Der neue Sonnenwinkel 81 – Familienroman. Michaela Dornberg

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bist du ja endlich, kleine Langschläferin«, rief Angela, lief auf ihre Mutter zu, umarmte sie, gab ihr einen Kuss.

      »Oh, ich bin schon sehr lange wach, habe ein wenig herumgetrödelt, gelesen, weil ich dich nicht stören wollte. Doch sag, mein Kind, was hat das zu bedeuten? Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand von uns Geburtstag hat. Und auch sonst gibt es nichts, was man gebührend feiern müsste.«

      Angela ließ ihre Mutter los, sie war ein wenig verlegen.

      »Mama, so setz dich erst einmal, und sag mir bitte, was du trinken möchtest, Tee oder Kaffee? Es steht beides parat.«

      Sophia setzte sich, sie war gerührt, alles war wirklich wunderschön, und es fehlte an nichts. Trotzdem beschlich sie ein Gefühl des Unbehagens.

      »Tee bitte«, sagte Sophia, die es kaum erwarten konnte, zu erfahren, welchen Anlass es für diesen besonders gedeckten und besonders bestückten Tisch gab.

      Angela schenkte ein, viel zu langsam, wie es Sophia in ihrer Ungeduld schien. Sie selbst nahm Kaffee, setzte sich. Sophia wollte nicht länger warten.

      »Angela, was ist los?«

      Sie hätte noch mehr fragen können, denn ihre Neugier war mit dieser einen Frage längst nicht befriedigt. Sie verkniff es sich.

      Es war eine einfache Frage, doch wie es schien, hatte Angela Schwierigkeiten, die zu beantworten.

      »Muss denn immer etwas los sein, wenn man es sich nett macht, Mama?«

      Sophia kannte ihre Tochter nur zu gut, um zu wissen, dass es damit nicht getan war.

      »Nein, natürlich nicht, mein Kind. Doch wenn man jemanden so gut kennt wie ich dich, dann weiß man, dass etwas dahintersteckt.«

      Angela errötete, doch dann lächelte sie.

      »Mama, dir kann man wirklich nichts vormachen. Also gut, es gibt einen Anlass … zuerst einmal, Jean Pierre wird nicht in den Sonnenwinkel kommen, und das bedauert er sehr, weil er dich sehr gern persönlich kennengelernt hätte.«

      Eigentlich hatte Sophia gerade zu ihrer Teetasse greifen wollen. Das ließ sie erst einmal bleiben.

      »Er kommt nicht?«

      Tausend Gedanken und Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. Und eben das, glaubte Angela, erraten zu können.

      »Mama, keine Sorge, zwischen Jean Pierre und mir ist es nicht aus. Es …«, sie brach ihren Satz ab, erkundigte sich stattdessen, »sollen wir nicht erst einmal ganz gemütlich frühstücken, und hinterher reden wir über alles?«

      Das hätte Angela jetzt nicht sagen dürfen. Es stand also doch etwas im Raum, etwas, was wichtig zu sein schien. Wie sollte sie dann genüsslich in ein Lachsbrötchen beißen oder ein Croissant essen? Das ging jetzt überhaupt nicht.

      »Angela, spann mich bitte nicht länger auf die Folter, sondern sage mir, was geschehen ist. Hat es damit zu tun, dass dein Freund nun nicht kommen wird?«

      Sie hatte haargenau ins Schwarze getroffen, denn Angela nickte. Und dann geschah erst einmal überhaupt nichts, weil Angela in ein Brötchen mit Himbeermarmelade biss und sich ganz viel Zeit damit ließ. Sie wollte Zeit gewinnen, keine Frage. Und auch wenn sie wie auf heißen Kohlen saß, konnte Sophia ihre Tochter jetzt nicht zwingen, gefälligst schneller zu essen oder es erst einmal ganz zu lassen. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.

      Angela hatte den letzten Bissen ihres Brötchens kaum heruntergeschluckt, als Sophia sagte: »Und jetzt schieß los, erzähl.«

      Nun hatte sie keine andere Wahl mehr. Außerdem, es war besser, es sofort hinter sich zu bringen. Wenn nur der Anfang nicht so schwer wäre! Angela wusste, dass ihre Mutter sehr enttäuscht sein würde.

      »Mama, es hat sich etwas in unseren Plänen geändert. Das ist auch der Grund, warum Jean Pierre nicht herkommt. Unsere Reise beginnt früher als geplant.«

      »Was heißt früher?« Diese Bemerkung konnte Sophia sich einfach nicht verkneifen.

      »Nächste Woche, ich habe also noch eine ganze Menge zu tun, vor allem muss unsere Frau Doktor prüfen, ob irgendwelche Impfungen vorher noch erneuert werden müssen.«

      Sophia saß wie versteinert da. Angela war doch gerade erst wieder nach Hause gekommen, und nun wollte sie schon wieder weg?

      »Mama, es tut mir unendlich leid, ich hatte es mir ja auch anders vorgestellt. Aber Jean Pierre ist auch bloß ein kleines Rädchen innerhalb eines umfassenden Geschäftssystems. Er muss sich dem fügen, und da ich ihn begleiten werde, muss ich es ebenfalls tun.«

      Sophia konnte noch immer nichts sagen, Wellen der Enttäuschung überfluteten sie.

      Angela bekam ein schlechtes Gewissen.

      »Mama, an den Tatsachen hat sich ja nichts geändert, alles beginnt nur früher.«

      Sophia winkte ab. »Ist schon gut.« Diese drei Worte hatte Sophia sich mit ersterbender Stimme hervorgepresst.

      »Mama, ich verschwinde doch nicht für immer. Egal, wohin meine Reise auch gehen wird, das hier wird immer mein Zuhause bleiben, auch wenn ich nicht immer anwesend bin. Aber du, liebste Mama, du wirst für immer den allerersten Platz in meinem Herzen haben, das ist gewiss.«

      Sophia war gerührt, dennoch konnten diese liebevollen Worte nicht die Enttäuschung, die in ihr war, hinwegspülen. Aber sie durfte es Angela auch nicht zu schwer machen, sie musste sich zusammenreißen.

      »Und wo fängt die Reise an? In Botsuana, wie geplant?«, wollte sie wissen und tat sehr interessiert. Tatsächlich bewegte es sie viel mehr, dass jede Reise sie und Angela voneinander trennte.

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