Kinderärztin Dr. Martens Classic 9 – Arztroman. Britta Frey
Mann, der dazu auch noch sehr männlich wirkte, dessen gutes Aussehen absolut nicht störte, sondern eher faszinierte.
Nachdem Katy ihren Kuchen gegessen und den Kakao getrunken hatte, rutschte sie vom Stuhl und ging zur Küchentür.
»Ich gehe noch ein bißchen spielen«, verkündete sie. Peter Büchner nickte seiner kleinen Tochter gewährend zu. Katy entfernte sich niemals weit vom Haus, blieb immer in Rufweite und kam dann und wann zurück, als wollte sie sich immer wieder in Erinnerung bringen.
Büchner erhob sich und ging zum Kühlschrank, wandte sich mit fragendem Blick dem alten Mann zu und fragte augenzwinkernd: »Wie wäre es mit einem Klaren? Obwohl es draußen sehr warm ist, könnte ich einen brauchen.«
»Nun ja, der Geschmack hängt schließlich nicht von der Witterung ab.« Opa Fritz grinste verständnisinnig. »Ich würde jedenfalls auch nicht nein sagen.«
Peter lachte leise auf und stellte die Flasche Malteser auf den Küchentisch, holte die Gläser und schenkte ein. Schweigend prosteten sie einander zu und kippten den Inhalt der Gläser einfach in sich hinein. Dann atmeten sie gleichzeitig stöhnend auf und lachten einander an.
»Wann ist es bei Ihrer Schwiegertochter soweit, Opa Fritz?« erkundigte sich Büchner freundschaftlich. Er war einer der wenigen, die Fritz Wegener Opa Fritz nennen durften. Das ließ sich der alte Mann noch lange nicht von jedem gefallen. Jetzt machte er einen bedrückten Eindruck, als er zögernd erwiderte: »Ach, soweit ist es noch nicht. Darüber wird es wohl Winter werden. Aber ich glaube, es ist der Anna nicht recht, daß ich immer noch bei ihnen wohne.«
»Wieso Sie bei ihnen? Das ist doch wohl umgekehrt der Fall, oder?« fragte Büchner überrascht. Opa Fritz neigte den Kopf.
»Sie wissen doch, daß ich den Kindern das Haus überschrieben habe. Die Anna ist ganz schön auf Zack, kann ich Ihnen sagen. Ich habe es ja verstanden, als sie behauptete, dann brauchten sie und der Walter nach meinem Tod keine Erbschaftssteuer zu bezahlen.«
»Ich bin vielmehr der Ansicht, daß man Sie da ganz schön übers Ohr gehauen hat, Opa Fritz. Aber darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren, das haben wir schon oft und lange genug getan. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Hinauswerfen kann man Sie nicht. Schließlich haben Sie es schriftlich, daß Sie bis zu Ihrem Lebensende dort leben können.«
»Ja, das stimmt schon, hinauswerfen können sie mich nicht. Jedenfalls nicht so einfach, wie sich die Anna das so vorstellt. Aber sie können mich so weit bringen, daß ich von allein gehe.«
»Sie meinen – Sie trauen Ihrer Schwiegertochter zu, daß sie Sie hinausekeln könnte?« fragte Peter und sah den alten Mann fassungslos an. Opa Fritz hob die Schultern, weil er nicht wußte, was er darauf erwidern sollte. Schließlich murmelte er nur noch einmal: »Die Anna weiß ganz genau, was sie will. Und meistens erreicht sie es auch. Der Walter ist wie Wachs in ihren Händen. Und seit er weiß, daß nun doch noch ein Kind kommt, wo er doch die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte – nun weiß er schon gar nicht mehr, was er alles tun soll, nur, um der Anna zu gefallen und es ihr recht zu machen.«
»Trotzdem behaupte ich, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, daß man Sie hinaussetzt. Opa Fritz, bedenken Sie doch – Sie haben doch mit Ihrer Frau das Häuschen zusammen gebaut. Sie haben auf vieles verzichtet, damit Sie sich das Haus bauen konnten, und nicht genug damit – Sie haben es immer weiter ausgebaut und verschönert und sogar auch vergrößert. Sie haben alles liebevoll eingerichtet. Sie haben es Ihrem Sohn schon zu Lebzeiten überschrieben. Es ist unmöglich, daß man Ihnen jetzt als Dank einen Fußtritt gibt. Das kann ich nicht glauben.«
»Sie kennen auch die Anna nicht, Herr Büchner. Na, noch ist es ja nicht soweit. Und so einfach, wie sich die Anna das vorstellen mag, ist es auch wieder nicht, mich zu vertreiben. Hat mir aber gutgetan, mal darüber zu reden.«
Opa Fritz kippte auch den zweiten Schnaps hinab, weil man ja nicht gut auf einem Bein stehen konnte, und machte sich wieder an die Arbeit. Er war gern im Garten der Büchners, weil er immer wieder fand, daß dieser Garten noch als richtiges Stück Natur bezeichnet werden konnte. Natürlich gab es auch abgegrenzte Beete, aber nur am Anfang des Gartens. Je tiefer man hineinging, um so unberührter wirkte er. Niemand merkte, daß es eine kunstvoll angelegte Wildnis war. Nicht einmal die Tiere. Am Weiher gab es noch Libellen, Frösche waren keine Ausnahme: Opa Fritz hatte auch Feuersalamander entdeckt und war ganz begeistert gewesen. Es gab Bachstelzen und Rohrdommeln, Wasserhühnchen sowieso und auch ein paar Wildenten, die schon seit Jahren hier nisteten. Es gab Rebhühner, Eichkätzchen, einen Dachs und einen Fuchsbau. Peter Büchner achtete genau darauf, daß von dieser angelegten Natur nichts beschädigt wurde, so daß die Tiere, die sich hier angesiedelt hatten, sich auch weiterhin wohl fühlen konnten. Opa Fritz fand das fabelhaft. Aber er ließ sich natürlich nicht anmerken, daß er den Schriftsteller geradezu verehrte. Für ihn stand fest, daß Peter Büchner absolut fehlerfrei war.
