Die bewegte Frau. Katrin Jonas
Weise ein wenig neue Kost zum sensorischen Verdauen an. Die Federleicht-Formel lautet: Je leichter, desto natürlicher. Je leichtfüßiger, desto besser.
Doch unterschätzen Sie die Federleicht.Inspirationen nicht. Selbst wenn Ihnen diese mitunter zu milde oder unbedeutend erscheinen sollten, haben sie es durchaus in sich. Sie hinterfragen Gewohntes und verfeinern Ihre Gefühlswelt.
Hören Sie doch gleich einmal etwas genauer in Ihren Körper hinein.
FEDERLEICHT.INSPIRATION
Meditatives Nach-innen-Horchen
Dem Geräusch des Atems lauschen
Hören Sie bei geschlossenen Augen dem Geräusch Ihres Atems! Erfassen Sie, wie es sich anhört, wenn Sie einatmen und wie es klingt, wenn Sie ausatmen.
Das Pochen des Herzens hören
Schließen Sie die Augen und werden Sie still. Legen Sie die linke Hand auf Ihr Herz und erfassen Sie Ihren Herzschlag. Vielleicht können Sie mitunter sogar den veränderten Schlagrhythmus erspüren, der durch den unterschiedlichen Blutfluss in der Systole und Diastole entsteht.
Den Tiefen der Stille lauschen
Erhören Sie Stille! Schließen Sie Ihre Augen und hören Sie in die Tiefe Ihrer inneren Stille hinein. Spüren Sie, wie Ihr Körper darauf reagiert.
Nutzen Sie generell alle denkbaren Stille-Situationen, in denen Sie sich für ein paar Momente mit Ihrer inneren Stille verbinden.
Technikfreies Bewegen
Kommen wir von der ersten Federleicht.Inspiration wieder zum Bewegen eines kleinen Kindes zurück. Indem dieses grundsätzlich freiwillig, spielerisch und genussorientiert ist, existiert in seinem Denken auch nicht die Idee, sich in vordefinierte Bewegungsformen oder Techniken zu zwängen. Wenn es seine Bewegungen unbeeinflusst erhalten könnte, es nichts von den Animationen im Außen, von Fernsehen, Werbung, Fitnesscentern oder Sportvereinen wüsste, käme es kaum auf die Idee, organisierten Sport zu treiben, im Fitnessstudio zu schwitzen, sich an der Ballettstange zu trimmen, sich zum Kinderyoga anzumelden oder bald in einem Stadion mit vorgezeichneten Bahnen seine Runden zu drehen. Das Verebben von spontanen physischen Ausdrucksformen passiert erst dann, wenn sie in vorgeformte Bewegungen gepresst oder durch das Anstacheln des Wettkampfgeistes zu bestimmten Leistungen ermuntert werden.
Ein Blick voraus: Das sind alles Erfindungen der Leistungsgesellschaft, denen erwachsene Menschen einen Wert abgewinnen. Für ein Kind sind sie jedoch komplett uninteressant. Leider sind es gerade solche Erfindungen, die den Menschen von seinem natürlichen Bewegungsbedürfnis weglenken. Aber dazu später mehr.
Ohne Leistungsanspruch
Weil ein Kind Bewegung mit Freiheit in seinem Selbstausdruck assoziiert, sind ihm Leistungsgedanken fremd. Es ist ihm ziemlich egal, wie schnell es rennt, wie hoch es springt oder wie es in seiner Bewegung wirkt. Diese äußeren Koordinaten spielen für ein Kind nur insofern eine Rolle, als es nach größerer sensomotorischer Befriedigung sucht, an deren gefühlter Qualität feilt und die Grenzen seines Körpers ausloten möchte.
Wenn es dadurch effizienter und organischer läuft, ausgelassener springt oder bestimmte Hindernisse überwinden kann, ist das kein Resultat seiner Leistungsobsession, sondern der Ruf des Körpers, das Bewegungsrepertoire zu weiten und sich daran zu erfreuen.
Klar. Ein Kind fühlt sich animiert, wenn es ältere und körperlich versiertere Kinder sieht, die auf Bäume klettern, schwimmen oder Fahrrad fahren können. Doch kein Kind käme natürlicherweise auf die Idee, durch den Garten oder über den Spielplatz zu sprinten und dabei die Zeit zu messen und seine Körperfunktionen zu tracken. Es würde sich auch nicht in Sportkleidung werfen, weil es die Unterscheidung zwischen Bewegung und Sport nicht trifft.
