Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross
heil in Neuenstein bei Kurierdienstissimo ankommen würde, als um mein Gerichtsverfahren.
Da ich den Vormittag bis zum Termin irgendwie totschlagen musste, ging ich zum Frisör. Gott, was für ein Klischee! Die meisten Frauen ändern Haarschnitt oder -farbe nach Scheidungen. Ich änderte beides, und das noch vor der Verhandlung. Einen blonden Bobschnitt ließ ich mir verpassen, mein dunkleres Kartoffelblond hatte ich längst gründlich sattgehabt. Selbstverständlich geriet ich danach gleich in einen ekligen Schnee-Nieselregen, der die Föhnbemühungen des Salons gleich wieder zunichtemachte.
Während ich auf dem Weg zum Familiengericht über Murphy's Law nachsinnierte und ob dieses womöglich auch auf Frisörbesuche anzuwenden sei, kam mir jemand auf der Straße entgegen, den ich schon von weitem zu erkennen glaubte. Ausgerechnet Uschi war die Einzige, die bei diesem Wetter Richtung Innenstadt trottete. Na, so ein Glück aber auch! Als sie aufblickte und mich erkannte, verfinsterte sich ihre Miene, dass es nicht besser ging. Trotzdem sagte ich »Servus«, als ich an ihr vorüberging. Die Höflichkeit wurde mit irgendetwas beantwortet, dass im tiefst möglichen Ton wie »grummelgrummel« klang. Na immerhin!
Es gelang mir relativ schnell, die Gedanken an diese garstige Begegnung wieder abzuschütteln. Zum Glück war Attila auch inzwischen nach mehrstündiger Fahrt und Stau an seinem Bestimmungsort angelangt, ich atmete auf. So ein blöder Tag aber auch! Vor dem Verhandlungssaal im Gericht traf ich auf Günther. Der verhielt sich zum Glück ganz anders als Uschi, obwohl ja auch wir eine Scheidung durchzuziehen hatten. Er riss schwarze Witze und erzählte über Fredi. Als mein Rechtsanwalt auftauchte, guckte dieser ganz seltsam. Vermutlich war er es nicht gewohnt, dass Scheidungswillige noch ganz normal miteinander umgingen. Die Scheidung war eigentlich richtig entspannend. Null Streiterei, selbst der Richter war hierdurch sichtlich irritiert; besonders, als ich noch anmerkte, dass ich auf einen Versorgungsausgleich gerne verzichten würde. Nach 20 Minuten waren wir schon wieder draußen und ich hatte mich nicht im Mindesten aufgeregt. Es fühlte sich ein bisschen an, als wäre ich nur Einkaufen gegangen. Was vermutlich daran lag, dass Günther und ich eben KEINE Emotionen beim jeweils anderen mehr freisetzten, weder positiver noch negativer Natur. Das war der krasse Unterschied zum Rosenkrieg, ich nenne das jetzt wieder absichtlich so, von Attila und Uschi.
Der Tag war aber noch nicht zu Ende. Erst nahm mich Günther in seinem Auto mit zu Fredis Kindergarten, denn der wollte mich vor meiner Weiterreise noch einmal sehen. Ich holte das Kerlchen ab, dann fuhr uns Günther in die Stadt. Ich wollte mit Fredi noch für eine Stunde ins Eiscafé im Rotmaincenter, mit ihm reden und ihn noch einmal an mich drücken. Dann würde Günther ihn wieder abholen.
Kaum saßen wir im Eiscafé, hatte ich die nächste »nette« Begegnung dieses Tages. Ausgerechnet Günthers ziemlich ekelhafte Mutter saß zwei Tische weiter und wurde stürmisch von Fredi begrüßt. Na toll! Der letzte Kontakt, den ich vor Jahren mit dieser Frau gehabt hatte, war ein sehr negativer gewesen. Da musste ich sie des Hauses verweisen, weil sie sich derart zickig und boshaft verhielt, dass es nicht mehr auszuhalten ging. Sie war ebenfalls sichtlich erschrocken, als sie meine Anwesenheit gewahrte. Ihr Kaffee war ziemlich schnell ausgetrunken und dann verließ sie fluchtartig den Schauplatz.
Ich bin nun mal blöd, daher kriegte auch sie ein »hallo« und ein »tschüs« von mir. Vermutlich als Dank dafür, dass sie so tolle Geschichten über mich herumerzählte. Wie zum Beispiel: ich hätte ihren Sohn Hals über Kopf verlassen, weil ich einen viel reicheren Mann – Attila – gefunden habe. Was haben wir herzlich gelacht! Knöcheltief im Schneematsch watend, ging ich anschließend noch zu meinen Eltern hinüber. Ich wollte mein Weihnachtsgeschenk abgeben und mich wieder einmal blicken lassen. Natürlich bekam ich auf der Stelle wieder Geschichten über Ann zu hören. Meine Tochter war mittlerweile anscheinend mit einem Kirchenrestaurator aus Saalfeld zusammen, welcher in Bayreuth wohnte. Bei dem übernachtete sie, wenn sie am Wochenende aus Coburg zu Besuch kam. Zwei Vögel halte sie neben ihren drei Zwergkaninchen jetzt auch noch, als Studentin nebenbei arbeiten könne sie aber nicht, weil die Jobs zu dieser Jahreszeit alle schon weg seien, erzählte Mama.
