Boxkämpfe. Winfried Rochner
o
Boxkämpfe
politische + andere #Satiren
Winfried Rochner
o
Impressum:
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
© 2019 – Papierfresserchens MTM-Verlag + Herzsprung Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/9090344
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Cover gestaltet von © Jane Gerber
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de
ISBN: 978-3-86196-902-0 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-159-6 - E-Book
*
Inhalt
Ein schleichender politischer Aufstieg
Die Flüchtlinge sind unterwegs
Gelegentliche Ein- und Ausblicke im Parlament
Die Energiewende – mal aussichtsreicher
*
Eine zufällige Begegnung
Mich überkam die Lust, einen Spaziergang in meinem Kiez zu unternehmen. Ich ging aus meiner Werkstatt zur U-Bahn und wollte gerade die Treppe hinabsteigen, als mir ein älterer Mann treppauf entgegenkam. Er lief mühselig und langsam, sodass ich ihn näher sehen konnte.
Dieser Mann kam mir sofort bekannt vor mit seiner Schirmmütze und dem markanten kleinen Spitzbart, seiner alten abgetragenen Kleidung, die einen Fleck auf der Hose deutlich zeigte. Die Schuhe, alte Modelle, die mir von einer Fotografie her bekannt erschienen.
Ich drehte mich auf der Treppe um und ging dem eher kleinen Mann hinterher. Mein leichtes Schulterklopfen ignorierte er erst, aber dann, bei einer nochmaligen Berührung, drehte er sich um und musterte mich mit stechenden Augen.
„Sind Sie nicht Herr Lenin, Wladimir Iljitsch, der große Revolutionär?“, fragte ich irritiert.
„Woher kennen Sie mich?“, bekam ich zur Antwort.
„Von Bildern und aus Ihren Werken, die ich während der Schulzeit und des Studiums lesen musste.“
Er nickte mit dem Kopfe. „Es gleicht schon einem Wunder, dass mich noch jemand kennt“, meinte er leutselig.
„Verehrter Meister, möchten Sie mich in meine Werkstatt begleiten, die sich hier ganz in der Nähe befindet? Ich stelle als selbstständiger Handwerker Holzspielzeug her. Im Sozialismus war ich der einzige Selbstständige, der – bei einer Einwohnerzahl von 170.000 Menschen – Holzspielzeug für die hiesige Bevölkerung auf den Markt brachte und jetzt noch bringt.“
Wladimir zeigte sich sofort interessiert, eine Person zu treffen, die im Sozialismus noch selbstständig arbeiten konnte. Seine früheren schnellen Bewegungen waren jetzt durch sein Alter sehr eingeschränkt.
„Sie fuhren doch in einem Viehwaggon durch Deutschland“, so sprach ich weiter, „danach haben Sie in Russland die Revolution initiiert und von Deutschland für Ihre Revolution noch ein paar Millionen bekommen.“
„Ganz richtig, der Viehwaggon war jedoch als solcher nur getarnt. In Wirklichkeit saß ich darin wie in einem Pullmanwagen, wenn Sie wissen, was ich meine.“
Ich überging diesen Einwurf und fuhr fort, seine Taten zu loben, die Kanonenkugeln, welche von der Aurora abgefeuert wurden, und den Sturm auf das Winterpalais.
„Ja, ich erinnere mich ganz dunkel, den Film habe ich gesehen. Der Sturm auf das Winterpalais war ein Fehler, denn die Matrosen haben alles geplündert und auf dem Schwarzmarkt verscheuert“, meinte er und kratzte sich an seiner Glatze unter der Schirmmütze.
„Die Aurora liegt immer noch im selben Hafen und rostet vor sich hin“, redete ich weiter, „ja, und Stalin hat nach Ihrem Tode den Posten eines Generalsekretärs übernommen und sich später Generalissimus genannt.“
„Hören Sie auf, von diesem Schleimer und Massenmörder will ich gar nichts mehr wissen. Ich hatte ihn immer schon in Verdacht, dass er mich umbringen wollte – vielleicht hat er das auch getan, aber ich bin ihm in meinem 53. Lebensjahr durch einige Schlaganfälle zuvorgekommen. Nun liege ich gut einbalsamiert im Mausoleum an der Kremlmauer. Stalin wurde und wird