Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross
ich mochte gar nicht darüber nachdenken! Zusammen mit der Angst vor Attilas Verhandlung ergab diese Situation wieder Stoff für Depressionen, gegen die ich mich verzweifelt zur Wehr setzte. Da meine Fingernägel allerdings schon wieder bis zum Anschlag heruntergekaut waren und ich unter Schlafstörungen litt, konnte es nicht mehr lange dauern, bis ich diesen Kampf verlieren würde. Falls sich nicht ganz schnell etwas änderte.
Ein ganz klein wenig tat sich am Freitag. Wenigstens drei der neu angeschriebenen Verlage wollten mein Manuskript prüfen, waren sogar einverstanden, dass ich es ihnen per Mail übermittelte. Neues Spiel, neues Glück. Hoffentlich!
Am Samstag mussten wir bei strahlendem Sonnenschein die allerletzten Tätigkeiten im Haus in Los Leandros durchführen, um das Haus geputzt und ordentlich zurückgeben zu können. Nach drei Stunden waren wir fertig; wieder so ein Meilenstein, ein Abschnitt unseres Lebens war damit abgeschlossen. Attila kam somit rechtzeitig vor 17 Uhr nach Orihuela Costa zurück, um wieder einmal auf Ronjas Mails zu warten. Die jedoch, wie schon in den letzten Wochen, erst einmal nicht eintrafen. Wieder schrieb sie viel später, wieder war sie kurz angebunden. Attila fiel auch auf, dass sie recht nüchtern schrieb, nicht wie früher mit Herzchen und Smileys garniert.
Der Sonntag war dazu geeignet, zwischendurch einmal aufzutanken. Strahlender Sonnenschein und 21 Grad lockten uns nach draußen, wieder ging es in Richtung Strand. Dieses Mal wanderten wir durch andere Siedlungen, wieder sahen wir vollkommen andere Baustile und Gärten. Drunten an der Strandpromenade angekommen, gingen wir an jenem Tag nach links und waren ehrlich erstaunt, als wir die vielen kleinen, jeweils durch Felsen voneinander getrennten Strände entdeckten.
Diese Strände, die wie kleine Buchten aussahen, warteten mit glasklarem Wasser auf und waren zu dieser Jahreszeit menschenleer. Wie im Paradies. An diesem Tag gelang es sogar, die negativen Gedanken an Deutschland, Uschi oder gewisse Verlage etwas beiseite zu schieben. Leider litt Attila jedoch an Schmerzen in der Herzgegend, was er mir allerdings erst am Abend verriet.
Montags ging ich wieder mit meinen Sal News hausieren, dieses Mal mit einigem Erfolg. Sogar einen festen Termin zum Vertragsabschluss konnte ich für den kommenden Donnerstag festmachen. Marco schrieb Attila an diesem Tag, aber auch er war eher einsilbig.
Der Oberhammer jedoch traf Attila am Dienstag. Sein Anwalt hatte endlich Einsicht in die Strafakte nehmen können, in welcher sich Uschis Anzeige wegen seines angeblichen Unterhaltsbetrugs befand. Attila hatte ja mit einigem gerechnet, aber die Darstellungen zogen ihm dann doch fast die Schuhe aus. Diese Frau stellte Behauptungen auf, die nicht nur vom blauen Himmel herunter gelogen, sondern mit voller Absicht so gewählt waren, dass die Polizisten gar nicht anders konnten, als der Sache nachzugehen.
Haarsträubende Dinge standen da zu lesen. Attila hätte ihr in ihrer Zeit als Geschäftsführerin »geraten«, 160.000 Euro aus der Firma zu ziehen; anschließend hätte er das Geld komplett selber verbraucht (klar, vermutlich war es deshalb komplett auf ihr Privatkonto geflossen). Er habe sich extra nach Spanien »abgesetzt«, um seiner Unterhaltspflicht zu entkommen. Außerdem habe er einfach profitable Firmen geschlossen, obwohl diese finanziell sehr gut dagestanden seien. Attila habe den Kindern Fotos von seinem »großen Wohnhaus« geschickt, mit diesem angegeben und ihnen versprochen, dass sie dort Urlaub machen dürften.
Witzig, unser 80 qm-Häuschen als »großes Haus« zu bezeichnen, obwohl es auch noch unsere Büros beherbergte. Ich konnte mir aber schon denken, wie diese Äußerung zustande gekommen war. Attila hatte den Kindern nämlich einmal Fotos von hiesigen Villen geschickt, um zu zeigen, wie schön es hier sei. Das waren allerdings nicht unsere Häuser … die Kinder werden dann wohl ihrer Mutter erklärt haben, auf dem Bild seien Häuser von dort drauf, wo Papa wohne. Was ihrer Mutter gerade recht kam.
Damit nicht genug. Attila sei ein Mitinhaber von »KurierNetz«, von der Software »Trans-M« und vermutlich von diversen weiteren Firmen, verfüge über ein sehr hohes monatliches Einkommen. Da Bilanzen in Deutschland für jedermann einsehbar sind, beauftragte sie sogar eine Steuerkanzlei mit einer Art von »Gutachten« über Attilas Firmen. Natürlich wusste diese Kanzlei beispielsweise nicht, dass die Gesellschafterkonten total überzogen waren. Wie auch? Uschi litt ja unter absichtlichem Gedächtnisschwund, somit konnten diese und andere Gegebenheiten in der Beurteilung nicht berücksichtigt werden.
