Graues Land. Michael Dissieux

Graues Land - Michael Dissieux


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Bedauern und seine persönliche Anteilnahme für das Leid der Menschen in Europa aus.

      Auf keinen Fall würde man einen derart barbarischen Akt der Verachtung von Menschenwürde und menschlicher Zivilisation ohne die geeigneten Gegenmaßnahmen hinnehmen.

      Zu lange schon hätten er, wie auch seine Vorgänger in dem Amt und seine europäischen Kollegen, vor dem rebellischen Verhalten der arabischen Länder und ihrer religiösen Ausrichtung und politischen Zielsetzungen in der Welt gekuscht. Mit dieser Politik der Toleranz müsse von dieser Stunde an Schluss sein. Ich kann mich heute nicht mehr an den genauen Wortlaut der Rede des Präsidenten erinnern. Doch ich weiß noch, dass er von geeigneten Vergeltungsmaßnahmen sprach, und davon, dass diese nicht lange auf sich warten lassen würden.

      Das amerikanische und europäische Volk würde sich zusammenschließen und all ihre militärische Macht in die Waagschale werfen, um die Gerechtigkeit siegen zu lassen und den Osten in seine Schranken zu verweisen.

      Er sprach nie von Krieg. Das Wort hatte er nie verwendet.

      Und zu einem Krieg ist es im Grunde auch nie gekommen.

      Zu meiner Linken taucht die Einfahrt zum Haus der Millers aus dem trüben Licht des Morgens auf. Zwei alte Holzpfosten flankieren den Weg. Ihre schwarze, wettergebleichte Farbe wirkt wie das stumpfe Grau abgestorbener Haut.

      Ich halte den Wagen am Straßenrand und erschrecke, als das monotone Quietschen der Karosserie verstummt. Lediglich das unregelmäßige Knattern des Motors zerteilt die Stille der Welt.

      Plötzlich werde ich zum bizarren Teil dieses fremdartigen Gemäldes, in das sich der Hügel und die Wälder verwandelt haben.

      Ich blicke den ausgetretenen Sandweg hinauf zu der kleinen Blockhütte, in der Cindy und Danny Miller seit ungefähr fünf Jahren leben. Sie waren damals aus Los Angeles gekommen, auf der Suche nach Ruhe und Inspiration für ein Buch, das Danny schreiben wollte, aber bis zum heutigen Tage nie beendet hat, wie ich weiß. Cindy hatte schnell eine Anstellung als Lehrerin in Devon gefunden, und beide engagieren sich sehr in der Kirche der kleinen Stadt, wofür ihnen der alte Pater Morris überaus dankbar war.

      Seit die Welt zu Grunde gegangen ist, habe ich beide nicht mehr gesehen.

      Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich in den letzten zehn Tagen keinen einzigen Gedanken an Danny und Cindy verschwendet habe. Ein weiterer Aspekt der menschlichen Natur. In Krisenzeiten scheint man sich tatsächlich nur um die eigenen Belange zu kümmern. `Jeder ist sich selbst der Nächste´, ist alles andere als eine bloße Redewendung.

      Blätter liegen auf dem Weg zur Hütte. Die Büsche zu beiden Seiten wirken starr und kalt.

      Die Fliegengittertür steht offen und schwankt sanft im Wind. Als ich das Fenster des Pick-ups herunterkurbele, kann ich das leise Schnarren der Scharniere hören.

      Es ist das einsamste Geräusch, das ich jemals in meinem Leben gehört habe.

      Keine Bewegung ist zu sehen. Ich versuche zu erkennen, ob die Haustür hinter dem Fliegengitter geschlossen ist. Doch die Luft ist dunstig, und der Regen der Nacht steigt als leichter Nebel aus dem Vorgarten auf, so dass die Tür in Dunkelheit bleibt.

      Vielleicht sollte ich mir einige Minuten Zeit nehmen und den Sandweg zur Hütte hinauflaufen. So, wie ich es unzählige Male zuvor getan habe, wenn mich Cindy dazu eingeladen hat, ihr doch einiges von ihrem selbst angebauten Gemüse abzunehmen.

      Sie hatte nie etwas dafür haben wollen und bestand darauf, dass ich Sarah einen herzhaften Salat oder frisch gepressten Rübensaft oder etwas in der Art zubereite.

