Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
es stimmt und Stephans Urgroßmutter von hier stammt, dann ist er auch ein Nachfahre dieser vornehmen Gesellschaft.« Flora deutete auf die Gemälde und lachte übermütig. »Dann ist er berechtigt, die Burg renovieren zu lassen. Nein, er ist geradezu verpflichtet dazu! Prinzessin Angela muß das einsehen.«
Langsam dämmerte es Oliver, was sie meinte. Natürlich, Stephan Dorr war reich! Er konnte dafür sorgen, daß Angela die Heimat erhalten blieb. Einem Verwandten konnte Angela dies nicht abschlagen. Unternehmungslustig rieb er sich die Hände.
»Dann wollen wir mal sehen, was wir herausfinden. Ich weiß, wo Angela die Familienchronik aufbewahrt, außerdem können wir noch im Kirchenregister nachschlagen.«
Während Prinzessin Angela ruhelos in ihrer kleinen Wohnung hin und her lief – sie schwankte zwischen Empörung und Hilflosigkeit – machten Flora und Graf Oliver sich an die Arbeit. Hatte Flora zuerst noch burschikose Reden geführt, so wurde sie nun immer nachdenklicher. Langsam begriff sie, welche Tradition in den teilweise vergilbten Blättern steckte.
*
Flora und Graf Oliver hatten außerhalb von Passau in einem Landgasthof übernachtet, nachdem Oliver sich zuvor mit der Bischöflichen Residenz in Verbindung gesetzt und darum gebeten hatte, im Kirchenregister Einsicht nehmen zu dürfen. Nun saßen sie in einem spartanisch eingerichteten Raum und wälzten Unterlagen. Die Mittagszeit war längst vorüber, aber beide achteten nicht darauf.
»Ich habe es!« rief Flora plötzlich, und ihre Wangen brannten. Sie sah zu Graf Oliver hin. »Sie haben recht gehabt. Es handelt sich um Fürstin Luitgards Tochter.«
Oliver erhob sich sofort. Er trat hinter Flora und versuchte den Text zu entziffern, auf den sie zeigte.
»Da haben wir das schwarze Schaf der Fürstenfamilie«, stellte er erfreut fest.
»Sie hieß Sieglinde! Sie floh aus der Burg, wehrte sich dagegen, den Mann zu heiraten, dem sie versprochen war.« Flora seufzte.
»Es kommt noch besser«, stellte Oliver fest, der bereits weitergelesen hatte. »Sie fand im bischöflichen Palast Zuflucht. Dort wurde sie sogar getraut und zwar mit einem Mann aus dem Volke.«
»Das waren noch Zeiten! Hätte Ihre Prinzessin das auch gewagt?« neckte Flora den Grafen. Dann wurde sie jedoch wieder ernst. So las sie, daß der Fürst gedroht hatte, das Palais niederzubrennen. Gewaltsam wollte er seine Tochter dort herausholen. Da schickte der Bischof sie und ihren Angetrauten nach Übersee.
»Wir haben für Stephan die Herkunft des Medaillons geklärt.« Floras Augen strahlten. »Daher fühlte er sich also von der Burg angezogen. Wie eigenartig«, meinte sie dann. »Jetzt weiß er, wohin er gehört.« Abrupt wandte sie sich ab.
»Flora, was haben Sie denn?« Oliver legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Nichts! Stephan wird glücklich sein.«
Sie sah bei ihren Worten nicht hoch.
»Was beunruhigt Sie? Bitte, sagen Sie es mir.«
»Stephan hat seine Wurzeln hier«, kam es leise von ihren Lippen. »Das haben wir nun herausgefunden. Ich… ich werde nach New York zurückkehren.«
»Glauben Sie, daß er Sie gehen läßt?« fragte Oliver betroffen.
»Warum sollte er nicht? Ich habe es einmal abgelehnt, ihn nach Deutschland zu begleiten, und jetzt braucht er mich nicht mehr. Er hat Prinzessin Angela, er hat eine Aufgabe. Ich werde nach München zurückfahren und den nächsten Flug in die Staaten nehmen.«
»Jetzt wollen Sie kneifen! Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
»Aber was soll ich tun?«
Oliver lächelte. »Sie waren doch zuerst so couragiert. Jetzt heißt es Farbe bekennen! Wir haben getan, was wir konnten, nun sind unsere Partner an der Reihe.«
»Sie haben es da leichter. Ihre Prinzessin wartet nur darauf, daß Sie sich bei ihr melden.«
»Das werden wir gemeinsam tun.« Oliver sagte es bestimmt. »Sie dürfen mich jetzt nicht im Stich lassen. Es könnte doch sein, daß Angela mir nicht glaubt. Sie waren als lebenshungrige Amerikanerin sehr überzeugend.«
»Danke! Wahrscheinlich habe ich mich das letzte Mal als Schauspielerin versucht. Ich werde mein Geld doch weiterhin als Mannequin verdienen.«
»Ich denke, darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.« Oliver strich Flora rasch über das Haar. Er hoffte, daß es so war: Er fand dieses Mädchen sympathisch, ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen konnte, Stephan Dorr müßte ein Narr sein, würde er dieses Mädchen gehen lassen.
