Skippertraining. Rolf Dreyer
Übersicht über die verfügbare nautische Literatur einschließlich der Seekarten. Die bekanntesten Namen findet man im Internet, auf den großen Bootsmessen sowie in den Anzeigenteilen der Wassersportzeitschriften.
Viele Segler haben eine Yacht in Heiligenhafen übernommen und gleich auf Grund gesetzt. Die Karte zeigt links den Yachthafen. Hier liegen sieben grüne Tonnen. Gedankenlos, stur nach der Devise »Grün an Steuerbord«, werden diese Tonnen an Steuerbord gelassen und schon läuft das Schiff auf Grund. Dicht hinter der Mole, am Ausgang des Yachthafens, endet das Warder-Fahrwasser. Die Steuerbordseite ist mit zwei Tonnen W3 und 17/Warder 1 bezeichnet, die spitze Toppzeichen tragen, und auslaufend an Backbord bleiben müssen. An der Backbordseite des Warder-Fahrwassers liegen drei Tonnen, die roten W6 und W4 mit Zylindertoppzeichen und die grün-rot-grüne 19/Warder 2 mit Kegel Spitze aufwärts. Auslaufend müssen alle drei Tonnen an Steuerbord bleiben. 19/Warder2 bezeichnet die Steuerbordseite des in den Kommunalhafen, den Fischereihafen und in den Yachthafen der Segler-Vereinigung Heiligenhafen führenden Hauptfahrwassers und gleichzeitig die Backbordseite des abzweigenden Warder-Fahrwassers (W2).
Etwa zehn Segler liefen vor Gedser auf Grund, als ein Bagger mehrere Tonnen am Kroghage entfernt hatte, um das Fahrwasser ausbaggern zu können. Der Plan (rechts) in der obigen Delius-Klasing-Sportbootkarte (links) zeigt sehr schön, dass man auf dem Weg zum Yachthafen bis dicht vor die Einfahrt zum Fährhafen und dann dicht an der Westmole des Fährhafens entlanglaufen muss, um nicht auf den Kroghage zu geraten. Die an Bord dieser Yachten befindlichen Sportbootkarten eines anderen Verlages zeigten die Tiefenverhältnisse nicht so deutlich an. Die Yachten änderten ihren Kurs zu früh und saßen fest. Der damals herrschende starke Ostwind vertrieb sie binnen Sekunden auf den Rødsand, von dem sie nur noch mit fremder Hilfe abgeborgen werden konnten. Mehrere Yachten erlitten Schaden, eine verlor das Ruder. Richtig wäre gewesen, auf der Richtlinie 350,5° mit 7,5 m Kartentiefe in den Hafen Gedser zu laufen und Revierkundige zu befragen oder dort abzuwarten, bis die Tonnen wieder ausgelegt sind.
Eine Yacht will aus Stickenhörn auslaufen. Nur auf dem Detailplan kann der Navigator erkennen, dass dicht westlich von der Hafeneinfahrt eine Untiefe mit 1,6 m Kartentiefe liegt. Nachdem der Hafen verlassen ist, soll mit Kurs Nordost die Friedrichsorter Enge angesteuert werden. Dabei führt die Kurslinie durch eine Reede. Darf sie von der Yacht befahren werden? Ja, aber auf der direkten Verbindung zum Leuchtturm würde ein Sperrgebiet gequert. Die gelb-rot-gelben Tonnen müssen südlich umfahren werden. Dabei läuft die Yacht zwischen den Tonnen 9 und 11 in das Fahrwasser ein und auf dessen Steuer bordseite nordostwärts. Das ist gestattet, aber die Vorfahrt der im Fahrwasser fahrenden Fahrzeuge muss beachtet werden. Die Friedrichsorter Enge ist von Sportbooten westlich der grünen Fahrwassertonne 9 zu befahren, also zwischen der Tonne und dem Leuchtturm hindurch. Auf dieser Karte ist nicht zu erkennen, dass dies möglich ist. Diese Vorschrift ist im Rahmen der Reiseplanung der nautischen Literatur zu entnehmen.
Ein sehr wichtiger Punkt der Routenplanung sind die Verkehrstrennungsgebiete (VTG), in denen Regel 10 KVR gilt. Danach müssen Einbahnwege in Verkehrsrichtung befahren werden und ein Queren der Einbahnwege ist soweit wie möglich zu vermeiden. Ist ein Fahrzeug jedoch zum Queren gezwungen, so muss dies möglichst mit der Kielrichtung im rechten Winkel zur Verkehrsrichtung erfolgen. Verstöße gegen Regel 10 werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern rigoros geahndet. Daher ist beim Kartenstudium auf die Lage der Verkehrstrennungsgebiete besonders zu achten, sodass man nicht versehentlich ein VTG regelwidrig befährt. Verkehrstrennungsgebiete sind in Delius-Klasing-Sportbootkarten auffällig markiert – in Karten anderer Verlage können sie leicht übersehen werden. In der Kieler Förde sollte eine Yacht den Leuchtturm Kiel und die südwestlich davon gelegene Kabeltonne immer westlich umfahren, wenn sie nicht von Strande aus mit östlichem Kurs in Richtung Fehmarn läuft. Zahlreiche Yachten, welche den Leuchtturm östlich passierten, haben gegen Regel 10 verstoßen und wurden mit einem hohen Bußgeld belegt.
