Düsterstrand. Meike Messal

Düsterstrand - Meike Messal


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      Meike Messal

      Düsterstrand

      Fehmarn-Krimi

      Prolibris Verlag

      Handlung und Figuren dieses Romans entspringen der Phantasie der Autorin. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt. Nicht erfunden sind Institutionen, Straßen und Schauplätze auf Fehmarn.

      Alle Rechte vorbehalten,

      auch die des auszugsweisen Nachdrucks

      und der fotomechanischen Wiedergabe

      sowie der Einspeicherung und Verarbeitung

      in elektronischen Systemen.

      © Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2020

      Tel.: 0561/766 449 0, Fax: 0561/766 449 29

      Titelfoto © Thomas Reimer, adobe stock

      Schriften: Linux Libertine

      E-Book: Prolibris Verlag

      ISBN E-Book: 978-3-95475-216-4

      Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.

      ISBN: 978-3-95475-205-8

       www.prolibris-verlag.de

      Die Autorin

      Meike Messal wurde 1975 in Minden geboren. Nach dem Abitur lebte sie für einige Zeit in Israel und Südafrika und studierte im Hamburg Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Anschließend unterrichtete sie in Schleswig-Holstein. Die Wege an die Küste waren kurz und Messal, die das Meer liebt, verbrachte ihre Freizeit am liebsten am Wasser. Besonders hatte und hat es ihr Fehmarn angetan.

      Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern wieder in ihrer Heimat und unterrichtet an einem Mindener Gymnasium. Wann immer es die Zeit zulässt, findet man sie jedoch an ihrem Sehnsuchtsort – auf Fehmarn.

      Nach Nachtfahrt ins Grauen und Atemlose Stille legt Messal mit Düsterstrand ihren dritten Kriminalroman vor. Sie ist außerdem als Herausgeberin aktiv und veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten.

      Für Annika, Helena, Karo und Kiki -

      den tollsten Geschwistern.

      Und natürlich für meine Kinder.

      Ihr seid die Besten, wisst ihr das?

      We’re all of us guinea pigs in the laboratory of God. Humanity

      is just a work in progress.

      Wir sind alle Versuchskaninchen im Labor Gottes. Die Menschheit

      ist eben als Prozess konzipiert.

      Tennessee Williams, Camino Real (1953)

      Teil I

      1

      Nicht die Dunkelheit im Keller war das Schlimmste. Nicht die Einsamkeit. Und nicht der Eisenring, an den sein Fuß gekettet war und der seinen Knöchel blutig gescheuert hatte. Nein, all das hätte er ertragen können. Aber nicht den Hunger. Er wusste nicht, wann er zuletzt gegessen hatte. Die Zeit war in der ständigen Dunkelheit verschwunden, hatte sich in dem weißen Dampf aufgelöst, der aus seinem Mund kam, wenn er atmete. Doch die Kälte drang nicht mehr zu ihm vor, auch nicht der Schmerz. Das Einzige, was er spürte, war der Hunger, der ihn von innen aufzufressen schien, an jeder Zelle seines Körpers nagte.

      Er lehnte seine Stirn gegen die raue Mauer. Wenn er doch nur wüsste, was der Mann von ihm wollte. Diese hagere, große Gestalt, die ihn hierhergebracht hatte. Wie ein Mönch hatte er ausgesehen mit dem braunen Gewand über den kantigen Schultern und dem Strick um die Hüfte.

      Er hatte bisher gedacht, dass Mönche friedliche und nette Leute seien. Aber dieser nicht. Nein, der war ganz bestimmt nicht freundlich. Schon in der ersten Sekunde, als er in seine grauen stahlharten Augen schaute, die sich in ihn bohrten, hatte er gewusst: Dieser Mönch war ein Monster.

      Er sackte zusammen, schrammte an der kalten Mauer entlang. Und in dem Moment entschied er, nicht wieder aufzuwachen. Nichts mehr zu spüren. In der Schwärze zu verschwinden und sich aufzulösen.

      Doch der Hunger tobte in ihm. Ließ ihm keine Ruhe. Schrie. Rebellierte. Krallte sich an seinem Magen fest.

      Er ballte seine Hände zu Fäusten und grub sie in seinen Bauch. »Bitte«, flüsterte er, »bitte lass mich zufrieden.«

      Doch der Hunger hörte nicht, schrie weiter. Dehnte sich in ihm aus, bis er ganz Hunger war.

