Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

Scheidung kann tödlich sein - Andrea Ross


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eben überall auf der Welt lieber etwas anderes. Nicht einmal ich begab mich auf die Tanzfläche, wenn auch nur, weil meine beschädigten Knochen ansonsten wieder wochenlang Ärger gemacht hätten. Aber das Sitzenbleiben war gar nicht so einfach, das muss ich zugeben.

      Juan hatte vorher noch über seine gebrochene Schulter geklagt, die bei jeder Bewegung schmerzte. Er war ein paar Wochen zuvor in der Badewanne ausgerutscht und gestürzt. Doch beim Salsa merkte man davon gar nichts mehr. Ich wünschte ihm, dass die Quittung für die viele Bewegung nicht am nächsten Tag käme – so wie neulich bei mir.

      Gut gelaunt verabschiedeten wir uns in den frühen Morgenstunden. Juan bescherte das neue Jahr wenig später noch ein merkwürdiges Erlebnis: ein betrunkener Autofahrer krachte mit überhöhter Geschwindigkeit in sein Haus, nachdem er den Zaun niedergefahren und quer durch die Plantage gepflügt hatte. Außer Sachschäden passierte aber zum Glück nichts.

      Das neue Jahr 2011 durften wir noch genau vier Tage lang in Frieden genießen. Dann schwappte eine neue Welle des Wahnsinns aus Deutschland herüber … ausgelöst von wem? Raten Sie mal!

      Genau! Diese Frau hatte wieder einmal alle Register gezogen, derer sie habhaft werden konnte. Hatten wir es nicht schon längst gewusst? Kaum wähnte sie sich wegen des Gutachtens auf der sicheren Seite, setzte sie wieder alle verfügbaren Hebel in Bewegung, um Attila zu schaden. Musste sich wieder unbedingt seiner negativen Aufmerksamkeit versichern. Das gelang ihr in exzellenter Weise.

      Innerhalb von nur zwei Tagen trafen die vorläufig letzten beiden Prophezeiungen ein, die wir schon vor längerer Zeit zum Besten gegeben hatten, auch beim Anwalt. Es ist so verdammt schwierig, sehenden Auges durch die Gegend zu laufen, wenn die meisten anderen blind für Offensichtliches sind. Egal ob es sich um Gutachter, Richter, Sozialpädagogen oder Angehörige handelt. Diese waren erfahrungsgemäß entweder zu den erforderlichen Denk-Konstrukts nicht fähig oder brachten den Mut nicht auf, die unausweichliche Progression der Vorgänge zu durchbrechen. Der Mensch hat eben vor nichts mehr Angst, als sich auf Unbekanntes einzulassen, oder sich Unausweichlichem zu stellen. Traurig, aber wahr!

      Am 5. Januar beschlossen Attila und ich, uns nach der Arbeit im neuen Haus mit einem Abendessen beim Chinesen zu belohnen; Attila hatte so richtig Lust auf knusprige Ente bekommen und die schmeckte mir von jeher auch sehr gut. Wir duschten also und ersetzten die Arbeitsklamotten durch salonfähige Kleidung. Während Attila unter der Dusche weilte, klingelte sein Handy; wir glaubten beide, es handele sich um Attilas Kunden Fritz, der wieder einmal im richtigen Moment ein Problem mit seinem Programm hatte. Aber nein, das wäre ja noch harmlos gewesen! Das Display zeigte Uschis Nummer, und das konnte nur eines bedeuten: Magenschmerzen.

      Ich saß fertig angezogen an meinem Schreibtisch und checkte noch meine Mails, während Attila Uschi genervt zurückrief. Die ließ sofort lautstark einen aufgeregten Wortschwall auf Attila einprasseln, so dass mir sofort klar war, dass sie wieder mit einem der Kinder nicht klarkam. Natürlich musste sie ihre Erziehungsunfähigkeit genau an jenem Menschen auslassen, dem sie mit jahrelangen Bemühungen das Sorgerecht weggenommen hatte. Sobald sie nicht weiterwusste, dann war Attila allemal gut genug, für sie die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

      Dieses Mal ging es um Solveig. Mein Adrenalinspiegel erreichte schwindelnde Höhen, als ich gegen meinen Willen, aufgrund der Lautstärke dieses Telefonates, mitbekam, worum es sich diesmal handelte.

      Die liebe Solveig war vor einigen Tagen mit der Polizei nach Hause gebracht worden, weil sie bei einem Ladendiebstahl in einem Bekleidungsgeschäft erwischt worden war. Außerdem habe sie Uschi geschlagen und getreten, Uschi käme körperlich gegen sie nicht mehr an. Solveig verlasse das Haus, wann immer es ihr passe, und sie, Uschi, könne nichts dagegen machen. Die Polizei habe ihr auch gesagt, dass 13-jährige bis 22.00 Uhr draußen sein dürften. Darüber hinaus schwänze Solveig dauernd die Schule, spiele häufig krank und täusche Magenschmerzen vor, die Noten seien entsprechend. Aktuell sei sie gegen Uschis Willen um 19.30 Uhr aus dem Haus gegangen, habe sich nicht aufhalten lassen.