»Kommen Sie, wir wollen die Sache zu Ende bringen.« Er packte sie an den Schultern und zog sie einfach in die Höhe. Flora sagte nicht mehr viel. Ihre Gedanken waren bei Stephan. Sie stand dabei, als Graf Oliver sich bedankte, verabschiedete sich ebenfalls von dem freundlichen Archivar und folgte Oliver zu seinem Auto.
»Was nun?« fragte Oliver, als sie auf der Straße standen. »Gehen wir etwas essen oder sehen wir nach, ob Angela zu Hause ist?«
»Ich habe keinen Hunger«, sagte Flora und traf somit die Entscheidung.
»Dann wollen wir!« Oliver öffnete ihr galant die Autotür, dann setzte er sich hinter das Steuer. Er plauderte über belangslose Dinge, während er aus der Stadt hinausfuhr. Er versuchte, so seine Unruhe zu verbergen.
*
Stephan legte den Telefonhörer auf die Gabel zurück. Hatte er kurz vorher noch gemütlich in einem Stuhl gesessen, so hatte er es jetzt eilig. Er trat vor den Spiegel, rückte seine Krawatte zurecht, frisierte sein Haar und schlüpfte dann in sein Jackett. Die Prinzessin hatte ihn gebeten zu kommen. Er wollte sie nicht warten lassen.
»Angela!« Lächelnd flüsterte er ihren Namen. Er hatte nicht gedacht, daß sie heute noch einmal nach ihm rufen würde. Bereits am Vormittag hatte er sie aufgesucht und sich mit ihr fast zwei Stunden sehr gut unterhalten. Für morgen waren sie zum Mittagessen verabredet. Vielleicht hatte er Glück, und er würde sie dazu überreden können, den Abend mit ihm zu verbringen. Leise pfiff er vor sich hin, als er sein Hotelzimmer verließ. Er hoffte, daß er Gelegenheit finden würde, mit ihr über die Renovierung der Burg zu sprechen.
Seine gute Stimmung erhielt einen Dämpfer, als er unter der großen Linde das Auto des Grafen stehen sah. An ihn hatte er überhaupt nicht mehr gedacht, und da fiel ihm auch Flora ein. Eigentlich hatte er erwartet, daß sie sich wieder bei ihm melden würde, als sie so unvermittelt sein Hotelzimmer verlassen hatte. Er hatte an der Rezeption gefragt, aber sie war nicht in dem Gasthof abgestiegen. Er parkte neben dem Auto des Grafen und schob den Gedanken an Flora wieder einmal von sich.
Es ging jetzt um mehr. Er ließ den Blick schweifen, seine Brust schwoll an. Wie schön war doch dieses Fleckchen Erde! Er fühlte sich hier wohl, und wenn Angela Vernunft annahm, dann würden sich hier in Zukunft noch sehr viele Menschen wohl fühlen.
Da von der Prinzessin nichts zu sehen war, betrat Stephan den Innenhof und begab sich zu den Räumen, die sie sich wohnlich eingerichtet hatte. Sie öffnete ihm die Tür, ehe er anklopfen konnte.
»Schön, daß Sie so schnell gekommen sind.« Sie lächelte ihn an, und ihre blauen Augen strahlten, so wie er es noch nie gesehen hatte.
»Das war doch selbstverstandlich!« murmelte er und konnte den Blick nicht von ihr lösen.
»Komm, ich habe eine Überraschung für dich!« Sie streckte die Hand nach ihm aus, sah, daß sich seine Verwirrung vergrößerte, und lachte glockenhell auf. »Ich denke, es ist an der Zeit, daß wir das Sie weglassen. Das ist doch auch in deinem Interesse?«
Stephan nickte. Er verstand Angela nicht. Auch wenn sie sich noch so gut unterhalten hatten, war sie auf eine gewisse Distanz bedacht gewesen. Er räusperte sich. Er mochte sie sehr, nur… Da nahm sie seinen Arm und zog ihn in ihre Wohnung.
Stephans Blick fiel auf den Grafen, der am Fenster lehnte. Dieser nickte ihm zu, wie es Stephan schien, nicht ungehalten. Er begriff immer weniger.