      Und so brauchte er einen Moment, bis er begriff, dass es nicht mehr sein Magen war, der diese fürchterlichen Geräusche verursachte, sondern die schwere Eisentür, in deren rostigem Schloss sich ein Schlüssel drehte.

      Bleich blickte er nach oben. Der Mönch kam zurück.

      2

      Achtzehn. Die Zahl war in ihrem Kopf, noch bevor sie die Augen geöffnet hatte. Sie blieb regungslos liegen, atmete tief ein und versuchte, dabei zu ergründen, ob sich etwas verändert hatte. Fühlte es sich anders an, wenn man volljährig war?

      Mit einem Schulterzucken stellte sie fest, dass das nicht der Fall war. Ihre linke Schulter schmerzte noch genauso wie gestern, seit sie beim Trampolin-Training darauf gestürzt war, und auch sonst bemerkte sie keinen einen einzigen Unterschied zu den Tagen zuvor. Aber was machte das schon? Mit einem Ruck schlug sie die Bettdecke zur Seite, sprang aus dem Bett und stellte sich vor den großen Spiegel. Autsch, verdammt fies, direkt nach dem Aufstehen: Der Pickel oben an ihrer Stirn schillerte rötlicher als gestern und ihre braunen, lockigen Haare standen wie immer widerspenstig in alle Richtungen ab. Sie versuchte sich an einem Grinsen, schüttelte bei dem Ergebnis den Kopf, griff nach der Jeans und dem ausgewaschenen, ehemals schwarzen T-Shirt und zog sich in Windeseile an.

      Sobald sie die Tür geöffnet hatte, roch sie den Duft von Kaffee und, noch besser, den von Crêpes. Cool, ihr Lieblingsessen. Mit einem lauten Geräusch machte ihr Magen auf sich aufmerksam. Sie beruhigte ihn mit kreisenden Handbewegungen, während sie grinsend den Gang hinunter zur Küche ging. Als sie die Tür öffnete, fuhr ihre Oma, die am Herd werkelte, herum. Dann legte sich ein breites Lächeln auf ihr Gesicht. »Halt, warte!«, rief sie. »Ich bin noch nicht ganz so weit.« Energisch schob sie Laura wieder in den Flur zurück und zwinkerte ihr dabei verschwörerisch zu. »Eine Minute noch!«

      Laura ließ sich auf den Stuhl neben der Kommode fallen. Die gute, liebe Charlotte. Jedes Jahr überbot sie sich an ihrem Geburtstag mit einem wunderschön geschmückten Tisch und natürlich gab es Lauras Lieblingsfrühstück, Crêpe mit Schokolade. Schmunzelnd zog Laura ein Haarband aus der Tasche und band ihre Haare zu einem Zopf. Für Charlotte war sie immer noch das kleine Mädchen, das sich höllisch über die Geburtstagskerzen freute. Und das würde sie ihrer Oma auch nicht nehmen und sie mit achtzehn ebenso anstrahlen wie mit zehn. Das war sie ihr schuldig.

      Lauras Blick blieb an den Fotos hängen, die den gesamten Eingangsbereich säumten. Das größte in der Mitte stach durch den goldenen Rahmen besonders hervor. Es zeigte ihren Vater, der Laura in die Luft hob, in den Armen ihrer Mutter reckte sich Paul. Ihr Bruder und sie hatten ihre Hände verschränkt zu einer gemeinsamen Faust geballter Lebensfreude vor blauem Himmel. Alle vier strahlten unter vom Wind zerzausten Haaren. Das war ihr letzter gemeinsamer Urlaub auf Fehmarn gewesen. Noch gut konnte Laura sich an den Moment erinnern, als das Foto entstanden war, obwohl es jetzt ziemlich genau zehn Jahre her war. Sie hatten so viel Spaß gehabt dort am Strand, waren ausgelassen, hatten sich frei gefühlt. Hatten gedacht, dass es immer so weiterginge, dass sie das Glück gepachtet hätten.

      Kurz darauf war alles zerbrochen. An dem Tag, als ihr kleiner Bruder spurlos verschwand. Laura schluckte. Als wäre es ausgeknipst worden, wich das Lächeln aus ihrem Gesicht.

      In dem Moment wurde die Küchentür aufgerissen. Charlotte hatte die Schürze


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