Eisblumen. Karl Eitljörg-Scholz

Eisblumen - Karl Eitljörg-Scholz


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von Nepal-Trekking-Fans entwickelt. Ja und auch Südtirol bekam dies ebenso immer merkbarer zu spüren. Über Kontaktadressen, die höchst interessant erscheinen, verfügt er ja über den italienischen und deutschen Alpenverein zur Genüge.

      Der Neunstundenflug mit der Qatar Airways nach Islamabad in Pakistan wird es dann in sich haben. Aber die Vorfreude, seinem ersehnten Ziel näher zu rücken, wird die Strapazen der verschiedenen Zeit- und Klimazonen bald vergessen machen.

      Auch in Islamabad wird er ein bis zwei Tage im Marriott Hotel Station machen. Einfach ein Muss, sich hier wieder umzusehen.

      Als in den turbulenten 1960er Jahren die damalige Hauptstadt Karatschi der vollkommen neu aus dem Boden gestampften Planstadt Islamabad ihre Rolle abgeben musste, hatte wohl niemand geahnt, welche rasante Entwicklung diese faszinierende Stadt nehmen wird.

      Auf 500 m Seehöhe in einer grünen Oase gelegen und in einem faszinierend geplanten Stadtbild tummeln sich heute über 600.000 Einwohner.

      Noch eine Flugstunde und er wird endlich auf dem Karakorum Highway angekommen sein. Erschöpft, jedoch glücklich und voll motiviert, seine ausgeklügelten Programmpunkte abzuhandeln.

      Lange schon hat er sich diesen Flug mit der lokalen Linie Pakistan International Airlines im Geiste ausgemalt und den damaligen Anflug in die Stadt Skardu auf 2300 m Seehöhe im Morgengrauen nicht vergessen.

      Skardu, inmitten der majestätischen Achttausender, dem K2 und Broad Beak, Gasherbrum und Masherrbrum, mutet wie ein hochalpines Amphitheater an. Der Sonnenaufgang taucht den Südostgrad des K2 in ein leuchtendes, magisches Licht und die Gasherbrum-Gruppe mit ihren Achttausendern im Hintergrund noch im diffusen Morgenlicht reckt ihre umnachteten Gletschergipfel erwartungsvoll der Morgensonne entgegen.

      Ein Eindruck, der sich in sein Herz gebrannt hatte und nicht loslassen will.

      In Skardu am Karakorum Highway, Zentrum und Ausgangspunkt für viele Trekkingtouren und Himalaya-Abenteuer, wird er Hannes Becker, einen bayrischen Alpinisten und Experten für Logistik, Trekkings, Basislager und Besteigungen, einen angekündigten Besuch abstatten und einige Nepal-Drinks nehmen.

      Seit Jahren mit Martin in Verbindung, ist er der Mann in Skardu. Mit ihm wird es möglich sein eine Plattform zur weiteren Ausbildung und Besteigungen im Karakorum zu ermöglichen. Von hier aus wird er mit dem Jeep die steinige Straße über Bungi zum Karakorum Highway nehmen.

      Vorbei am legendären Nanga Parbat nach Chilas, seiner romantischen Lieblingsstadt mit dem aufregenden, rauen Flair und sich im ruhigen Shangrila Resorthotel Chilas für unbestimmte Zeit einquartieren, um Zeit zu finden. Auch die zehntausendjährige Kulturgeschichte am Karakorum Highway will studiert sein.

      Und auch den bekannten Chinesen Mr. King Kung Sun, mit dem größten Ausstattungsmarkt im Umkreis, wird er wieder Guten Tag sagen.

      Auch wenn der gute Mr. King einstweilen schon in die Jahre gekommen ist, führt er seinen Laden perfekt. In Qualität und Preis unschlagbar in typischer chinesischer Art. Das hat zu einem riesigen Shop mit zwei Hektar Ausmaß geführt. Man könnte ihn ruhigen Gewissens den „Tante-Emma-Laden“ Karakorums bezeichnen. Vom Kletterhelm und Gurt, Steigeisen, Eispickel, Eisschrauben, Seile und Schraubkarabiner bis zur Stirnlampe, Literatur usw. findet man bei ihm alles. Einfach eine Auswahl, die das Alpinherz höher schlagen lässt.

      In Zeit und Terminplanung vorgesehen ebenfalls ein Besuch des Hunza-Tales. Ein Erlebnis in diesem Raum der besonderen Art und kein Geheimnis, dass hier die ältesten Menschen des asiatischen Raumes leben und durch ihre außergewöhnliche Gesundheit die höchste Lebenserwartung haben. 110- und 120-jährige Menschen in den Familien sind keine Seltenheit. Ja, sogar bis 150 Jahre weiß man Fälle. Welche unbekannte Energie ermöglicht dies alles? Natürlich hat es schon auch seine Auswirkung, dass dieses Tal, von Siebentausendern eingekesselt und jahrhundertelang von der Außenwelt praktisch abgeschottet, gelernt hat, mit einfachster Ernährung auszukommen.

