Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

Scheidung kann tödlich sein - Andrea Ross


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Freitag fand sich auf Attilas Rechner mal wieder eine Verwarnung des Schüler-CC an Solveig; sie hatte erneut mit Texten in entsprechenden Gruppen mitgewirkt, die obszöne Inhalte aufwiesen. Wie zum Beispiel in der Gruppe »Ich schlafe nackt« und »ich laufe nackt in der Wohnung herum«, gegipfelt von »Du machst mir Sex im Kopf«. Und dies war genau das Mädchen, welches sich angeblich von einem Sänger mit nacktem Oberkörper auf einer CD abgestoßen fühlte. Sie war mit ihren knapp 13 Jahren offensichtlich nicht nur reichlich verschlagen, sondern auch schon ganz schön verdorben.

      Nicht, dass ich hier den Moralapostel spielen möchte; dennoch zeigte das alles wieder einmal, dass Uschi keinerlei Kontrolle und wahrscheinlich auch keine Ahnung davon hatte, was ihre Tochter so trieb. Und dass man dem Mädel weiterhin kein Wort glauben konnte. Die »anstößige« CD hatte entgegen Solveigs Bekundungen auch bisher nicht den Weg zurück zu Attila gefunden; vermutlich gefiel sie ihr eben doch.

      Ich bin ja grundsätzlich gegen Gewalt. Aber diese Göre hätte man in sehr engen Grenzen erziehen müssen, um da noch etwas zu retten. Wenn das so weitergehen würde, wer weiß – vielleicht ist sie dann mit 15 schwanger. Gewundert hätte mich das nicht. Und falls das passieren würde, dann hätte man ja auch schon den passenden Sündenbock: den verantwortungslosen, nach Spanien abgehauenen Vater. Wen sonst!

      Unser Umzug ins Residencial Ambra klappte prima, allerdings hätte unser neues Domizil tatsächlich um keinen einzigen Quadratmeter kleiner sein dürfen. Das Büro war schlichtweg vollgestopft und auch sonst waren nirgendwo mehr Unterbringungskapazitäten vorhanden. Wir besaßen nun eine Satellitenschüssel auf dem Dach und konnten ab und zu deutsche Nachrichten verfolgen, so oft man das überhaupt ertragen mochte. Endlich kletterten die Temperaturen um ein paar Grad nach oben und die Sonne ließ sich wieder öfters blicken. Eine Wohltat!

      Am Samstagnachmittag wartete Attila wieder darauf, dass seine Tochter Ronja ihm E-Mails schreiben würde, doch wieder war Fehlanzeige. Erst Stunden nach der vereinbarten Zeit kam eine Mail an, in der sie ankündigte, ihm morgen einmal schreiben zu wollen; sie sei einkaufen gewesen. Nun gut, sie befand sich anscheinend doch nicht im Krankenhaus oder in sonstiger Unterbringung. Aber zumindest mir zeigte das wieder einmal, dass Papa eben nur dann interessant war, wenn man etwas von ihm wollte. Ansonsten jedoch konnte man Kontaktvereinbarungen ganz einfach ignorieren oder nach Belieben einseitig abändern.

      Sonntagnachmittag schrieb sie ihm tatsächlich. Hoffentlich ließ sich Attila künftig jetzt nicht dazu hinreißen, am Wochenende jeweils so lange nicht mehr aus dem Haus zu gehen, bis er schließlich Kontakt mit ihr gehabt hätte. Und zwar dann, wenn es der jungen Dame in den Kram passte und ihre sonstigen Aktivitäten es zuließen. Am Sonntag nämlich waren wir gerade auf einem Spaziergang gewesen, als sie ihre Mail schickte. Dem allerersten Spaziergang seit Wochen, denn vorher waren wir überhaupt nicht mehr dazu gekommen.

      Da musste ich wieder an mich als Kind denken. Wenn ich mir diese Situation vorstellte, so gab es gar keine Frage: ich an ihrer Stelle wäre schon den ganzen Tag aufgeregt vor dem Rechner gesessen, damit ich meinen Papa nur ja nicht verpasse. Aber ich war es ja auch nicht gewohnt gewesen, dass die ganze Welt um mich herumtanzte, sobald ich das so wünschte.

      Der Strand von Orihuela Costa lag landschaftlich noch schöner als der in La Mata. Er war in mehrere Abschnitte unterteilt, die jeweils von felsigen Stellen unterbrochen wurden. An der Strandpromenade standen jede Menge Palmen und am Hang dahinter reihten sich wunderschöne Villen aneinander, jede vollkommen anders gestaltet. Ich nahm mir vor, in der wärmeren Jahreszeit auf keinen Fall den gesamten Tag im Büro zu hocken, sondern regelmäßig dort spazieren zu gehen.

      Warum auch nicht? Ich musste jetzt ohnehin erst einmal zusehen, was mit den drei fertigen Buchbänden werden würde, anstatt gleich weitere zu schreiben. Gearbeitet hatten wir beide den Winter über wirklich viel, irgendwann musste es wieder ein wenig erholsamer werden. Besonders, da man dieses Ambiente direkt vor der Haustüre, zum Greifen nah, zur Verfügung hatte.

