Der neue Sonnenwinkel 81 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel 81 – Familienroman - Michaela Dornberg


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muntere Frauenstimme rief, ganz so, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt: »Hallo, meine liebe Inge, da bin ich wieder.«

      Es dauerte einen Augenblick, ehe Inge Auerbach sich von ihrer Überraschung erholt hatte, denn sie hätte wirklich mit allem gerechnet, mit dieser Besucherin allerdings gewiss nicht.

      »Rosmarie, wieso bist du nicht in Paris?«, erkundigte Inge sich schließlich nicht besonders geistreich.

      Die Besucherin lachte.

      »Ich kann deine Verwirrtheit verstehen, meine liebe Freundin, ich würde vermutlich nicht anders reagieren. Auch wenn es in Paris wieder einmal ganz großartig war, weil Cecile alles gab, hielt ich es mit den Gedanken an Stella nicht länger dort aus. Sie war so lange weg. Wie müsste es sich für Stella denn anfühlen, vor verschlossener Tür zu stehen? Das wollte ich unbedingt verhindern.«

      Deswegen also war Rosmarie zurückgekommen?

      »Komm erst mal rein, Rosmarie«, erklärte Inge, dann zog sie ihre Besucherin ins Haus. »Wir müssen ja nicht die ganze Nachbarschaft unterhalten.«

      Das war eine unpassende Bemerkung, denn die Auerbach-Villa befand sich in einer exclusiven Lage, weil es sie bereits gegeben hatte, ehe die später preisgekrönte Siedlung gebaut worden war.

      Rosmarie folgte ihr, und Inge registrierte, dass Rosmarie großartig aussah.

      Das Outfit, das sie trug, stammte eindeutig aus Paris. Man musste einfach neidlos den Franzosen zugestehen, dass sie etwas von Mode verstanden.

      Neidisch war Inge nicht. Sie war kein Modefreak, doch mit sicherem Blick stellte sie fest, dass sie das Modell durchaus nachnähen könnte, wollte sie aber gar nicht. Es reichte schon, dass Pamela sie immer wieder dazu drängte, etwas nachzunähen, was irgendein Idol von ihr trug. Das hatte allerdings nachgelassen. Pamela wurde älter, und sie begann, ihren eigenen Stil zu entwickeln, und die Schwärmerei für jemanden nahm ebenfalls ab. Jetzt war Pamela nur daran interessiert, irgendwann ein gutes Abitur zu machen. Erstaunlicherweise wollte sie noch immer Handchirurgin werden wie ihre Schwägerin Charlotte. Ach ja, Pamela war schon ein wahrer Sonnenschein. Doch um die ging es gerade nicht, sondern um Rosmarie, die so plötzlich hereingeschneit war.

      »Komm, setz dich, Rosmarie«, bat Inge, nachdem sie die gemütliche, große Wohnküche erreicht hatten, den Lebensmittelpunkt der Auerbachs.

      Das hätte Rosmarie allerdings auch ohne diese nette Aufforderung von sich aus getan. Sie kannte sich schließlich aus in der Villa Auerbach.

      Ungefragt schenkte Inge auch Kaffee für Rosmarie ein, holte aus einem Schrank selbst gebackene Kekse, die sie auf eine hübsche Silberschale legte, schob sie Rosmarie gleichfalls zu. Und die griff sofort beherzt hinein, sie wusste, welche Backkünstlerin Inge war.

      »So, Rosmarie, und jetzt spann mich bitte nicht länger auf die Folter. Ihr seid tatsächlich vorzeitig zurückgekommen, weil Stella unerwartet im Sonnenwinkel auftauchen könnte?«

      Sofort wurde sie von Rosmarie korrigiert. »Nicht wir sind zurückgekommen, sondern lediglich ich bin es. Heinz ist in Paris bei Cecile geblieben. Er ist ein wenig sauer auf mich, und irgendwo kann ich ihn auch verstehen. Ich war es schließlich, die ihm in den Ohren lag, diese Frankreichreise endlich zu unternehmen. Und es war von Anfang an herrlich, nicht nur, weil Cecile alles für uns getan hat. Paris ist halt eine Stadt, in der man träumen, schwelgen und lieben kann. Heinz und ich unternahmen auch viel gemeinsam. Es war beinahe wieder so wie bei dieser wundervollen Reise mit dem Camper, bei der wir unsere Liebe zueinander entdeckten. Wie du weißt, war danach vieles wieder abgeflacht, weil der Alltag uns irgendwann eingeholt hatte. Wir waren ganz schön verliebt. Na ja, Paris heißt bestimmt nicht zufällig die Stadt der Liebe.«

      Inge schüttelte den Kopf. Sie verstand Rosmarie nicht.