Eine Utopie
Ich weiß, dass es utopisch klingt. Doch wenn man Kinder unbeeinflusst von vorgefertigten Bewegungsformen ließe, würden sie sich auf Dauer wahrscheinlich nie zu diesen Mustern hingezogen fühlen. Wenn Kinder bestimmte Bewegungsformen exzessiv wiederholen, tun sie es nur so lange, bis sie aus der jeweiligen Bewegung oder motorischen Aktion allen Bewegungsgenuss, alles Neue und Verwertbare für sich herausgezogen haben. Während sie in dieser Zeit ohne diese Sache oder Aktion kaum leben können, lassen sie diese an einem bestimmten Tag X genauso strikt hinter sich zurück. Sie gehen zu anderen Bewegungen über, die für sie interessanter geworden sind.
Und dabei orientieren sie sich nach wie vor daran, was sich gut anfühlt. Wenn es in eine Technik oder definierte Bewegungsform organisch mündet, okay. Doch es entspricht nicht ihrer Intention. Sie bleiben immerfort spielerisch und kreativ.
Ganzheitliches Bewegen
Ebenso wenig wie ein Kind je von selbst auf die Idee käme, seine Bewegungen in Leistungsparametern zu analysieren, würde es seinen Körper auch nicht in bestimmte Körperbereiche zerlegen und diese selektiv benutzen. Es würde niemals einzelne Muskelgruppen trainieren, um ein bestimmtes Relief zu kriegen, den Bizeps oder Trizeps zu kräftigen, den Hintern zu straffen, die Oberschenkelmuskeln zu stählen oder ein Sixpack zu modulieren. Weder zerhackt es seinen Körper in Problemzonen, noch kritisiert es weiche Körperbereiche oder betrachtet gestählte muskulöse Teile als sexy oder attraktiv. Viel mehr strebt es nach einem ganzkörperlichen Befriedigtsein. Die Fitnessstudios mit ihren Maschinen zum „Aufbau“ bestimmter Muskeln oder Muskelgruppen würden an kleinen Kindern und an Menschen, die mit ihrer Natürlichkeit verbunden geblieben sind, nichts verdienen.
Prozessorientierung
Das alles gipfelt in einer sehr wichtigen Eigenschaft, die das Bewegungsverhalten eines Kindes auszeichnet: Es zieht seine bewegungsbezogene Befriedigung direkt aus dem unmittelbaren Benutzen des Körpers, dem Fühlen des Bewegens an sich, aus dem Tun. Hat sich der Einsatz des Körpers gut angefühlt, ist es zufrieden. Gut. Prima. Schön. Hat das Bewegen hingegen nicht für Befriedigung gesorgt, nimmt das Kind möglicherweise Veränderungen vor und probiert es noch einmal. Doch es orientiert sich immer wieder an den Bewegungen, die ihm koordinative und sensorische Erfüllung bringen. Anstatt sich am späteren Resultat oder der Anerkennung durch andere zu orientieren, ist sein Antrieb zum Bewegen ein prozessbezogener, ein femininer. Das Tun ist ihm genug.
Und genau daran können Sie seine Natürlichkeit ablesen. Je mehr ein Kind mit der Natur seines Körpers verbunden ist, desto weniger interessiert es sich für das Ergebnis und desto geringer ist seine Nachfrage nach Anerkennung dafür. Resultate sind ihm so lange egal, bis es aus diesen emotionale und soziale Vorteile zieht. Genau das geschieht, sobald sein Bewegen von außen bewertet wird.
Natürliches
Ich glaube, dass Sie mittlerweile gut sehen können, wie anders, problemlos und natürlich das Verhältnis zu Bewegung eigentlich in uns Menschen eingerichtet ist.
Fassen wir die sieben Grundqualitäten natürlichen Bewegens einmal zusammen, weil sie wichtig für alles sind, was in diesem Buch folgt.
Die sieben Grundqualitäten natürlichen Bewegens:
• genussorientiert
• selbstgeführt
• spielerisch
• organisch
• spontan
• balanceorientiert
• prozessbezogen
Auf den Punkt gebracht
Mit den sieben natürlichen Bewegungsqualitäten haben wir den Grundstein gelegt.
Und