Tag X. V. S. Gerling

Tag X - V. S. Gerling


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zum Leiter der Behörde ernannt. Diesen Job machte er allerdings nicht lange. Man munkelte, er habe sich mit dem Kanzleramt überworfen und wurde geschasst.«

      »Wir haben gehört, er hat gekündigt, um in die private Wirtschaft zu gehen«, sagte Hoffmann.

      »Das habe ich auch gehört«, bestätigte Dietrich.

      »Wir möchten, dass Sie ihn überprüfen. Intensiv«, befahl Wittgenstein.

      »Privat und beruflich«, ergänzte Hoffmann.

      »Klar, kein Problem.«

      »Wir brauchen die Informationen schnell«, fügte Wittgenstein an.

      »Verstanden.«

      »Wie war Ihr Treffen mit Castrop?«, erkundigte sich Wittgenstein.

      »Gut. Ich habe ihm gesagt, dass er seine Truppe vergrößern muss.«

      »Und?«

      »Wird seiner Meinung nach kein Problem sein. Aber er machte mich auf die Zusatzkosten aufmerksam und fragte, woher das ganze Geld kommt.«

      Wittgenstein sah Dietrich prüfend an. »Wie haben Sie reagiert?«

      »Ich habe ihn in seine Schranken verwiesen.«

      »Mit Erfolg?«

      »Das wird sich zeigen.«

      »Seien Sie vorsichtig«, mahnte Hoffmann. »Castrop ist nicht dumm.«

      »Ich weiß. Ich bin vorsichtig.«

      »Gut. Was machen Abel und Seifert?«

      »Kümmern sich um ihren Veteranen-Verein. Es war eine wirklich gute Idee, den zu gründen. Wir rekrutieren aus den Reihen der Mitglieder eine Menge Personal.«

      »Die brauchen wir auch«, sagte Wittgenstein.

      »Was ist im Kanzleramt los? Sind sie in Panik wegen des Absturzes?«, wollte Hoffmann wissen.

      Dietrich schlug die Beine übereinander und faltete die Hände vor dem Bauch. »Panik wäre übertrieben. Aber die Besorgnis ist groß. Sehr groß.«

      Hoffmann nickte zufrieden.

      Wittgensteins Miene war undurchdringlich.

      Besorgnis ist gut, dachte er. Panik wäre besser.

      »Gibt es Anzeichen dafür, dass sie den Anschlag mit Ebola und den Absturz in Verbindung gebracht haben?«, fragte er Dietrich.

      Der schüttelte den Kopf. »Nein, keine Anzeichen.«

      »Das ist schade«, sagte Wittgenstein leise.

      Jede Regierung war sich sicher, für nahezu alle möglichen Bedrohungsszenarien gewappnet zu sein. Theoretisch.

      Praktisch sah das jedoch vollkommen anders aus.

      Seiner Erfahrung nach war Bedrohungsmanagement immer eine Frage der Fantasie.

      Und die war in Sachen Bedrohung begrenzt.

      Sie beschränkte sich in aller Regel auf Ereignisse, die gerade irgendwo auf der Welt geschehen waren. Plötzlich fragt man sich, ob einem das selbst auch passieren könnte.

      Aber wenn es darum ging, sich mögliche zukünftige Krisen vorzustellen, versagte die Fantasie.

      Niemals hätte jemand vorhersehen können, dass mit Teppichmessern bewaffnete Islamisten Passagierflugzeuge entführen und in Hochhäuser steuern könnten.

      Niemals.

      Das machte es auch so schwierig, bei den regierenden Politikern Panik zu erzeugen.

      Deren Fantasie reichte schon mal gar nicht aus.

      Politischer Erfolg war eine heikle Sache. Kommen Menschen an die Macht, werden sie sehr schnell bequem. Aber jene, die keine Macht haben, bündeln ihre Kräfte.

      Sie konzentrieren sich auf ein gemeinsames Ziel: eine bestimmte Person oder Partei loszuwerden.

      Dieses Phänomen wollten Wittgenstein und Hoffmann für ihre Zwecke ausnutzen.

