Von Menschen verstoßen – bei Jesus geborgen. Jan Vermeer
später zum ersten Mal, als die Bewohner ihres Dorfes ein Treffen einberiefen: „Sie beschlossen einmütig, dass Christen im Dorf nicht toleriert werden dürften. Meinen Vater ließen sie antreten und setzten ihn unter Druck, bis er nachgab: ‚Ich werde ihnen ihr Zimmer lassen, aber ich werde ihnen kein Essen und keine Kleidung geben.‘ Und so kam es auch: Er sperrte uns nicht ein, aber wir mussten uns in jeder Hinsicht selbst versorgen. Das ganze Dorf lehnte uns ab – und dennoch fühlten wir uns von Gott gesegnet!“
Bevor ich fragen kann, ob Gott sie denn in dieser Zeit der Prüfung begleitet hat, ist Meena mit ihrer Geschichte schon einen Riesenschritt weiter. Sie will über die Verfolgung berichten, die sie vor ein paar Monaten erlebte. Es begann damit, dass einige Hindus ihnen den Weg verstellten und ein paar Eimer mit Beeren raubten. „Christen dürfen keine Beeren pflücken“, erklärten sie drohend. „Ihr dürft auch kein Wasser von der Wasserstelle holen oder die Straße durchs Dorf benutzen.“
Meena, Sunita und zwei weitere Christinnen schafften es zu fliehen und sich bis Mitternacht auf einem Hügel versteckt zu halten. Fast acht Stunden lang konnten sie hören, wie die Extremisten herumschrien: „Wo sind sie? Verbrennt sie! Verbrennt sie!“
Als sie sich endlich etwas sicherer fühlten, machten sich die Christinnen auf den Weg in ein anderes Dorf. Dort angekommen, fanden sie bei anderen Gläubigen Unterschlupf für die Nacht. Am nächsten Tag suchten sie sofort die dortige Polizeistation auf. Ängstlich berichteten sie, was passiert war, und die dortigen Beamten nahmen Kontakt mit den Bewohnern aus Meenas und Sunitas Dorf auf. Sie vereinbarten, dass die Frauen ein paar Tage später zu „Friedensgesprächen“ zurückkehren konnten.
„Jesus starb am Kreuz und das werdet ihr auch.“
„Als der vereinbarte Tag gekommen war, gingen wir erst einmal nach Hause“, berichtet Meena. „Eine Frau kam zu uns und begann damit, uns einzuschüchtern.“ Die Frage dieser Frau klingt Meena noch heute in den Ohren: „Warum seid ihr Christen geworden?“
Dann kamen noch mehr Leute zu ihrem Haus und Meena und Sunita wurden nach draußen gezerrt. Ein paar Männer schlugen sie mit Bambusstäben, erinnert sich Meena. „Sie haben mindestens fünf oder sechs davon auf meinem Rücken zerbrochen. Meine Schwester versuchte, mich zu beschützen, aber es gelang ihr nicht. Ich rief laut aus: ‚Danke, Herr! Jesus, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘“
Die Hindus ließ das völlig kalt. Einer von ihnen sagte gehässig: „Wir haben von Jesus gehört. Er starb am Kreuz und das werdet ihr auch!“
Meena erzählt weiter: „Ich betete einfach, dass Gottes Wille geschehe, was immer auch käme. Natürlich taten die Schläge schrecklich weh, aber in mir fühlte ich eine ungeheure Freude. Ich wurde als würdig erachtet, für Jesus zu leiden!“
Auf die Frage, wie ihr Glaube so stark geworden sei, antwortet sie ohne Zögern: „Gott gibt uns die Stärke.“
Während unseres Gesprächs zeigt Meena in ihrem ganzen Verhalten, dass sie über eine außerordentliche Resilienz verfügt. Ihr Gesicht strahlt vor Freude – ein Strahlen, das man sonst nur bei einer Braut an ihrem Hochzeitstag sieht.
Sunita sagte die ganze Zeit über kein Wort, doch ihre Augen sprechen Bände: Während sie der ruhigen Stimme ihrer Schwester lauscht, sieht sie die Ereignisse des Tages, an dem sie zusammengeschlagen wurden, erneut wie einen Film in ihrem Inneren ablaufen.
Ich nehme Augenkontakt zu ihr auf. Ich weiß, dass unsere Zeit abgelaufen ist. Es war ein langer Tag, das Team ist müde. Dennoch bricht es aus mir heraus: „Wärst du auch bereit, uns deine Geschichte zu erzählen?“
Als der Dolmetscher meine Worte übersetzt, nickt Sunita, aber die Hände, die sie im Schoß gefaltet hält, verkrampfen sich. Sie schließt die Augen und scheint still zu beten, bevor sie zu sprechen beginnt. Ich muss ihr kaum eine Frage stellen, denn die Worte fließen nur so aus ihrem Mund. Ihre Stimme ist jedoch dabei so zittrig wie die Töne eines verstimmten Saiteninstrumentes.