      Als Attila am Montagmorgen zum ersten Mal sein fertig eingerichtetes Büro betrat, hielt der Rechner gleich den ersten Schock bereit. Wieder waren seine Finanzplanungen für die Katz, wieder mussten wir noch mehr Geld aufbringen als bisher bekannt, um die GmbH abzuwickeln. Hört das denn nie auf?

      Die Steuerberaterin hatte ihm eine Mail geschickt und mitgeteilt, dass eine Steuer-Außenprüfung für die GmbH anstehe; dies sei so ungefähr alle vier Jahre der Fall, und jetzt sei es halt wieder einmal so weit. Bei der Durchsicht der Unterlagen war ihr aufgefallen, dass sie offenbar vergessen hatte, die anteiligen Beträge für die private Nutzung des Geschäftsfahrzeuges herauszurechnen, sie müsse das nun leider nachholen. Nun, da steige die Belastung leider um weitere 2.000 Euro.

      So schnell konnte man das Geld gar nicht verdienen, wie es einem wieder aus der Tasche gezogen wurde. Wenn wir im Luxus gelebt hätten oder Attila bisher schon in vollem Umfang seinen exorbitanten Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen wäre, so hätten wir wenigstens gewusst, wo das ganze Geld hingegangen ist. Doch man hatte mittlerweile einfach das Gefühl, dass es völlig egal war, ob man nun sparsam lebte oder nicht, ob man Tag und Nacht arbeitete oder nicht – es blieb so oder so nicht genug übrig, nicht einmal für die laufenden Verpflichtungen. Ein Wahnsinn! Ich persönlich bekam natürlich erneut berechtigte Angst um die Finanzierung meines Buchprojektes.

      Am selben Vormittag »durften« wir dann wieder hinüber zur Bank pilgern, um die Gelder für unsere spanischen Steuern zu überweisen. Ich glaube, die alten Raubritter verhielten sich humaner als die heutigen Steuerbehörden. Damals konnte man wenigstens noch zurückschlagen und seiner Abgabeverpflichtung entgehen, falls man kräftig genug war. Hatte man nichts in den Taschen, konnte einem nichts abgenommen werden. Heute hingegen war das sehr wohl möglich, seit irgendwer die negativen Kontostände erfunden hat. Ein krankes System, dieser Ansicht war ich schon immer gewesen.

      Und wieder mussten wir Zeitverlust in Kauf nehmen. Attila zahlte für seine spanische Firma zum ersten Mal Steuern; während bei mir die Zahlung am Schalter einwandfrei klappte, gab es bei ihm Schwierigkeiten. Außer der üblichen NIE-Nummer und der CIF wollte das System der Bank einen weiteren Code haben, über den wir jedoch nicht verfügten. Also mussten wir erst den Steuerberater anrufen, damit der die Daten dorthin übermittelte, während wir genervt warteten.

      Wie viele verschiedene Nummern konnte ein einzelner Mensch benötigen, nur, um seiner Steuerpflicht nachzukommen? Die vergeudete Zeit musste Attila natürlich am Abend dranhängen, so dass er bis nach Mitternacht am Rechner saß. Und das alles für unser opulentes Existenzminimum.

      Ich war erleichtert, als Attila am Morgen des 1. Februar 2011 endlich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Unterlassung in seinem Mail-Postfach fand. Der Anwalt hatte die Situation auf 14 Seiten zutreffend dargestellt und beantragt, dass Uschi zukünftig zur Unterlassung schädlicher Äußerungen über Attila, seine angeblichen Verfehlungen und seine GeschäftsBeziehungen verpflichtet werden solle und überdies wegen Mutwilligkeit der falschen Angaben die Kosten dieses Verfahrens zu tragen hätte.

      Der Antrag richtete sich gleich direkt an das Familiengericht, so dass der Richter bei der anstehenden Verhandlung bereits Kenntnis von diesen Vorgängen haben würde. Ich hoffte inständig, dass Uschi in seinen Augen schon mit dieser Aktion, neben ihrer eigenen chronischen Arbeitsunwilligkeit, das Recht auf Ehegattenunterhalt verwirkt hätte.

      Verdient hätte sie auch bei mildester Beurteilung keinen Cent.

      Für mich selbst war dieser Dienstag weniger erfolgreich. Die nächste Verlagsabsage für mein Buch »Himmel noch mal!« lag im Postfach. Die Verlagspolitik und die Vielzahl der eingesendeten Manuskripte ließen eine Veröffentlichung angeblich nicht zu, und das ganz unabhängig von der Qualität des Manuskriptes. Es war einfach frustrierend.

      Da wurde einem von allen Seiten durch neutrale Testleser bestätigt, die Bücher seien klasse, aber die Veröffentlichung wurde von den Verlagen trotzdem abgelehnt. So geriet ich zunehmend in eine Krise, denn ich wusste wirklich nicht, ob ich weiter Zeit und Energie in das Schreiben setzen sollte. Ich brauchte einen Beruf, bei dem ich auch etwas verdienen konnte – so angespannt, wie unsere finanzielle Situation nun einmal war.

      Und sie spannte sich noch weiter an. Am Nachmittag mussten wir nach La


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