Die Göttin nebenan. Nicolas Scheerbarth

Die Göttin nebenan - Nicolas Scheerbarth


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von der Liege. Danach lag sie still, die Arme seitlich herabhängend, und nur ihr heftiges Atmen zeugte noch vom Nachhall ihrer Erregung.

      Ich wollte schon gehen, hatte auch den Kopf bereits zurückgezogen, als ich eine helle Stimme hörte:

      "Bist du fertig, Mama?"

      "Aber ja," antwortete eine zweite Stimme in einem angenehmen, vollen Alt. "Hast du extra gewartet? Wie lieb von dir ..."

      Die beiden waren also Mutter und Tochter, und diese wenigen Worte zerstreuten jede Befürchtung, meine neuen Nachbarn könnten sich als spießige Durchschnittsbürger erweisen. Eigentlich hätte ich mich nun wirklich zurückziehen sollen, doch die Neugier hielt mich fest. Die Gefahr einer Entdeckung bestand auch kaum. Die Dämmerung war deutlich vorangeschritten, und die Ecke, hinter der ich stand, lag im tiefen Schatten.

      "Ich will noch mal eben reinspringen," hörte ich die Tochter sagen, als ich eben meinen Kopf wieder langsam nach vorne schob, und die Mutter ergänzte in ruhigem Ton, als sei es die normalste Sache der Welt:

      "Ja, so eine kleine Abkühlung kann ich nach dem Orgasmus auch gebrauchen."

      Mit größter Vorsicht schob ich meinen Kopf wieder um die Ecke.

      "Komm, ich helf dir hoch," meinte die Tochter und streckte ihrer Mutter eine Hand entgegen. Soweit ich es im Halbdunkel erkennen konnte, war sie etwas kleiner als die Mutter, von kräftiger, wohlproportionierter Figur - und ebenfalls splitternackt. Sie hatte von ihrer Mutter die Haarfarbe und die Größe der Brüste geerbt, die bei ihr ohne jedes Anzeichen von Erschlaffung fest nach vorne ragten. Dann stand die Mutter neben ihr; fast einen Kopf größer und noch etwas schlanker, als ich vermutet hatte, mit einem weiblichen, doch nicht zu ausladenden Becken.

      "Danke," meinte sie unter leichtem Lachen, griff ihrer Tochter ins Haar, zog sie ungeachtet ihrer beider Nacktheit an sich und küsste sie auf die Stirn.

      "Nun aber rein ins Vergnügen!" rief sie.

      Dann verschwanden die beiden aus meinem Blickfeld.

      II

      Am Nachmittag des folgenden Tages klingelte ich, eine Flasche Wein und ein Brot in den Händen, an dem schmiedeeisernen Tor vor dem Haupteingang des Nachbarhauses. Ich folgte keinem besonderen Plan, doch in einer fast schlaflosen Nacht war mir klar geworden, dass ich dort in dem fremden Garten mehr gespürt hatte als nur momentane Erregung. Irgend etwas an beiden Frauen zog mich an, und mir war klar geworden, dass ich beide unbedingt kennenlernen wollte, wie auch immer die Sache ausging. Dabei machte ich mir kaum Gedanken, wie ich dem Gatten beziehungsweise Vater begegnen sollte. Gegen einen netten Nachbarn hatte er sicher nichts einzuwenden, und mehr als ein gut nachbarschaftliches Verhältnis durfte ich auch nicht erwarten.

      Die Sprechanlage war neu installiert.

      "Ja bitte?" kam eine kühle Stimme aus dem Lautsprecher, die ich weder der Mutter noch der Tochter zuordnen konnte.

      "Hallo, ich bin Ihr Nachbar zur Rechten, aus dem Bungalow. Ich wollte nur mal kurz Hallo sagen, falls es nicht stört."

      "Oh ... nein ... einen Moment!" antwortete die Stimme, nun schon um einiges freundlicher. "Ich öffne das Tor. Kommen Sie zum Eingang. Ich brauche nur eine Minute."

      Der Summer ertönte. Ich drückte das schwere Tor auf und ging auf den Hauseingang zu. Wie war mir entgangen, dass hier alles neu war? Das Tor hatte nicht mehr gequietscht, das hohe Gitter zur Straße glänzte frisch gestrichen; der Kies vor der Garage war ebenso neu wie die Platten auf dem Weg zu Haustüre. Ich grübelte noch, ob mir irgendwann einmal Baumaterial oder der Wagen eines Handwerkers aufgefallen war, als die schwere, massive Holztüre geöffnet wurde.

      Vor mir stand eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, die ich am vergangenen Abend ganz sicher nicht gesehen hatte. Dies und ihre eigenartige, ja faszinierende Erscheinung ließen mich für einen Moment innehalten.

      "Was ist? Kommen Sie doch herein! Oder wollten Sie gar nicht ...?"

      "Äh, doch," fasste ich mich und trat auf sie zu.

