Reader Belletristik. Picus Verlag
oder ein Nashorn für den Zoo, oder Ritter mit Schwertern, Indianer mit Pfeil und Bogen, oder Sheriffs mit einem Colt. Die menschlichen Figuren waren meist in einem Zinnoberrot gehalten, die wilden Tiere in einem Malzkaffeebraun.
Wenn die Mutter Brot buk, durfte niemand vom frischen, duftenden Laib ein Stück abschneiden, solange vom alten Brot noch etwas vorhanden war. Am nächsten Tag schmeckte das frisch gebackene Brot aber auch nicht viel anders als das altbackene, aber es war ein Prinzip der Mutter, dass immer das alte zuerst gegessen werden musste. Erst wenn es weg war, gab es das frische, das dann auch schon alt war.
Die Mutter führte ein strenges Regiment über Kaffee und Brot, aber manchmal, wenn das neue Brot zum Auskühlen in der Speis lag und die Mutter nicht im Haus war, weil sie im Garten noch Unkraut jätete oder den aufgeschossenen Salat für die Hühner ausstach und klein schnitt, kam es vor, dass sich alle anderen in die Speis schlichen und ein Stück vom frischen Brot herunterrissen. Dann standen der Vater, der Bruder und die Kleine gemeinsam in der Speis und mampften das frische, dampfende Brot, bis kaum mehr etwas davon übrig war. Sie lachten dabei, weil sie schon wussten, welch ein Gezeter die Mutter veranstalten würde, sobald sie es bemerkte. Sie ärgerte sich, weil vom frischen Brot immer mehr gegessen wurde als vom alten, und wenn der Vater meinte, sie könnte ja gleich mehr Brot auf einmal backen, sagte die Mutter, er habe keine Ahnung, wie anstrengend und zeitaufwendig das Kneten sei.
Die Mutter war streng und hart, zu hart für ein verweichlichtes Krankenhauskind. Zum Glück hatte die Kleine die Großmutter, bei der sie schlafen durfte, nachdem der Großvater gestorben war. Zur Mutter hatte sie nie ins Bett dürfen, weil die ihren Schlaf brauchte. Zum Vater hätte sie jederzeit kommen können, aber das war der Mutter auch nicht recht, weil die Kleine im Schlaf strampelte und wie wild auf sie hintrat im Ehebett.
Solange der Großvater noch lebte, musste die Kleine bei den Eltern im Zimmer in einem Gitterbett schlafen, und sie pinkelte oft ins Bett, weil sie träumte, sie gehe auf den Topf, und dann ließ sie es rinnen und wachte auf, weil alles warm und feucht war unter ihr. Wenn sie dann die Mutter weckte und ihr sagte, was passiert war, gab es ein paar Arschfeigen auf den blanken, nassen Hintern, und die Mutter zeterte herum, was sie alles zu waschen hätte, und der kleine Nichtsnutz macht ihr nichts als Arbeit, und seit er auf der Welt ist, hat er nichts als Arbeit gemacht mit seinen verkrüppelten Beinen und seinem verkrüppelten Kopf, in dem nur dumme Gedanken drinnen sind, und nicht einmal zur Arbeit taugt das Gfrast, weil es so ungeschickt ist. Wer nicht rechtzeitig gehen lernt, bleibt ein Hinderling, der kann nie mehr richtig zupacken im Leben.
Der nächtliche Arschbackenstreich und der Wortschwall der Mutter waren anstrengend für die Kleine, und sie sann nach einer anderen Lösung, wenn sie im Traum auf dem Topf saß. Im Schlafzimmer gab es keinen Ofen, aber jeder schlief mit einer Heizmatte im Bett. Die Kleine hatte auch so ein wärmendes Unterbett und wenn in der Nacht der Topftraum kam und die Matratze der Topf war, rief sie bald nicht mehr nach der Mutter, sondern langte nach dem Schaltknopf der Wärmematte, und sie ließ das Wärmebett so lange eingeschaltet, bis alles wieder trocken war.
Und wenn die Mutter nach mehrmaligem Einnässen die gelben Flecken sah und roch, dann sagte die Kleine, sie wisse von nichts, sie habe wohl alles verschlafen.