      »Wir müssen ein weiteres Zeichen setzen«, sagte Wittgenstein leise. »Eines, das sie unmöglich fehlinterpretieren können.«

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      »Ich entschuldige gar nichts, bis ich weiß, was hier los ist.«

      Nicolas Eichborn

      Uns war bewusst, dass wir es nicht mit Idioten zu tun hatten. Dementsprechend war klar, dass sie erst dann Kontakt zu mir aufnehmen würden, wenn sie mich zuvor auf Herz und Nieren überprüft hatten.

      Wenn sie überhaupt Kontakt aufnehmen würden …

      Auch mussten wir einkalkulieren, dass sie mich überwachen ließen.

      Deshalb hatte ich beschlossen, meinen Wagen jeden Tag von einem Profi auf Peilsender untersuchen zu lassen. Dafür hatten wir als Standort meine Tiefgarage ausgewählt, denn dort gab es keine Überwachungskameras. Zweimal am Tag würde ein Spezialist, den Patrick besorgt hatte, meinen Wagen kontrollieren. Kerni, Schranz und ich hatten abgesprochen, dass ich ab sofort keinerlei Kontakt mehr zu ihnen aufnehmen würde. Sollte etwas so Wichtiges geschehen, das eine Kontaktaufnahme unabwendbar machen sollte, hatte ich mir für diesen Fall ein einfaches Prepaid-Handy ohne GPS-Sender besorgt.

      Ansonsten lief der Kontakt ausschließlich über Patrick.

      Auch Helen würde sich weder mit ihnen treffen, noch mit ihnen reden.

      Zwei Tage waren vergangen, seit ich in der Talkshow meinen Auftritt hatte, da kam Patricks Techniker in mein Büro, um mir mitzuteilen, dass er einen Peilsender gefunden hatte.

      Es ging also los.

      Wir hatten intensiv über die Vorgehensweise diskutiert, wenn sie Kontakt aufnehmen sollten, aber wie heißt es doch so schön: Jeder Plan ist in dem Moment Geschichte, wenn die ersten Kugeln flogen.

      Oder so ähnlich.

      Ich hatte ein paar Termine außer Haus, Steuerberater, Zahnarzt, lauter unwichtiges Zeug, aber ich hatte mir vorgenommen, mich so normal wie möglich zu verhalten. Und Termine dieser Art halfen dabei, den Anschein von Normalität zu wahren.

      Oder vorzutäuschen.

      Da wir fest davon ausgingen, dass sie mich nicht nur über den Peilsender während des Autofahrens überwachten, sondern auch Bodenpersonal einsetzen würden, hatten wir unsererseits vier Männer damit beauftragt, mir zu folgen, sobald ich das Auto verlassen würde. Sie sollten sich unauffällig unters Volk mischen und Ausschau halten nach Leuten, die mich observierten.

      Ich fand den Gedanken total klasse und irgendwie witzig.

      Die vier Männer würden Leute beobachten, die mich beobachteten.

      Sobald meine Beobachter jemanden entdeckten, der mich observierte, würden sie Fotos der Personen machen.

      Es war nämlich hilfreich zu wissen, wie die Leute aussahen, die einen verfolgten.

      Als ich am späten Nachmittag nach Hause kam, lagen Aufnahmen der Männer auf dem Esstisch, die man damit beauftragt hatte, mich zu observieren. Es waren zwei Männer, von denen ich annahm, dass es sich bei ihnen um ehemalige Soldaten handelte.

      Nun wusste ich, wie zwei meiner Beobachter aussahen.

      Aber wir alle waren uns einig, dass sie mit Sicherheit noch andere hatten, die diesen Job ausführten.

      Also würden wir das am folgenden Tag wiederholen und am darauffolgenden ebenfalls.

      · · ·

       Nach vier Tagen des gegenseitigen Beobachtens hatte ich die Schnauze voll. Ich beschloss, dem Theater ein Ende zu bereiten. Wieder einmal schlenderte ich über den Ku’damm, auf dem Weg zu meinem Wirtschaftsprüfer. Ich war mir nicht sicher, wer von den Leuten hinter mir alles zu mir und wer zu den anderen gehörte, und fand


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