      Gemüse, Weizen, Hafer und Gerste, von Umwelteinflüssen verschont, garantiert gesündeste ballaststoffreiche Ernährung, verbunden mit viel Schlaf. Elektrizität, Kerzen oder Öllampen kennen sie nicht. Man steht mit der Sonne auf und geht mit der Sonne zu Bett. Man trinkt Gletscherwasser und atmet reinste Himalaya-Luft.

      Wie war das doch damals, bei seinem letzten Aufenthalt im Hunza Tal.

      Ziyan Notariu, der junge Guide, den er durch eine Trekking Tour mit einigen Touristen kennenlernte, überredete ihn einfach, einige Tage sein Gast zu sein. Dies war eine willkommene Gelegenheit, das karge Leben der Hunzukutz mitzumachen.

      Morgens gab es Ziegenmilch, einfache Trockenfrüchte, vor allem Aprikosen und Hunzabrot aus Gerste, Hafer und etwas Weizen, gewürzt mit Himalaya-Salz.

      Heute weiß man, dass das Müsli von hier aus wahrscheinlich seinen Siegeszug nach Europa angetreten hat und das Bircher-Müsli eventuell auch hier seine Inspiration gefunden hat.

      Tagsüber arbeitete man auf den Terrassen, bepflanzt mit Obstkulturen. Großteils ca. dreizehn Dutzend Sorten Aprikosen, Äpfel, Kirschen, Mandeln und Nüsse. Man schichtete Steine auf und leitete Wasser in die Bewässerungskanäle. Das Abendessen einfach, jedoch schmackhaft. Brot, getunkt in Aprikosenöl und wieder Trockenfrüchte.

      Es war ein schwerer Abschied, damals aus dem Hunza-Tal mit seiner magischen, wilden Natur und atemberaubender Landschaft. Obwohl 2400 m hoch gelegen und trotzdem eine grüne, fruchtbare Oase, umsäumt von wilden Schluchten mit rieselnden Flüssen. Ein geradliniger, gastfreundlicher Menschenschlag, zwar mit verschlossenen Gesichtern, denen man aber trotzdem sehr deutlich den Stolz und die Zufriedenheit, hier ihre Heimat zu haben, ablesen kann.

      Unter blühenden Aprikosenhainen, überdacht von den himmelhoch leuchteten Gletschergipfeln der Himalaya-Zauberwelt. Damals hat wohl auch ihn der Himalaya-Bazillus hoffnungslos erfasst und nie mehr losgelassen.

      Auf der Ahornrast ist es spürbar kalt geworden. Ein schneidender Wind vom Eissacktal her treibt wieder satte Schneewolken ins Tal und erste Flocken wirbeln vom bleigrauen Himmel.

      Von Tiers her bimmeln leise die Mittagsglocken und mahnen auch Martin zum Aufbruch. Fröstelnd stellt er den Kragen hoch und wendet sich abwärts dem Hotel zu. Ungewöhnlich ruhig ist es um das Hotel, bis die nächsten Gäste wieder anrollen.

      Erst zu Weihnachten wieder geöffnet, genießt man die Ruhe und Zeit für sich. Am Abend wird die traditionelle Adventfeier des morgigen zweiten Adventsonntags gleich auch als Abschiedsfest für Martin im kleinen, vertrauten Kreis begangen.

      Wie alle Jahre üblich sind auch einige Nachbarsfamilien sowie auch die Angestellten des Hotels gekommen, um heute auch Martin „Leb’ wohl“ zu sagen. Ihn haben sie ja alle ins Herz geschlossen.

      Er zeigt sich sehr gerührt und verspricht feierlich, an sie zu denken und ein kleines Mitbringsel bei seiner Heimkehr in der Tasche zu haben.

      Salz aus dem Himalaya wird es sein. Das ist nicht nur sehr gesund, sondern auch ein Segen für ihre Stuben zu Hause.

      Die gemütliche Stube duftet nach Weihrauch, der „Hergottswinkel“ liebevoll geschmückt und im großen Kachelofen knistern behaglich die Buchenscheiter. Am Tisch wartet schon ein Teller mit Kloatzenbrot und Nusskeksen für nachher und Mutter wird wieder viel Lob für ihr Backwerk bekommen.

      Es wird ihr wohl auch guttun, obwohl es diesmal nicht so richtig von der Hand ging. Zu sehr bedrückt sie der Gedanke, zu Weihnachten ihren Buben nicht mehr im Haus zu wissen. Jedoch Martin soll nichts davon merken. Zu schwer würde auch ihm der Abschied fallen, wenn sie ihm wie üblich, wenn er in die Berge aufbricht, ein Segenskreuz auf die Stirn zeichnet.

      Schwester Maria liest mit etwas zittriger Stimme aus der alten Hausbibel und trotz ihrer erst achtzehn Jahren macht sie heute einen sehr gesetzten, würdigen Eindruck.

       „… Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen. Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken …“ (Lk 3, 1-6)

      Obwohl Martin sich bemüht, in Andacht diesen Gedanken zu folgen, sind diese schon unterwegs. Hoch oben rund um den Erdball.

      ZUM


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