Mit dem Klogehen war es überhaupt so eine Sache. In der Nacht gab es den Topf, der wie eine Salatschüssel aus Email aussah, den die Kleine aber fast nie brauchte. Der Topf stand unter dem Elternbett und war nur für die kleinen Sachen erlaubt. Im Haus gab es kein Klo, dafür gab es draußen zwei davon. Eines hinter dem Schweinestall, komplett aus Holz, aber da waren die einzelnen Bretter schon so geschrumpft, dass die Seiche zwischen den Ritzen vorne wieder herausgespritzt ist, wenn man sich oben auf das Loch draufgesetzt hat. Und dann waren die Beine ganz nass und haben gejuckt von dem vielen Seichsalz drauf. Das andere Klo war im Wirtschaftsgebäude im Hof, es war gemauert und hatte nur das Sitzbrett aus Holz und sogar einen Deckel, damit es nicht so heraufstank aus der Jauchengrube. Dorthin ging die Kleine lieber, aber Angst hatte sie immer, dass nicht nur ihre Wurst, sondern sie als Ganze hinunterfallen könnte durch das Loch und in die stinkende Grube hinein. Deshalb suchte sie sich für die kleinen Sachen einen anderen Platz, unter den Büschen hinter dem Haus, und weil sie dort immer auf den gleichen Platz ging, entstand von ihrem Strahl bald ein Loch in der sandigen Erde. Jedes Mal füllte sie das Loch auf zu einem kleinen See mit ihrem gelben schaumigen Strahl. Wenn sie größer würde und das Loch immer weiter aushöhlte, würde einmal ein großer See daraus werden und im Sommer könnte sie dann hinter dem Haus schwimmen gehen in die schaumgekrönten Wellen.
Dem Vater machte es nichts aus, auf dem stinkenden Klo zu sitzen. Er sagte, es stinkt nicht, wenn er draufsitze, weil er mit seinem Trumm Hintern sowieso das ganze Loch abdecke wie ein Abortdeckel. Er ließ die Tür auch immer sperrangelweit offen, weil er mitkriegen wollte, was sich so tat im Dorf, wenn er auf seinem Thron saß.
Tito, der Jagdhund, der so hieß, weil der Vater nach dem Krieg von den Partisanen gefangen genommen worden war und jahrelang Steinmauern in Jugoslawien hatte bauen müssen, saß bei ihm, er hatte die Vorderpfoten auf dem Schoß des Vaters und dort saßen die beiden stundenlang und schauten auf die Straße. Der Vater winkte, wenn jemand auf der Dorfstraße vorbeifuhr, den er kannte. Manche fuhren auch in den Hof ein, wenn sie den Vater auf seinem Thron sitzen sahen, und wechselten ein paar Worte mit ihm, aber der Mutter war es peinlich, dass der Vater nicht herunterstieg von seinem Thron, auch dann nicht, wenn es der Bürgermeister war oder der größte Bauer aus dem Nachbardorf.
Wenn es nichts zu schauen und nichts zu reden gab, dann griff der Vater nach der Zeitung, die nach dem Lesen immer aufs Häuschen gelegt wurde. Das war die einmal wöchentlich erscheinende »Bezirksrundschau«, wo alles drinnenstand, was man durch den Dorftratsch meist sowieso schon wusste. Oft waren der Pfarrer und der Bürgermeister abgebildet, oder einer aus dem Dorf, dem man zum Geburtstag gratulierte. Nach dem Lesen riss der Vater genüsslich eine Seite heraus aus der Zeitung und wischte sich den Allerwertesten mit dem Gesicht des Bürgermeisters oder des Pfarrers ab.
Tito war immer beim Vater, auf Schritt und Tritt. Nur wenn der Vater nicht zu Hause war, ging er zur Kleinen und spielte mit ihr. Wenn die Mutter ihn aber rief, lief er zu ihr, und wenn der Bruder ihn rief, dann ging er zu ihm und hörte nicht mehr auf die Kleine. Aber wenn der Vater grad einen Wutanfall hatte, auf den Bruder oder auf die Kleine losging, dann stellte Tito sich dazwischen und knurrte sogar den Vater an und beschützte die Kinder vor ihm.
Wenn die Großmutter den Hund rief und die Kleine auch, dann lief er zwischen den beiden hin und her, als würden sie ihn an einer unsichtbaren Leine ziehen.
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