      »Und auf all das hast du wegen Stella verzichtet?«

      Rosmarie trank etwas von ihrem Kaffee, nahm sich einen Schokoladenkeks von der Schale, danach bemerkte sie kleinlaut: »Es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war fest davon überzeugt, dass Heinz mit mir zurückkommen würde. Sein Verhältnis zu Stella ist wohl noch gestörter als gedacht. Er ist der Meinung, dass wir uns nicht nach Stellas Wünschen richten müssen, sondern sie sich nach unseren. Wir müssen nicht springen, weil sie sich dazu bequemt hat, ihre Zelte wieder in Deutschland aufzuschlagen, nach einer sehr langen Zeit des Schweigens.«

      Inge überlegte nicht lange.

      »Rosmarie, Heinz hat recht.«

      Man sah Rosmarie an, dass sie jetzt eine andere Antwort erwartet hätte.

      Sie war ein wenig enttäuscht. »Inge, wir sind doch die Eltern und Großeltern.«

      Inge nickte.

      »Klar seid ihr das. Doch das bedeutet wirklich nicht, dass ihr euer Leben nach Stella ausrichten müsst. Denk an meine Worte von neulich!«

      Inge hatte ja recht, dennoch blieb Rosmarie bei ihrer vorgefassten Meinung.

      »Aber jetzt ist sie wieder da, und ich möchte Stella und meine Enkelkinder so schnell wie möglich sehen.«

      Inge gab ihr einen Dämpfer, und das bestimmt nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil sie Stella kannte. Schließlich war die mal ihre Schwiegertochter gewesen.

      »Rosmarie, immer vorausgesetzt, Stella möchte das ebenfalls. Ich weiß zwar von Ricky, dass Stella zwar mal in den Sonnenwinkel kommen möchte, um uns alle zu sehen. Aber wann das sein soll, das steht in den Sternen. Es kann recht bald sein oder noch eine Weile dauern.«

      Rosmarie schluckte.

      »Auf jeden Fall werde ich dann daheim sein«, bemerkte sie ein wenig bockig, um dann leise hinzuzufügen: »Es war ein wenig unüberlegt von mir, meine Zelte in Paris abzubrechen, nicht wahr?«

      Das konnte Inge nur bestätigen, doch sie hatte keine Lust, jetzt noch ewig über dieses Thema zu sprechen.

      »Jedes Ding hat zwei Seiten, Rosmarie. Wenn du so willst, bin ich auf jeden Fall eine Gewinnerin, denn du hast mir gefehlt. Ich bin froh, dass du wieder hier bist.«

      Rosmarie lächelte.

      »Du hast mir auch gefehlt, wenngleich es in Paris wirklich unvergleichlich schön war. Cecile ist ein wunderbarer Mensch, und es kann nicht schaden, dass Heinz jetzt allein Zeit mit ihr verbringen kann. Sie ist schließlich seine Tochter, und die beiden haben eine ganze Menge nachzuholen, weil sie sich erst kennengelernt haben, als Cecile bereits erwachsen war.«

      »Ja, das ist wirklich schade. Ceciles Mutter hat Vater und Tochter um etwas gebracht, was nicht nachzuholen ist. Und so etwas ist sehr, sehr schade. Es kommt ja leider öfter vor, als man denkt. Menschen werden einander vorenthalten, es wird gelogen, und das alles, weil man nicht an die anderen, die Betroffenen denkt, sondern rein egoistische Ziele verfolgt. In Ceciles Leben war es ein wenig anders, das darf man schon sagen. Du weißt es besser als ich, dass Heinz und seine Adrienne voneinander getrennt worden waren. Das war tragisch, dennoch hätte Adrienne nicht bis kurz vor ihrem Tod damit warten dürfen, Cecile über ihren Vater aufzuklären. Doch bitte, lass uns davon aufhören. Es geht uns nichts an, mich schon überhaupt nicht, und wenn man so will, ist es ja zu einem versöhnlichen Ende gekommen. Missie und Beauty habt ihr ja hier im Sonnenwinkel zurückgelassen. Die müssen sich doch wahnsinnig gefreut haben, dich endlich wiederzusehen.« Rosmarie lachte.

      »Das zu glauben, wäre ja sehr schmeichelhaft für mich, doch ich bin überzeugt davon, dass ihr Interesse eher den ihnen mitgebrachten Leckerli galt als mir.«

      Das Thema Stella war damit vorerst einmal vom Tisch, und es gab ja auch wirklich eine ganze Menge, worüber sie reden konnten. Auf jeden Fall war es schön, dass Rosmarie wieder daheim war, darüber freute Inge sich, und ehe sie erneut Kaffee einschenkte, holte sie weitere Kekse, denn der Bestand auf der Silberschale hatte bereits auf erschreckende Weise abgenommen.

      *

      Als Sophia von Bergen das kombinierte Wohn- und Esszimmer betrat, blieb sie verblüfft stehen.

      Der Tisch war geradezu


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