Butler Parker Jubiläumsbox 4 – Kriminalroman. Günter Dönges
sich vor den Spiegel und zog ihre Lippen nach. Sie schien vergessen zu haben, daß Parker sich während ihres Gespräches in der Garderobe befunden hatte.
»Warum will Harris Sie umbringen?« mischte Mike Rander sich schnell in die Unterhaltung ein. Damit enthob er Parker der Notwendigkeit, auf Ritas Frage zu antworten.
»Das ist eine lange Geschichte«, meinte die Tänzerin ausweichend.
»Auch lange Geschichten können recht anregend und interessant sein«, stellte der Butler würdevoll fest.
»Bringen Sie mich erst weg«, wiederholte Rita Malcona.
»Ihr Wunsch soll uns Befehl sein«, meinte der Butler und deutete eine leichte Verbeugung an. Er ging zur Tür, öffnete sie und ließ Rita Malcona hinausgehen. Mike Rander folgte der jungen Frau auf dem Fuß. Dann schloß sich der Butler an.
Ritas Schwips schien sich inzwischen verstärkt zu haben. Sie kam einige Male gefährlich nahe an die Korridorwand heran, drückte sich dann geschickt ab und ging steifbeinig auf den Bühnenausgang zu. Sie schien ihre doppelte Begleitung vergessen zu haben. Sie drehte sich nicht mehr nach Rander oder Parker um.
Der Butler schob sich vor und ging als erster hinaus in die Dunkelheit der schmalen Gasse. Dann folgten Rita Malcona und Mike Rander. Sicher war sicher! Die junge Tänzerin sollte damit gegen jede unangenehme Überraschung abgesichert werden.
Parker, bereits in der Gasse, blieb stehen.
Laut und deutlich hörte er das Schrillen seiner inneren Alarmklingel. Er sah zwar nichts. Er hörte auch nichts. Doch er wußte mit letzter Sicherheit, daß Gefahr in der Luft lag. Irgend etwas stimmte nicht hier in dieser dunklen Gasse.
Dann, vollkommen automatisch und nur aus dem Instinkt heraus handelnd, hakte er mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms nach der noch geöffneten Tür, hinter der das schwache Licht des Eingangs brannte.
Ruckartig zog er die Tür zu und stieß dann Rander und Rita Malcona jäh und auch ein wenig unliebenswürdig zur Seite.
Mike Rander und Rita Malcona taumelten gegen die Hauswand.
Bruchteile von Sekunden später bellten die ersten Schüsse auf.
Eine Serie von Bleigeschossen ratterte bösartig aus einer Maschinenpistole und klopfte den Putz von der Hauswand. Die nächtliche Stille zerriß. Blaurote Flammenzungen eines Mündungsfeuers leckten in die Dunkelheit hinein
Parker, ansonsten ein durchaus friedlicher Mensch und Mitbürger, sah sich zu seinem Leidwesen gezwungen, dieses Feuer aus der Maschinenpistole zu beantworten.
Er besorgte das sehr nachdrücklich, denn das, was er tat, erledigte er meist ungemein gründlich.
Er hatte längst seinen alten, vorsintflutlichen Colt in der Hand, der noch aus der Zeit der Goldgräber stammen mochte. Diese Handfeuerwaffe entwickelte den Lärm eines mittelschweren Minenwerfers. Und die Feuerkraft dazu.
Parker hatte es längst vorgezogen, sich in Deckung zu begeben. Er kniete neben einer Batterie von viereckigen Mülleimern und erwiderte das Feuer.
Das Maschinenfeuer auf der anderen Seite endete schlagartig. Es wurde beendet von einem halb erstickten Aufschrei, dem ein metallenes Geräusch folgte, als sei die Waffe rasselnd und polternd zu Boden gefallen. Dann waren schnelle Schritte und kurz darauf das Aufheulen eines Automotors zu hören.
Parker erhob sich, klopfte sich pedantisch den Staub von den Beinkleidern und sah sich nach seinen beiden Begleitern um.
»Ich würde sagen, daß die Gefahr beendet ist«, rief er Rander und Miss Malcona zu. »Unter diesen Umständen ist es angebracht und angezeigt, die Deckung zu verlassen.«
»Schnell, Parker, helfen Sie …!« Randers Stimme klang besorgt. Josuah Parker folgte ihrem Klang und blieb neben dem knieenden Mike Rander stehen.
