz allen menschlichen und tierischen Lebens.

      Der menschliche Körper kann große Mengen Cholesterin selbst herstellen (2/3 der Gesamtmenge werden in der Leber, der Nebenniere, den Eierstöcken und im Dünndarm produziert und nimmt zusätzlich noch Cholesterin aus der Nahrung auf). Zwischen der eigenen Synthese und der äußeren Zufuhr besteht ein ausgeklügeltes Regelsystem. Essen wir wenig Cholesterin, wird die Eigenproduktion angeregt und umgekehrt. Besonders tierische Lebensmittel sind reich an Cholesterin. Ist der lebenswichtige Stoff im Übermaß vorhanden, wirkt er als Zündstoff für unsere Gefäße. Cholesterin geht ans Herz. Schwimmt zu viel Fett im Blut, sind alle Gefäße, auch die Koronararterien, benetzt. Ohne Cholesterin gäbe es keine Arteriosklerose.

      Je höher der Cholesterinspiegel im Blut, desto höher ist die Konzentration von Cholesterin in der Gefäßwand.

      Zunächst sei bemerkt: Cholesterin ist nicht schlecht – nur ein Zuviel ist schädlich.

      Wie wir wissen, ist Cholesterin ein natürlicher Stoff und existiert in allen Zellen unseres Körpers.

      Der Körper des gesunden Menschen enthält 140 Gramm Cholesterin. 95 % davon befindet sich in den Zellen und den Zellmembranen (Zellhüllen). Cholesterin wurde erstmals von F. Poulletier als ein Fettwachs beschrieben (Francois Poulletier de la Salle, franz. Arzt und Chemiker; 1719–1788; isolierte als Erster Cholesterinkristalle aus Cholesterol; nicht publiziert; dokumentiert von seinen Mitarbeitern).

      Erst der französische Chemiker Michel Eugene Chevreul (1786–1889; Begründer der Fettchemie) konnte die Substanz in menschlicher und tierischer Galle im Jahre 1816 nachweisen, ein Fett, welches sich nicht verseifen ließ.

      Aus „Chol“ = Galle und „Sterin“ = Wachs entwickelte sich erst 1860 der Name Cholesterin.30

      90 % des Cholesterins wird vom Körper selbst hergestellt (1–2 Gramm pro Tag) und nur zum Teil über die Nahrung aufgenommen. Tiere können Cholesterin nicht resorbieren, sondern nur selbst synthetisieren.

      1843 beschrieb Vogel erstmals Cholesterin in menschlicher Plaque.31

      Die Erkenntnis, dass Cholesterin als einer der Verursacher von Arteriosklerose gilt, verdanken wir der russischen Schule um Alexander Ignatowsky (russischer Pionier der Arterioskleroseforschung; 1875–1955; entwickelte als erster den Zusammenhang von cholesterinreicher Nahrung und dem Entstehen von Arteriosklerose im Experiment).32

      Nikolai Anichkow und Semen Chalatow gelten als die Väter der Arteriosklerose.

      N. Anitschkow (russ. Pathologe; 1855–1964) entdeckte, zusammen mit Semen Sergeevich Chalatow (1885–1964) in St. Petersburg, dass die Arteriosklerose der Beinarterien abhängig ist von der Menge Cholesterol im Blut.33

      Die russischen Forscher sahen nach der Verabreichung von cholesterinreicher Nahrung an Kaninchen und Meerschweinchen zunächst hohe Cholesterininfiltrationen in inneren Organen und später Gefäßveränderungen.

      Die chemische Identifizierung des Cholesterinmoleküls gelang erst Adolf Windaus 1928, der dafür den Chemienobelpreis erhielt.

      Adolf Windaus hatte gezeigt, dass der menschliche Plaque (Ablagerungen im Gefäß) im Wesentlichen aus Cholesterin besteht (deutscher Chemiker und Biochemiker; 1876–1956; 1928 Nobelpreis für Chemie für die Erforschung der Sterine und den Zusammenhang mit Vitamin D; revidierte die Strukturformel für Cholesterol 1932).

      Eines vorweg: Schon 1994 erschien in einer der renomiertesten Wissenschaftszeitungen der Welt (Lancet) die sogenannte 4-S-Studie, ein Meilenstein in der Herz- und Gefäßforschung.34

      Zum ersten Mal wurde dort nachgewiesen, dass die Senkung des Cholesterins durch Statine zu einer dramatischen Verminderung der Infarktgefährdung und einer Verbesserung der Überlebenschancen von Patienten führt, bei denen eine koronare Herzerkrankung (Herzkranzgefäßerkrankung) besteht.

      Zur „angeblichen Cholesterinlüge“ (es sei eine Lüge, dass hohe Cholesterinwerte schädlich sind) sind viele Artikel und Bücher erschienen. Welcher Patient mit einer koronaren Herzerkrankung möchte nicht gerne hören, dass Cholesterin kein Risikofaktor ist und er seine Essgewohnheiten nicht ändern muss ? Leider tragen diese unkritischen Veröffentlichungen zur Verunsicherung vieler Menschen bei.

      Es gibt kaum eine Erkenntnis in der Medizin, die so gesichert ist, dass bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung durch Senkung des Cholesterinspiegels nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch das Leben selbst verlängert wird.

      In einer Studie von Frank M. Sacks, Internist und Professor für Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Harvard School of Public Health in Boston, profitierten vor allem auch Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, von einem Cholesterinsenker (40 mg Pravastatin). Ihre Quote, einen nochmaligen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, war um bis zu 30 % geringer als in einer Kontrollgruppe ohne Cholesterinsenker.35

      In allen wissenschaftlichen Analysen ergab sich bei der Therapie mit Statinen kein erhöhtes Krebsrisiko.36

      Jeder weiß: Bewegungsmangel führt zum Ansatz von Fett. Fett ist aber nicht gleich Fett. Es gibt drei Arten: das weiße Fett, das braune Fett und eine Mischform von beiden – das beige Fett. Weißes Fett ist für das Übergewicht verantwortlich. Braunes Fett wird braun durch die Farbe der eisenhaltigen Mitochondrien. Diese winzigen Kraftwerke in den Zellen unseres Körpers wandeln überschüssige Energiereserven in Wärme um. Braune Fettzellen sind Energiefresser.

      Braune Fettzellen finden sich bevorzugt an der Brustwand, am Hals und entlang des Rückens. Sie sind wie Heizkraftwerke und produzieren Wärme. Der Kalorienverbrauch steigt. Wärme


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