Reiseplanung für die Insel Anholt im Kattegat, die von ausgedehnten Flachwassergebieten umgeben ist. Hier besteht nicht nur die Gefahr einer Strandung, sondern es bauen sich bei entsprechender Windstärke steile, brechende Seen auf. Der Hafenplan zeigt, dass die Kartentiefe von 6 m vor dem Hafen auf 3,7 m zwischen den Molenköpfen abnimmt. Bei steifem Westwind herrscht dort gefährlicher Seegang, der beim Einlaufen Vorsicht und beim Auslaufen eine starke Maschine erfordert. – Wie wichtig es ist, nicht nur die Seekarte, sondern auch die Hafenpläne zu beachten, zeigt ein Seeunfall. Eine Segelyacht wollte bei Nacht von Nordwesten kommend Anholt anlaufen und hielt irrtümlicherweise die beiden Festfeuer des Innenhafens für die Hafeneinfahrt. Offenbar hatte der Skipper nicht den Hafenplan studiert, der einen Außenhafen und einen Innenhafen zeigt und zwei befeuerte Einfahrten. Man hielt die Molenköpfe des Innenhafens für die Hafeneinfahrt, sodass die Yacht auf Grund lief und bei frischem Nordwestwind in kurzer Zeit bis fast an die Hafenmole gedrückt wurde. Die Besatzung konnte abgeborgen werden, das Schiff wurde total zerstört.
KARTENTIEFEN
Die vorangehenden Beispiele zeigen, wie wichtig die Tiefenangaben in der Seekarte sind.
Das ist auf Ozeanen sogar am Rand der Festlandsockel (Schelfe) bemerkbar, wo die Wassertiefe von einigen Tausend auf etwa 200 m ansteigt. Wer die bei Sturm gefürchtete Biskaya umfährt, soll sicheren Abstand vom Schelf halten.
Bei starkem Westwind aus Anholt auslaufend, muss ein Schiff gegen Wellen motoren, die sich seit Jütland gebildet haben und in dem flachen Wasser vor Anholt kurz und steil werden. Es wird stampfen und heftig in der See arbeiten. An Deck zu hantieren – etwa zum Segelsetzen – kann unter diesen Umständen gefährlich sein. Solche Arbeiten sollten dann im Innenhafen vorbereitet werden – selbst der Vorhafen bietet dafür nicht genügend Schutz. Ein Maschinenausfall lässt der Mannschaft unter diesen Bedingungen nicht viel Zeit; sie muss wissen, was dann zu tun ist (siehe blauen Kasten). Ähnliche Verhältnisse sind bei auflandigem Starkwind an zahlreichen Küsten anzutreffen – z. B. vor Damp bei östlichem, vor Klintholm bei südlichem Starkwind und vielerorts im Mittelmeer.
MASCHINENAUSFALL
Fällt bei starkem Wind von vorn die Maschine aus, so muss der Rudergänger schnell handeln. Wind und Wellen würden das Schiff sofort aufstoppen. Es vertriebe dann steuerunfähig. Erste Priorität hat nicht der Neustart der Maschine, sondern der Erhalt der Fahrt und damit der Steuerfähigkeit. Ohne Zögern – die vorhandene Fahrt nutzend – muss abgefallen und umgedreht werden. Dem Wind von achtern bietet der Mast genügend Fläche, um Fahrt und damit Steuerfähigkeit zu behalten. Trotzdem sollte auch die Genua klar zum Ausrollen sein. Deren volle Segelfläche würde das Schiff aber zu schnell machen. Das Segel darf nur wenig ausgerollt werden. Hierauf wie auch auf ein eventuell notwendiges Ankermanöver müssen Skipper und Crew bei auflandigem Starkwind immer vorbereitet sein.
Sobald die Wassertiefe geringer ist als die Hälfte der Wellenlänge, entsteht Grundsee. Dann reichen die Wellen bis auf den Meeresgrund, sie brechen und wühlen ihn auf. Sturmseen brechen bei etwa 10 m Wassertiefe. Bei Starkwind ist Grundsee für Yachten, bei Sturm für alle Schiffe sehr gefährlich.