„Als die Frau aus dem Dorf zu uns ins Haus kam, schrie sie uns an: ‚Warum seid ihr Christen geworden? Wir wollen hier keine Christen! Geht in ein Christendorf.‘ Sie schlug mich drei Mal. Dann kamen viele andere Leute. Meine Schwester und ich versuchten, uns gegenseitig zu schützen, aber wir konnten es nicht. Sie verhöhnten und beschimpften uns. Ich dachte, ich würde sterben! Ich ertrug die Schläge einfach still und betete. Betete so lange, bis ich das Bewusstsein verlor. Dann haben sie mich wohl aus dem Dorf hinausgezerrt. Als ich wieder zu mir kam, tat mein Handgelenk schrecklich weh. Ich sah den gebrochenen Knochen – er stand heraus. Ich erhob mich mühsam und verließ das Dorf.“
Sunita streicht mit ihrer rechten Hand über ihren linken Arm, als sie erklärt, wie die Männer ihr mit den Bambusstöcken das Handgelenk brachen. Dann berührt sie mit beiden Händen ihre Schultern, um zu zeigen, wie sie aus dem Dorf geschleppt und dem Tod überlassen wurde.
Auf ihrer Flucht aus dem Dorf hörte sie, dass jemand ihr folgte. Verzweifelt suchte sie nach einem Versteck. Zu dem Zeitpunkt hatte sie keine Ahnung, ob ihre Schwester Meena noch lebte oder bereits tot war. Als Sunita einen Ziegenstall entdeckte, flüchtete sie sich dort hinein. Durch die Löcher im Holz konnte sie ihre Angreifer nicht nur sehen, sondern sogar auch sprechen hören.
„Ich kauerte mich in eine Ecke und betete, dass meine Schwester noch am Leben sein möge und dass Gottes Wille geschehe. Ich sagte zu Gott: ‚Entweder ich sterbe oder ich werde zu einer Zeugin für dich! Was auch immer geschieht – lass mich zu einer Waffe werden, Herr! Lass andere dich in mir erkennen!‘“
Endlich gingen die Männer, und kurze Zeit später fanden die schwer verletzten Schwestern im Haus einer anderen Christin wieder zusammen. „Aber sie hatte Angst, uns zu helfen“, erinnert sich Sunita. „‚Wenn sie herausfinden, dass ihr hier seid, werden sie euch töten. Geht ins nächste Dorf‘, wurde uns gesagt. Also machten wir uns wieder auf den Weg. Im nächsten Dorf angekommen, nahm eine andere christliche Familie uns bei sich auf und brachte uns auch ins Krankenhaus.“
Als ich die beiden Schwestern zum ersten Mal traf, lebten sie noch in ihrem Versteck. Mithilfe der Christen vor Ort konnte Open Doors ihnen Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zukommen lassen. Wir übernahmen auch die Kosten für die medizinische Versorgung.
„Ich danke Gott für die Verfolgung“, erklärt Meena. „Gott hat uns im Voraus gewarnt, dass dies geschehen würde und dass er für uns sorgen würde. Wir waren vorbereitet. Vielen Dank, dass ihr für uns gebetet und uns geholfen habt. Für uns war die Botschaft der Bibel bisher nur Theorie, aber wenn man Verfolgung erlebt und nicht vom Glauben abfällt, sondern Zeugnis für Gott ablegt, dann weiß man, dass sie auch Realität ist. Ihr habt uns geholfen, stark zu bleiben.“
Die Worte der beiden Schwestern bewegten mich damals tief, besonders Sunitas Gebet, in dem sie sagte, dass Gottes Wille geschehen solle, selbst wenn sie dadurch zur Märtyrerin werden würde. Aber sie bat Gott auch, sie zu retten und als lebendige Zeugin wirken zu lassen.
Zwei Jahre nach diesem Treffen bekam ich nun die Chance, Meena und Sunita erneut in Indien zu besuchen. Manches hat sich geändert: Die beiden sind sehr viel glücklicher als bei unserem ersten Treffen. Andere Dinge sind gleich geblieben: Meena übernimmt das Gespräch wieder vollständig.
Was Verfolgung einen Christen kostet
Ich frage sie: „Wenn ihr eine Bilanz dessen ziehen müsstet, was ihr durch die Verfolgung verloren habt, wie sähe diese aus?“
Sie zählt die Verluste auf, als handele es sich um ihre Einkaufsliste: „Wir haben unser Zuhause verloren, unsere Reisernte, 45 Ziegen sowie unsere Wäsche und Kleider. Wir wurden aus dem Dorf vertrieben. Wir haben unsere Freunde und unsere Familie verloren, und als wir ein neues Haus bauen wollten, wurden uns die Ziegel und das Holz gestohlen.“
Die Schwestern sind immer noch täglich Verfolgung ausgesetzt. Verhöhnung und andere Formen der Diskriminierung