      Jetzt hege Uschi Angst, dass sie abhauen werde oder sich mit ihren dubiosen Freunden treffe, denn sie befinde sich in einem schlechten Bekanntenkreis. Ihr kleiner Bruder Marco habe schon geäußert, er wolle bitte ins Nervenkrankenhaus eingeliefert werden, um seine Ruhe zu haben.

      Nun gut, mich erstaunte das Ganze nicht im Geringsten! Wer Band 1 und 2 von »Scheidung kann tödlich sein« gelesen hat, dem wird wohl bekannt sein, dass ich den Verdacht eines solchen Werdeganges bei Attilas ältester Tochter längst kommen habe sehen. Einfach weil er vollkommen logisch war. Grenzenlose Erziehung mit viel zu viel Luxus, eine hilflose, erziehungsunfähige Mutter und ein zu weicher, duldsamer Vater, der sie total verzogen hatte. Die ganze Familie hatte jahrelang weit über ihre Verhältnisse gelebt. Was sollte hierbei herauskommen? Besonders, wenn das Luxusleben nun wegen der finanziellen Situation der Eltern nicht mehr möglich war und Solveig weiterhin alles tat, um im Mittelpunkt zu stehen? Wie ihrer Mutter war es ihr dabei egal, ob die Art der Aufmerksamkeit, die sie hierdurch bekam, negativer Art war.

      Leider fiel auch Attilas Reaktion aus wie gewohnt. Obwohl wir schon x-mal über die Folgen seines Verhaltens diskutiert hatten, obwohl er genau wusste, wie weh er mir damit tat: wieder war er richtig nett zu Uschi, stieg voll auf ihr Gejammer ein, anstatt ihr einmal deutlich zu sagen, dass sie selbst es war, die maßgeblich an Solveigs Entgleisungen schuld war. Wer hatte sie zum Beispiel in eine verrufene Hauptschule gegen Attilas Willen gesteckt, obwohl stadtbekannt ist, dass dort ein äußerst negatives Umfeld herrscht? Wer wurde denn nicht mit dem pubertierenden Gör fertig, obwohl er, oder vielmehr sie, unbedingt das alleinige Sorgerecht haben wollte?

      Aber nein, Attila verhielt sich wie gewohnt! »Oh je, ist das alles schlimm. Ja, scheiße, morgen ist Feiertag. Da sind die Ämter zu. Wenn du morgen nicht mit ihr klarkommen solltest, dann weise sie am besten in die Kinderund Jugendpsychiatrie ein. Ja, und ich kümmere mich um die Sache und rufe gleich am Freitagmorgen das Jugendamt an und versuche, Solveig in einem Heim unterzubekommen. Natürlich, bitte rufe mich nachher nochmal an, ob sie inzwischen heimgekommen ist. Bis später!«

      So ungefähr hörte sich das Telefonat an. Mir war derart übel geworden, dass ich weder den Chinesen noch irgendein anderes Essen brauchte. Das konnte doch nicht wahr sein! Anstatt dem Kind endlich seine Grenzen aufzuzeigen, wollten die beiden in schönster Eintracht die 13-jährige lieber in die Psychiatrie einweisen lassen und später ins Heim stecken. Und Uschi, die das alles aktuell verbockte, wurde hierbei auch noch lieb und nett unterstützt. Wütend rannte ich die Treppe hinauf, um mich wieder in die Joggingklamotten zu begeben. Ich wäre sonst ausgerastet.

      Als Attila sein Telefonat beendet hatte, meinte er in gespielt fröhlichem Ton: »So, schon erledigt, jetzt können wir Essen gehen«! Ich dachte, ich höre nicht richtig. Glaubte er denn im Ernst, ich würde mit ihm essen gehen, während er nett mit seiner Alten telefonierte, sie noch in ihrem abartigen Treiben unterstützte? Die ihn nicht etwa als treusorgende Mutter anrief, sondern nur ein Ventil brauchte, um ihren Frust abzulassen, während sie ihm, beziehungsweise uns, ansonsten im übertragenen Sinn seit mindestens zwei Jahren immer wieder das Messer zwischen die Rippen rammte?

      Seinen Kindern helfen konnte und durfte er sowieso nicht, was also sollte das bringen, außer ihr eben wieder einmal die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie auf diese Weise von ihm erzwingen wollte?

      Diesen Sachverhalt versuchte ich ihm geduldig darzulegen. Ich sah mich auch wieder einmal gezwungen, ihn zu fragen, weshalb er zu ihr denn erneut so betont lieb und nett gewesen sei, anstatt ihr endlich einmal zu zeigen, dass sie es sich verscherzt hatte und selber mit den Ergebnissen ihrer Nicht-Erziehung klarkommen musste?

      Das wollte er natürlich nicht hören, seine Miene verfinsterte sich sofort. Anschließend brachte er es bei mir ohne weiteres fertig, einen stinkigen, verachtenden Ton anzuschlagen. Und was er zu mir sagte, das gab mir erst einmal wieder den Rest: es handele sich schließlich um seine Frau und um seine Kinder.

      Danke, lieber Attila! Dann behalte sie doch, am besten ziehst du dort auch gleich wieder ein, wenn das so ist. Nur, was willst du dann eigentlich mit mir? In dieser Weise äußerte ich mich, denn ich war in diesem Moment ziemlich verletzt und obendrein stinksauer.

      Uschi


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