»Miss Malcona ist verletzt«, sagte Mike Rander. »Hoffentlich ist es nicht so schlimm …!«
*
»Ach was, es geht schon wieder«, behauptete Rita Malcona eine halbe Stunde später. »Auch diesen Kratzer werde ich überleben. Geben Sie mir noch ’n Schluck …!«
»Haben Sie nicht schon genug?« fragte Mike Rander.
»Im Grunde schon, aber nicht genug vom Whisky«, erwiderte sie mit schwerer Zunge. »He, Parker, noch eine Füllung für mein Glas. Los, zieren Sie sich nicht …!«
»Sie werden sofort bedient, Miss Malcona«, sagte Parker und verbeugte sich höflich. »Es darf unter Umständen auch ein Doppelter sein?«
»Die wollen mich umbringen«, murmelte Rita Malcona, die ihren Wunsch nach einem neuen Drink schon wieder vergessen hatte. »Ich muß hier weg … Sie erwischen mich sonst. Früher oder später …!«
»Wir werden Sie in Sicherheit bringen«, versprach Mike Rander. »Sie können vorerst mal irgendwo auf dem Land untertauchen.«
»Aber vorher, Miss Malcona, sollten Sie uns Ihre Geschichte erzählen«, schaltete Josuah Parker sich ein. Er kam mit einem gefüllten Glas zur Couch zurück, auf der Rita Malcona lag.
Der Arm der Tänzerin und der linke Unterschenkel waren verbunden. Parker hatte sich als Sanitäter betätigt und ganze Arbeit geleistet. Nach der Schießerei in der Gasse waren sie auf dem schnellsten Weg zurück in Mike Randers Dachgartenwohnung gefahren. Der Polizei waren sie aber absichtlich sehr schnell aus dem Weg gegangen. Was nicht besagen sollte, daß Rander und Parker ohne Verständigung mit der Polizei arbeiten wollten.
»Beginnen wir, wenn Sie erlauben, mit dem Brief, den Sie an Mr. Rander geschickt haben«, sagte Parker und reichte ihr das Glas. »Aus diesem Schreiben ging hervor, daß Sie sich bedroht fühlen und Angst haben, ermordet zu werden.«
»Habe ich etwa gelogen?« fragte sie aggressiv zurück.
»In der Tat nicht, Miss Malcona. Sie befürchten, von einem gewissen Mr. Lee Harris umgebracht zu werden?«
»Er ist schon seit Monaten hinter mir her«, sagte sie mit leiser Stimme und nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. »Ich weiß, daß er mich umbringen will.«
»Welche Gründe könnte jener Mr. Lee Harris haben, Miss Malcona?«
»Er glaubt, ich hätt’ ihn damals verpfiffen.«
»Lee Harris …! Gehört er irgendeiner Gang an?« Mike Randers schaltete sich ein.
»Weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß Lee vor einem knappen halben Jahr aus dem Gefängnis entlassen wurde.« Rita Malcona richtete sich etwas auf und starrte auf ihr Glas. »Er wurde mit Rauschgift geschnappt. Heroin. Wir kamen damals aus Mexiko. Drüben hatten wir uns verkracht. Verstehen Sie?«
»Darf ich Ihre Worte so auslegen, daß es zu einem Streit zwischen Ihnen und Mr. Harris kam?« fragte Josuah Parker.
»Du lieber Himmel, wie vornehm Sie sich ausdrücken«, gab sie spöttisch zurück. »Aber es stimmt, wir hatten Krach … Er interessierte sich zu sehr für ’ne kleine Mexikanerin. Da bin ich einfach losgefahren und zurück nach Los Angeles … Lee kam einen Tag später nach und wurde an der Grenze geschnappt. Er dachte natürlich, ich hätt’ ihn verpfiffen.«
»Wußten Sie von dem Heroin in seinem Reisegepäck?« fragte Parker interessiert.
»Keine Ahnung hab’ ich davon gehabt«, erwiderte sie überraschend schnell.
»Aber Mr. Harris dachte so, nicht wahr?«
»Hat er sich wenigstens eingebildet«, gab sie zurück. »Er hat eigentlich noch Glück gehabt und bekam nur ein Jahr. Und wie gesagt, vor ’nem halben Jahr ist er rausgekommen. Und seitdem ist er hinter mir her.«
»In welcher Form, wenn ich mir diese Frage gestatten darf?«
»Zuerst hat er so getan, als wollte er wieder zu mir zurück. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
»Und wann kam es zu der Mordandrohung?« warf Mike Rander