Data Leaks (1). Wer macht die Wahrheit?. Mirjam Mous

Data Leaks (1). Wer macht die Wahrheit? - Mirjam Mous


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gewesen, was?

      »Sag doch einfach, dass du nicht zur Therapie wolltest.« Hinter mir summt der Kühlschrank. Als ich einen kurzen Blick zur Seite werfe, drängt sich das blinkende Display in mein Gesichtsfeld – laut der orangefarbenen Buchstaben sind die Jelly-Yummys fast alle und müssen dringendst nachbestellt werden.

      »Glaubst du mir nicht?« Holden zieht sein T-Shirt hoch, den Hosenbund ein Stück runter und zeigt uns seine blaugrün verfärbte Hüfte.

      »Schatz!«, ruft Mama erschrocken. »Wir gehen sofort zur Ambulanz!«

      »War ich schon.« Holden lässt sein T-Shirt wieder fallen. »Darum bin ich ja so spät.«

      »Warum hast du dann nicht einfach angerufen?«, fragt Mama.

      »Nicht erlaubt. Da hingen überall Warnhinweise, man müsste das Camphone ausschalten.«

      Zum Glück lehne ich am Kühlschrank, sonst wäre ich vor Verblüffung nach hinten getaumelt. In so einem Fall würde der echte Holden sein Gerät erst recht einschalten. Das ist nicht mein Bruder, sondern ein Klon.

      »Na ja, jedenfalls bist du sicher zu Hause angekommen und das ist das Wichtigste.« Mama streicht ihm liebevoll über die strähnigen Haare. »Ich geb der Klinik Bescheid, dass du wieder aufgetaucht bist, und dann will ich alles genau wissen.«

      Sie verschwindet im Wohnzimmer, wo ihr Camphone liegt.

      »Was ist wirklich passiert?«, flüstere ich Holden zu.

      »Ich bin gefallen, sagte ich doch.«

      »Und was ist mit dem Beutel?«

      »Was für ein Beutel?«

      Haha. »Der grüne, der über deiner Schulter hing.«

      Holden spreizt die Arme und dreht sich einmal um die eigene Achse. »Ich sehe keinen grünen Beutel, du?«

      »Jetzt nicht mehr, nein.« Ich schubse ihn mit dem Ellenbogen. »Hast du ihn im Garten versteckt?«

      »Warum sollte ich ihn …«

      »Siehst du!«, rufe ich. »Jetzt gibst du es selbst zu!«

      Holdens Blick huscht zur Wohnzimmertür.

      »Schrei nicht so.«

      »Darf Mama es nicht wissen?«, frage ich noch immer brüllend laut.

      »Klappe, Pris!« Er sieht aus, als wollte er mich bei lebendigem Leib fressen.

      »Wenn du mir erzählst, was drin ist.«

      Er nickt! Sichtlich widerwillig, aber er nickt!

      »Pass du auf Mama auf«, sagt er. »Und sorg dafür, dass sie im Wohnzimmer bleibt.«

      Ich warte an der Tür. Solange Mama telefoniert, muss ich nichts tun. Holden kann den Beutel aus dem Garten holen, ohne dass sie es merkt.

      »Gib mir fünf Minuten«, flüstert er, bevor er mit dem ausgebeulten Ding in sein Zimmer schleicht.

      Kaum habe ich mich auf die Treppe gesetzt, kommt Mama mit ihrem Camphone in die Diele.

      »Prissy, Liebes?« Sie hält das kleine Mikrofon zu. »Dein Camphone ist anscheinend nicht eingeschaltet. Da will dich jemand sprechen.«

      Flow, wahrscheinlich. Würde man sie auf einer einsamen Insel ohne WLAN aussetzen – sie würde es nicht überleben. Ein Camphone-Time-out von einer halben Stunde und sie bekommt schon Entzugserscheinungen! Zitternde Hände, einen leeren Blick und …

      »Es ist ein Junge.« Mama reicht mir ihr Gerät. »Ein gewisser Mo.«

      Meine Knie zittern. Das kann nicht wahr sein! Wie um Himmels willen kommt er an Mamas Nummer? Über mein gehacktes Gerät?

      Ich schlucke den Kloß in meiner Kehle runter. »Ja?«

      »Mo hier.« Er klingt träge und so relaxed, als käme er gerade aus der Badewanne.