Es war zum Kotzen! Wieder Gegenstellungnahme, wieder immenser Zeitverlust. Ständig befand er sich in Verteidigungshaltung, obwohl er nichts Falsches getan hatte. Außer natürlich, dieses dämliche Weibsstück 1997 zu heiraten.
Nachträglich erklärte sich so auch, weshalb meine Tante Thea sich im letzten Jahr ihres Lebens Attila gegenüber so abweisend verhalten hatte. Mit Sicherheit hatte diese das von Uschi bei der Anwaltskanzlei angeforderte Gutachten über seine Firmen bezahlen dürfen, und Uschi zeigte ihr hernach die darin angegebenen Beträge, welche die immensen Verbindlichkeiten der Firma überhaupt nicht berücksichtigt hatten. So hatte sie wohl davon ausgehen müssen, dass Attila tatsächlich all sein Geld an Uschi vorbeischmuggelte und ihr böswillig vorenthielt.
Am Mittwoch, den 16. Februar wollte ich eigentlich meinen ersten Vertrag für Sal News abschließen; leider scheiterte ich trotz der Tatsache, dass ich einen Termin vereinbart hatte, am engen Zeitplan des Managers. Ich musste mich notgedrungen bereit erklären, am nächsten Tag noch einmal wiederzukommen.
Was blieb mir anderes übrig? Ich beschloss dann, wenigstens bei den netten Engländern der Oasis-Bar noch einmal vorbeizuschauen. Und siehe da, man wollte eine Anzeige. Aber die Chefin sei leider erst am Montag wieder im Haus, erklärte man mir. Also musste ich auch dort noch ein drittes Mal vorsprechen. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
Als ich zurück nach Hause kam, hatte Attila schon wieder einen Schriftsatz der gegnerischen Anwältin auf dem Schreibtisch liegen. Dieser enthielt eine Aufstellung über Uschis Kosten, die sie für ein Jahr aufgelistet hatte und welche exorbitant hoch waren für eine Hartz-IV-Empfängerin. Allein schon die Kosten für das Auto, das sie eigentlich gar nicht brauchte, waren doppelt so hoch wie die unseren angesetzt – obwohl es sich dabei um ein baugleiches Fahrzeug handelte und auch unseres finanziert war.
Was sehr zu Buche schlug, waren natürlich die Hortkosten für alle drei Kinder, die dort auch Essen bekamen. Diese Kosten wiederum hätte sie komplett einsparen können, wenn sie sich selbst am Nachmittag um die Kinder gekümmert hätte.
Außerdem – was mussten Attila eigentlich die Kosten seiner Ex kümmern, was ging ihn das an? Den tatsächlich notwendigen Bedarf beglich die ARGE, was darüber hinaus ging, war eben Luxus. Uschi arbeitete nicht, sie gab einfach dauerhaft zu viel Geld aus, schob die Kinder ab und erwartete dann noch, dass irgendwer die Kosten ausglich. Hoffentlich merkte der Richter das nun endlich auch einmal.
Interessierte es irgendjemanden, welche Ausgaben Attila hatte? Wie er überhaupt von seinem Geld lebte, von dem ihm nicht einmal ein Betrag unterhalb der derzeitigen deutschen Pfändungsfreigrenze blieb, obwohl er jeden Tag mindestens 10 bis 12 Stunden arbeitete? Nein! Hoffentlich, hoffentlich würde die Hauptverhandlung endlich einmal klare Verhältnisse schaffen.
Wie ich es mir schon gedacht hatte, lagen dem Schriftsatz auch ein paar Atteste einer gewissen Frau Dr. Geisser bei, welche Uschi bescheinigen sollten, dass sie wegen dieser Scheidung unter einer »Belastungsreaktion« leide, somit nicht arbeiten könne. Die familiäre Situation habe sich verschärft.
Auch da stellte sich mir die wohl berechtigte Frage, weshalb man Attila ständig ohne Weiteres die volle Arbeitsbelastung zumuten konnte, obwohl auch er bereits erhebliche psychische und mittlerweile sogar körperliche Schäden davontrug. Er war nach dortiger Ansicht voll arbeitsfähig, sollte schön brav zahlen und auch noch jeden Cent, den er selbst ausgab, rechtfertigen. Falls der Richter das auch so sah, dann ade, du lieber Rechtsstaat.
Wie weit es mit Recht und Gesetz, mit Anstand und Ehre in Deutschland schon gekommen war, lebten uns einmal mehr die Politiker vor. Da ertappte man den Verteidigungsminister, weite Teile seiner Doktorarbeit einfach abgeschrieben zu haben. Erst leugnete er notorisch, dann gab er zwar Fehler zu, nachdem man sie ihm zweifelsfrei nachgewiesen hatte, weigerte sich aber, zurückzutreten.
Jeder Schüler wäre da von der Schule geflogen, hätte man ihm