      Meistens habe ich Cindy Milch oder einmal sogar eine gute Flasche Wein im Tausch mitgebracht, die ich zuvor in Murphys Laden gekauft hatte. Ich war stets der Ansicht gewesen, es gehöre sich einfach für eine gute Nachbarschaft, dass man die Gutmütigkeit solcher Leute nicht schamlos ausnutzt.

      Mir vorzustellen, an diesem Morgen den Weg zwischen den beiden morschen Holzpfosten entlang zu gehen, die Luft einzuatmen, die mir fremd und schlecht erscheint und mich von der Sicherheit meines alten Wagens zu entfernen, gefällt mir gar nicht.

      Der hellblaue Buick von Danny parkt vor dem Haus. Dennoch erscheint mir die Hütte verlassen. Vielleicht sind beide zu Fuß in die Stadt unterwegs. Oder sie waren schnell zu Murphy gegangen, um sich mit Lebensmitteln einzudecken.

      Oder sie liegen tot in ihrer Wohnung, seit Tagen, und ihre bleichen Körper beginnen bereits zu verwesen …

      Ich schließe die Augen und schüttele den Kopf. Es fällt mir nicht schwer, mich an die veränderten Verhältnisse in der Sicherheit meines eigenen Hauses, in Sarahs Nähe, zu gewöhnen. So grotesk sich das auch anhören mag.

      Jedoch mitten auf der Straße, inmitten einer Welt, über die irgendetwas gekommen war, das sich der menschliche Verstand nicht erklären kann, schnüren mir derartige Gedanken die Kehle zu.

      Bin ich wirklich auf dem besten Wege, den Verstand zu verlieren?

      Cindy und Danny würde ich mit Sicherheit in Murphys kleinem, altbackenen Laden finden. Bei einer guten Tasse Kaffee würden wir vielleicht sogar die alte Ordnung der Dinge wiederherstellen können.

      Warum steht Dannys Wagen vor dem Haus ...?

      Ich kurbele das Fenster hoch und bin froh, als das metallische Klappern des Motors nur noch als leises Brummen zu hören ist.

      Warum ist Danny nicht mit dem Buick zu Murphy gefahren ...?

      Sollte ich die beiden wider Erwarten nicht in dem kleinen Laden antreffen, würde ich auf der Rückfahrt wieder hier anhalten und nach dem Rechten sehen.

      Der Gedanke beruhigt mich nicht in dem Maße, wie ich erhofft habe.

      Das Haus wirkt fremd und weit entfernt. Als wäre es schon lange unbewohnt, und als hätten nie Freunde darin gelebt. Doch ich schaffe es einfach nicht, auszusteigen und den Weg hinaufzulaufen.

      Selbst bei dem Gedanken daran beginnen meine Beine zu zittern. Mit einem Gefühl im Magen, für das ich mich schäme und das mir den Tag noch ein klein wenig düsterer erscheinen lässt, lege ich knirschend den Gang ein und fahre weiter die Straße entlang hinunter nach Devon.

      Nur noch etwa zwei Meilen, und ich würde bei Murphy vorbeikommen.

      Und dann würde hoffentlich alles gut werden.

      Niemand läuft zwei Meilen, wenn er einen Wagen vor der Tür stehen hat …

      Doch mit der Scham kommt die Gewissheit, dass überhaupt nichts gut werden würde …

      »Halte hier bitte an, Harv.«

      Sarah legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel und massierte ihn leicht.

      Eine Berührung, die mich selbst nach fünf Jahren immer noch um den Verstand bringen konnte.

      Ich ließ meinen Impala langsam am Straßenrand ausrollen und schaltete den Motor ab.

      Augenblicklich umhüllte uns die Stille der Berge, wie man sie wohl nirgendwo sonst auf der Welt finden konnte. Lediglich die leise Stimme der wunderbaren Karen Carpender im Radio leistete uns Gesellschaft.

      Ich lehnte mich zu Sarah und nahm ihre Hand in meine.

      »Ist das nicht wundervoll«, flüsterte sie und blickte mit glänzenden Augen durch die Windschutzscheibe. Wir hatten uns beide etwas in unseren Sitzen nach vorn gebeugt, um das unvergleichliche Schauspiel eines Sonnenunterganges in den Bergen zu bewundern.

      Die Welt vor meinem alten Chevy wurde in einen goldenen Schimmer getaucht, der die Luft mit einem zarten Dunst überzog. Über die Wipfel des nahen Tannenhains hatte sich ein schwaches Glühen gelegt, das sich bis ins Tal nach Devon hinunterzog, als würde Honig den Hang hinabfließen.

      Ich betrachtete


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