Eisblumen. Karl Eitljörg-Scholz

Eisblumen - Karl Eitljörg-Scholz


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groß und weit … so treffend schön besungen wird.“ „Ja wirklich“, meint Martin. „Jedoch die ehrlichste, letzte Strophe steht in keinem Text und singen nur wir, wenn uns das Herz aufgeht.“ Und plötzlich erhebt er sich und seine sonore Stimme erklingt unterm Gipfelkreuz seines Weisshorns.

       „Drum auf und stoßt die Gläser an es gilt der Heimat mein, die Berge hoch, das grüne Tal – mein Mädel und der Wein.

       Und wenn einmal – so leid’s mir tut, mein Lebenslicht erlischt, freu’ ich mich, dass der Himmel auch, schön wie die Heimat ist!“

      Und während ein sachter Nordwind vom Schlern her die letzten Töne in die Berge trägt, fühlt Kühnert plötzlich die kräftige Hand Martins auf der Schulter.

      „Das, lieber Herr Notar, habe ich Ihrer Frau, Ihrer lieben Helga gewidmet!“ Er drückt seinem väterlichen Freund innig die Hand und wendet sich talwärts, der Gurdin-Alm zu.

      Wortlos folgt ihm Kühnert und ist froh, dass Martin nicht merkt, wie ihm einige dicke Tränen über die Wangen rollen.

      DIE REISE

      Schneller als befürchtet war der spannende Moment des Aufbruchs gekommen. Der große Lebenstraum des Martin Völler sollte seinen Anfang nehmen.

      In der Nacht hatte es geschneit. Nicht ausgiebig, aber genug, um dem Advent seine erwartungsvolle Stimmung zu verleihen.

      Leichte, flaumige Flocken rieselten über das Tiersertal und verwandelten es wie schon ersehnt in eine romantische Bilderbuchlandschaft. Die Pfarrkirche mit einem weißen Zuckergusshäubchen, umgeben von lichterglanzgeschmückten Häusern, aus denen es schon verführerisch nach Lebzelt, Zimt und Kloatznbrot duftete.

      Martin, in warmer Lodenjacke gehüllt, stapft hinauf zur Ahornrast. In nachdenklicher Stimmung versunken, fegt er den Schnee von der Bank, um noch einmal an seinem geliebten Refugium zu verweilen.

      Einmal noch.

      Den Blick hinauf in den Rosengarten, grüßt er sie alle noch einmal, seine vertrauten Gipfel und Türme. Wenn sie auch in der grandiosen, hochalpinen Gletscherwelt des Karakorum, die ihn erwartet, verschwindend gering erscheinen. Vergessen werde ich euch nicht, sinnt er vor sich hin. In meinem Herzen seid ihr ja mit dabei.

      Es gibt kein Zurück mehr und mit Hirn und Seele ist er ja doch schon unterwegs. Fühlt es mit allen Sinnen und geht im Geiste nochmals in aller Ruhe sein hoffentlich perfekt geplantes Vorhaben durch.

      Morgen in aller Herrgottsfrühe wird er schon im Zug nach München sein Frühstück hoffentlich genießen können. Zwei bis drei Tage sich Zeit nehmen für Verhandlungen mit TV-Kanälen über eine neu geplante Staffel unter dem Titel “Himmel über Südtirol“, mit 8 Folgen und Mitarbeit im Drehbuch. Darauf freut er sich besonders, wenn auch Drehbeginn und Location noch ausgehandelt werden müssen.

      Besprechungen im Alpenverein für seinen Karakorum-Trip sowie eine Autogrammstunde in einigen Pilgerbüros für seinen neu erschienenen Band „Bergwandern plus“.

      München via Frankfurt mit der Lufthansa nach Südamerika. Im Anflug nach Santiago de Chile den ersten Blick auf die atemberaubende Gletscherwelt der Anden mit ihren kühnen Sechstausendern werfen. Und er weiß, das Herz wird ihm höher schlagen, wenn er einige davon endlich vor sich hat.

      Die Air-New-Zealand-Maschine nach Australien wird er vor Ort buchen, wie es ja sein Time-Management vorsieht.

      Auf diesen rein privaten Trip über den endlosen Pazifik, an das andere Ende der Welt, freut er sich wie ein Kind aufs Christkind. Dient dieser Stopp in Australien doch dazu, ein langjähriges, oftmaliges Versprechen einzulösen, seinen wahren Seelenfreund endlich zu besuchen.

      Mark Pirker. Herr über eine Flotte von 800 Campern und Wohnmobilen in Cairns an der Ostküste Australiens am großen Barrier Riff.

      Mark hatte er auf ganz zufällige Art in Bozen kennengelernt.