      Auf‌legen!, sagt mein Hirn.

      »Was?«, schnauze ich.

      Mama wirft mir einen fragenden Blick zu. Als ich eine beschwichtigende Handbewegung mache, geht sie an mir vorbei die Treppe hinauf. Ich müsste Holden warnen, dass sie unterwegs ist, aber Mo atmet mir ins Ohr und verlangt alle Aufmerksamkeit.

      »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagt er.

      »Habe ich auch nicht.« Meine Stimme ist weniger fest, als ich möchte.

      »Dann traust du dich doch bestimmt auch, mich zu treffen.«

      Meint er ein Date? Mein Herz schlägt aus wie ein Geigerzähler. »Warum sollte ich das wollen?«

      »Warum nicht?«, kontert er.

      Stalker dürf‌ten einfach keine sexy Stimmen haben!

      »Weil du höchstwahrscheinlich ein totaler Vollpfosten bist«, sage ich.

      Er lacht entspannt. »Es gibt nur eine Art, das herauszufinden. Sehe ich dich morgen am Happy Day?«

      »Du hast sie wohl nicht alle. Ich verabrede mich echt nicht mit einem Wildfremden.«

      »Um vier Uhr hinter dem Power Partyzelt.« Er beendet seinen Satz nicht mit einem Fragezeichen, sondern mit einem Punkt.

      Was für eine Arroganz! Als hätte ich nichts zu sagen.

      »Bist du taub, oder was?«, brülle ich in Mamas Camphone. »Ich komme nicht!«

      Aber der Idiot hat bereits aufgelegt.

      Holden

      Ich lege den Stoff‌beutel auf mein Bett und öffne ihn. Die Kerze verstecke ich in der Schublade zwischen meinen Socken. Die Wasserflasche darf in meinem Kleiderschrank bleiben, bis ich sie ungesehen loswerden kann, und die Konserven …

      »Schatz?«

      Shit, da ist Ma schon!

      Der Beutel verwandelt sich in eine Art gigantische Leuchtqualle, die ich innerhalb einer Sekunde verschwinden lassen muss. In einem panischen Reflex werfe ich die Bettdecke darüber.

      Nein! Jetzt sieht es so aus, als läge ein Baby-Dromedar in meinem Bett. Ma klopft kurz. Und dann schiebt sich die Tür auf.

      Mach was!, schreit mein Hirn.

      Aus purer Verzweif‌‌lung krieche ich zu dem Beutel und den Dosen unter die Decke.

      »Hast du geschlafen?«, fragt Ma.

      »Fast.« Während ich meinen Kopf ein klein wenig anhebe, überprüfe ich heimlich die Bettdecke. Das Baby-Dromedar ist zum Glück verschwunden. Es gibt nur noch logisch erklärbare Hubbel von Füßen, Beinen und Bauch.

      »Doktor Wendy lässt dich grüßen«, sagt Ma. »Ich soll dir ausrichten, dass es reicht, wenn du nächste Woche wiederkommst. Du brauchst die verpasste Sitzung nicht nachzuholen.«

      »Okay.« Ich gähne demonstrativ in der Hoffnung, dass sie geht.

      Ma setzt sich auf die Bettkante. »Wie konntest du nur so heftig stürzen, mein Schatz?«

      Die Wahrheit zu erzählen, ist keine Option. Ma würde Prissy und mich ja sowieso schon jetzt am liebsten in einen Käfig stecken. Wenn sie hört, dass ich im verbotenen Naturschutzgebiet gewesen bin … Ma wäre imstande, die Konserven sicherstellen zu lassen und dafür zu sorgen, dass der Keller zugeschüttet wird.

      »Ich bin über meine offenen Schnürsenkel gestolpert«, sage ich. »Das ist alles.«

      Sie kauft es mir ab. Ihr Stirnrunzeln verschwindet. Und kommt zurück.

      »Lass mich trotzdem mal kurz deine Verletzungen anschauen«, sagt sie.

      Der Beutel drückt auf meine schmerzende Hüfte. Die Konserven werden zu Landminen.

      »Wieso?«, frage ich so locker wie möglich. »Vertraust du den Ärzten in der Notfallambulanz


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