      Das Mädchen - oder die junge Frau - mochte um die zwanzig Jahre alt sein. Sie war so groß wie ich, schlank, fast dünn, mit schmalen Hüften, zarten Gelenken, einem hohen, schmalen Schädel und einem interessanten, ausdrucksstarken Gesicht, das durch hohe Wangenknochen und vor allem ihre hellgrauen, leuchtenden Augen geprägt war. Ihre Haut war ungewöhnlich blass, die langen Haare tiefschwarz oder schwarz gefärbt. Sie trug ein schwarzes, fast bodenlanges Samtkleid, dessen tiefer Ausschnitt so flach auf der Brust lag, dass man von der Erhebung eines Busens kaum sprechen konnte. Sie schien ungeschminkt bis auf eine kräftige, schwarze Umrandung der Augen, ergänzt durch mehrere Piercings an verschiedenen Stellen ihres Gesichts.

      Sie streckte mir eine schmale, zarte Hand entgegen, die übrigens in den schönen, schlanken Füßen ihre Entsprechung fand, die barfuß unter dem Kleid hervorschauten.

      "Johanna ..." und der Nachname, der auf dem Klingelschild stand. Für eine so zart wirkende Hand war der Händedruck angenehm fest.

      "Robert ...", stellte ich mich meinerseits vor. "Ich wohne in dem Bungalow nebenan. Ich habe gesehen, dass hier wieder jemand eingezogen ist. Da dachte ich, ich schau einfach mal vorbei, sage hallo und bringe eine Kleinigkeit zum Einzug ..."

      Ich hielt ihr meine beiden Mitbringsel hin.

      "Oh, das ist sehr freundlich. Aber kommen Sie doch erst einmal richtig herein!"

      "Nur, wenn ich nicht störe!"

      "Aber nein. Meine Freundin und ich sind am Auspacken, aber das wird so oder so noch eine ganze Weile dauern ..."

      "Ihre Freundin ...?" fragte ich zögernd. Ich konnte schlecht direkt nach der Frau fragen, die ich am vergangen Abend gesehen hatte. "Sie wohnen ... zusammen ...?"

      "Manchmal," meinte Johanna mit einem leichten Lächeln. "Sie möchten natürlich wissen, wer hier eingezogen ist? Nur meine Familie ... also meine Mutter, meine Schwester und ich. Meine Freundin wird nicht ständig hier sein."

      "Ach, so war das nicht gemeint! Ich bin wirklich nur ... ein wenig neugierig," gab ich grinsend zu.

      "Versteh ich. Aber kommen Sie doch! Setzen wir uns in den Salon."

      Sie nahm mir die Geschenke ab und ging vor - einen vertrauten Weg, wie ich hätte annehmen können, doch es schien ein ganz anderes Haus als das meiner ehemaligen Nachbarn.

      Jahrelang war ich in diesem Haus ein- und ausgegangen, selten zwar durch den Vordereingang; doch insgesamt hatte ich Räume und Einrichtung fast so gut gekannt wie in meinem eigenen Haus. Natürlich hatte sich der Grundriss nicht wirklich geändert. Räume, Türen, Fenster, die Treppe und andere Bauelemente waren am gleichen Platz wie zuvor. Völlig verändert dagegen war das Dekor. Während mein Nachbar helle Farben und offene, sparsam möblierte Räume über alles geschätzt hatte, war die Einrichtung jetzt ... viele hätten es wohl altertümlich, sogar "düster" genannt, doch ich fand das Ergebnis zu reizvoll und zu vielseitig, um es als Verschlechterung zu empfinden.

      So hatten die neuen Eigentümer die dunkle Holztäfelung der Diele wieder frei gelegt, die mein Nachbar irgendwann mit hellen, stoffbespannten Platten verkleidet hatte. Überall auf kleinen Tischen oder dem Boden sah ich Lampen oder Kerzenleuchter, die bei Nacht hier kein sehr helles, aber ein angenehmes Licht spenden würden. Die Wände der Wohnräume waren zuvor weiß oder hell gestrichen und bis auf einige teure Originalabzüge berühmter Fotografen fast leer gewesen. Nun waren sie mit seidig glänzenden, wie Stoff wirkenden Tapeten in dunklen, warmen Farbtönen bespannt oder von Bücherregalen verdeckt, die bis zur Decke reichten; zahllose Bücher waren teilweise schon eingeräumt, teilweise warteten sie noch in Kisten, die sich vor den Regalen stapelten.

      Die Villa besaß im Erdgeschoss dreieinhalb Wohnräume, ein Speisezimmer und die Küche. Früher hatte hier überall derselbe, elegante, kühle Stil geherrscht, geprägt durch eine spärliche Einrichtung mit wenigen ausgesuchten Designermöbeln. Nun präsentierten sich die Räume in geradezu anachronistischer Üppigkeit, und jeder besaß eine andere Farbgebung und Atmosphäre.

      Der Salon, in den


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