      Ein sonniger Sommertag war’s. In einer dringenden Angelegenheit hetzte er von Tiers nach Bozen. Stress pur, jedoch mit sehr positivem Verlauf. Gut gelaunt gönnte er sich in seinem Stamm-Café in den Lauben ein kühles Bier.

      Zufällig vernahm er am Nebentisch ein sehr angeregtes Gespräch, wo es zwischen Serviererin, die er gut kannte, und einem Gast scheinbar um die Frage ging, wo denn der gute „Ötzi“ in Bozen zu finden sei.

      „Ich kann Ihnen keinen besseren Rat geben, als diesen Herrn hier zu fragen“, deutete die Serviererin auf Martin.

      Und Mark kam, stellte sich freundlich vor und nahm an seinem Tisch Platz.

      So haben sie sich vor Jahren kennen und im wahren Sinne des Wortes schätzen gelernt.

      Sein Vater, ein geborener Bozener, wanderte in den kargen Nachkriegsjahren nach Australien aus, um einen Job zu finden, wie es damals viele junge Männer taten. Als gelernter Kfz-Mechaniker fand er Arbeit in einem Wohnmobil-Verleih, der damals durch den aufstrebenden Tourismus schon boomte, bedingt durch die endlosen Entfernungen der Ausflugsziele.

      Tüchtig, wie er war, kam es durch Drängen seiner späteren Schwiegereltern zur Hochzeit mit ihrer einzigen Tochter.

      Mit viel Unternehmergeist und Geschick baute er den Betrieb ständig weiter aus. Nach seinem Tod übernahm nun sein einziger Sohn Mark den Laden und hatte erst recht das richtige Händchen dafür.

      Heute hat er es zum größten Camper-Vermieter an der Ostküste gebracht und betreut Kunden auf der ganzen Welt, die mit seinen Jeeps, Campern und Wohnmobilen die endlosen Straßen Australiens, oft unter Entbehrungen und Gefahren eines wahren Abenteuers zuliebe, befahren.

      Auch sein zufriedener Kundenkreis in Europa kann sich sehen lassen und werden jährlich persönlich von Mark besucht, um die Mietverträge für das gewünschte Kontingent für die nächste Saison abzuschließen.

      Und ebenso besucht Mark fallweise auch ein spezielles Reisebüro in Innsbruck, das sich auf Angebote für Reisen in den Südpazifik spezialisierte.

      Natürlich wird bei dieser Gelegenheit auch Bozen, die geliebte Heimatstadt seines Vaters aufgesucht. Im Geiste sieht er ihn in den Gassen mit leeren Taschen schlendern, auf der Suche nach Arbeit. Bis eines Tages der Entschluss reifte, auf nach Australien! Und Südtirol hatte einen guten Tiroler weniger.

      So begann an diesem Sommertag in Bozen eine herzliche Verbundenheit und echte Freundschaft. Alle Jahre wieder kam Mark und nahm sich genügend Zeit, um mit Martin so manche unvergessliche Tour in die Berge zu unternehmen. Die Liebe dazu hatte er wohl von seinem Vater.

      Was hatten sie nicht in den Berghütten, in fröhlicher Runde mit Martins Bergkameraden, Spaß, nach manch kühnen Touren auf den Almen und Gipfeln der Dolomiten.

      Obwohl zehn Jahre älter als Martin, verfügte er über eine glänzende Kondition, war trittsicher und schwindelfrei und für jeden Spaß zu haben.

      So entwickelte er sich im Laufe der Jahre zum liebgewonnenen australischen Freund. Besonders auch, als er bei einem seiner Besuche von seinem Vater ein altes, schon vergilbtes Foto mitbrachte, das Vater mit Bergkameraden vor einem morbiden Berggasthof zeigt.

      Mark hat natürlich keine Ahnung, woher diese Aufnahme stammen könnte. Jetzt wo er mit seinen Freunden in den Bergen herumgekommen ist, würde er nur zu gerne diese Stelle kennenlernen. Und bald war man sich einig. Das alte Schutzhaus auf dem Schlern war des Rätsels Lösung.

      Ein herzliches Wiedersehen wird es geben mit Mark in Cairns, an der Ostküste mit dem gewaltigen Barrier Riff, das größte der Welt mit gewaltigem Ausmaß von über 1000 km Länge gegen Süden.

      Mark hatte Martin bereits gebeten, ihm am Riff Tauchunterricht zu geben. Da kennt er sich aus wie Martin in seinen Bergen. Und auch einen Trip mit dem Jeep in die Pampa Australiens werden sie sich als Seelenfreunde nicht entgehen lassen.

      Es wird ein schwerer Abschied sein, wenn er dann Australien gegen Westen, nach Indonesien, verlassen wird.

      Mit der Singapore Airlines wird er via Jakarta in Singapur


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