Die Haltung der vielen Viecher trotz Geldmangel und die fehlende Arbeitsbereitschaft erinnerten leider fast schon ein wenig an Uschis Verhalten. Daher nahm ich mir vor, Ann finanziell nicht aus der Patsche zu helfen, auch wenn jetzt der Auspuff ihres Autos kaputtgegangen war und gleichzeitig die Autoversicherung fällig wurde. Je früher sie lernte, mit Geld umzugehen und vor allem, dass man selbst für dessen Erwerb zuständig war, desto besser.
Außerdem »durfte« ich mal wieder feststellen, dass sich alle seit meinem Weggang besser verstanden. Ann und ihr neuer Freund waren schon mehrmals beim angeblich so ungeliebten Ex-Stiefvater Günther zum Essen eingeladen gewesen, weil sich alle so blendend unterhalten können. Wie schön – und wie merkwürdig! Ich war recht froh darüber, als mich meine Mutter abschließend mit ihrem Auto in die Pension fuhr. An diesem Tag war ich schon kilometerweit gelaufen, mir taten die Füße weh. Jetzt wollte ich selbige hochlegen und mich auf Attilas Rückkehr freuen. Dieser traf auch wenig später ein.
Welch ein Tag, aber wir hatten ihn jetzt überstanden. Nach alledem waren wir froh, dass wir diese Nacht in der Pension noch gebucht hatten, denn nach dem ursprünglichen Plan wären wir in dieser Nacht hinunter nach Anzing gefahren. Manchmal machten wir eben doch etwas richtig.
Am Mittwochmorgen wollten wir ausgiebig frühstücken und dann gemütlich gen Anzing fahren, um diesen stressfreieren Teil dieser Deutschlandwoche bei Attilas Eltern zu begehen. Leider servierte die Pension nur bis 9 Uhr Frühstück und wir waren zu spät dran. Dann halt nicht, wir fuhren deswegen gleich los und holten uns den lebenswichtigen Kaffee eben an der Tankstelle.
Attilas Eltern freuten sich wieder riesig über unsere Ankunft. Wir bezogen das große Zimmer unter dem Dach und dann wurden, wie immer, die kulinarischen Spezialitäten von Szábos ausprobiert, so dass das Fehlen des Frühstückes absolut nicht mehr ins Gewicht fiel. Die Neuigkeiten seit dem letzten Besuch wurden ausgetauscht. Dank Uschi gab es ja immer genügend davon. Auch Attilas Schwester Ingrid und ihre Familie waren wieder ein dankbares Thema.
Während Ingrids Tochter Francesca mittlerweile nun neben den üblichen Teenie-Allüren positive Tendenzen aufwies, sie arbeitete inzwischen in einem Café und hatte Spaß daran, waren die Geschichten rund um Ingrid immer dieselben. Kaum hatte sie einen neuen Job ergattert, war der auch schon wieder zu schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingungen unmöglich. Wie immer! Und auch wie immer plante sie gleich wieder die Kündigung. Ihre Eltern waren recht enttäuscht, da sie nach wie vor alles für Ingrid und ihre Kinder taten und diese es nicht zu würdigen wusste. Es wurde als selbstverständlich hingenommen.
Am Nachmittag bekam Attila wieder seine Schmerzen in der Brust. Ich wusste ganz genau, dass diese recht stark sein mussten; denn wäre es ihm möglich gewesen, hätte er sich garantiert in Gegenwart seiner Eltern nichts anmerken lassen. So aber legte er sich sogar auf die Couch, krümmte sich vor Schmerzen. Seine Mutter brachte ihm ein krampflösendes Medikament, die Nr. 7 der Schüssler Salze. Zum Glück ging es ihm kurz darauf besser, doch würde er nach unserer Rückkehr unbedingt die Ursache abklären lassen müssen. Mit Herzproblemen war schließlich nicht zu spaßen.
Am Donnerstag gab es einige Aufregung. Erst teilte Ingrid mit, dass ihr Sohn Felix krank sei und sie die grippeähnlichen Symptome mit hohen Dosen Paracetamol behandle, um das hohe Fieber zu senken. Ursula versuchte, ihr beizubiegen, dass dies schädlich sei, weil der Körper das Fieber brauche, sich selber zu helfen, um die Bakterien zu bekämpfen. Sie stieß auf wenig Verständnis; ebenso wollte Ingrid zuerst nicht einsehen, dass der Junge erst einmal Bettruhe und Wadenwickel nötig habe und nicht aus der Wohnung gehen solle.
Während eines Telefonates hatte Ingrid zudem verfügt, Attila solle nur ja nichts für den Computer seiner Eltern besorgen, denn alle anderen Angehörigen sollten mit jeglichem Kauf bis Weihnachten warten. Also hatte sie selbst irgendetwas geplant. Attila aber wollte seinen Eltern gewisse Programme vorinstallieren, die es ihnen künftig ermöglichen sollten, Emails zu schreiben oder andere Anwendungen nutzen zu können. Da seine Eltern wenig von Computerfiguration verstanden, bekamen sie nun Bedenken, Ingrid könne deswegen beleidigt sein, weil sie ihre eigene Weihnachtsüberraschung gefährdet sehe. Es entwickelten sich unschöne Wortgefechte; Attila einerseits wollte den Computer entsprechend gebrauchsfähig machen, und das gleich,