Opa Fritz verzog sich wieder in den Garten. Er traf auf Katy und ging mit ihr tiefer in den Garten. Katy schob ihre kleine, nicht mehr ganz saubere Hand vertrauensvoll in die des alten Mannes. Sie wußte, daß er ihr jetzt wieder spannende Geschichten erzählen würde. Niemand konnte das so gut wie Opa Fritz.
*
Frau Rosen hatte das Suppenhuhn vorbereitet in den Kühlschrank getan. Peter Büchner und Katy hatten sich vorgenommen, die beste Hühnersuppe zu kochen, die es jemals gegeben hatte. Und von dem Fleisch wollten sie einen schmackhaften Geflügelsalat machen.
Gemeinsam gingen sie in den Garten, zur Kräuterecke, um Suppengrün zu ernten. Katy durfte sich einen Hocker an das Spülbecken ziehen und zuschauen, wie Peter das Suppengemüse wusch und kleinschnitt, ehe er es in den Topf mit dem Huhn gab.
Während das Huhn leicht vor sich hin kochte, holte Peter die Nudelmaschine. Gemeinsam berieten sie, welche Art von Nudeln sie herstellen wollten, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich für Spaghetti entschieden hatten. Sie hatten gerade unter Lachen und Scherzen die benutzte Nudelmaschine in den Schrank zurückgestellt, nachdem sie sie gemeinsam gesäubert hatten, als das Telefon läutete.
Opa Fritz kam gerade eben von draußen auf die Küchentür zu und hörte, wie Peter seiner kleinen Tochter zurief: »Augenblick, Elflein, ich bin gleich wieder da, muß nur eben ans Telefon.«
Dann verschwand er, und Opa Fritz betrat die Küche. Er schnupperte übertrieben und sagte anerkennend: »Na, hier duftet es aber ganz besonders gut. Kocht ihr heute wieder miteinander?«
Voller Eifer berichtete Katy, was es heute zu essen gab, und sah aus, als wäre sie überzeugt davon, daß ihre Arbeit die wichtigste auf der ganzen Welt wäre. Man sah Katy an, daß sie von ihrer Mission förmlich durchdrungen war.
Man hörte Peter Büchners Stimme. Jetzt verabschiedete er sich von seinem Gesprächspartner und legte auf. Da erhob sich Opa Fritz von dem Küchenstuhl, auf den er sich hatte sinken lassen, und sagte zufrieden: »Na, dann will ich mal mit deinem Vati sprechen und ihn fragen, ob wir nicht doch Maiglöckchen in den Steingarten pflanzen sollen.«
»Mach aber schnell, Opa Fritz, damit Vati und ich hier weitermachen können«, rief Katy hinter ihm her. Opa Fritz fand Peter in der geräumigen Wohndiele. Er wollte gerade in die Küche zurückkehren, als er Opa Fritz erblickte und stehenblieb, als dieser das Gespräch auf die Maiglöckchen brachte.
Zur selben Zeit wollte Katy in der Küche nach dem Suppenhuhn sehen und feststellen, ob es auch noch schön kochte. Sie nahm den Hocker, zog ihn zum Herd und kletterte hinauf. Sie griff nach dem Topflappen und nahm den Deckel vom Topf. Sofort quoll ein Schwaden Kochdampf aus dem Topf ihr entgegen. Katy zuckte zurück, taumelte und griff instinktiv nach einem Halt. Es war ihr Unglück, daß sie ausgerechnet nach dem Griff des Suppentopfs langte.
Genau in dem Augenblick, da Katy fiel, riß sie den Suppentopf im Fallen mit sich.
Peter Büchner und Opa Fritz hörten in der Wohndiele nur das Scheppern und den Fall. Aufgeschreckt rannten sie in die Küche. Da lag Katy bäuchlings in einer Lache heißer Hühnerbrühe. Sie war augenscheinlich starr und stumm vor Schreck und Schmerzen.
Mit einem unterdrücken Laut riß