Wuhan Diary. Fang Fang

Wuhan Diary - Fang Fang


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Kommilitoninnen und Kommilitonen aus der Universitäts- und meinen ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern aus der Schulzeit. Sie haben mir den Rücken gestärkt. Sie haben alle möglichen Nachrichten und Informationen an mich weitergeleitet und mich ermutigt, als ich vor den Schwierigkeiten zurückweichen wollte. Und ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen, Nachbarinnen und Nachbarn, die mir während des Schreibens aus vielen Alltagsnöten geholfen haben.

      Ich möchte dem amerikanischen Übersetzer Michael Berry danken. Ohne seine Anregung wäre ich nie auf die Idee gekommen, dieses Tagebuch im Ausland zu veröffentlichen, und vor allem nicht innerhalb so kurzer Zeit.

      Und ich danke von Herzen Michael Kahn-Ackermann, dem Übersetzer der deutschen Ausgabe. Ich bin gegenwärtig den Angriffen chinesischer Linksextremisten ausgesetzt. Dass er mich häufig anruft, um sich nach meinem Befinden und meiner Sicherheit zu erkundigen, rührt mich sehr.

      Dieses Buch ist den Menschen in Wuhan gewidmet. Und insbesondere den Menschen, die den Wuhanern in der Zeit der größten Schwierigkeiten zu Hilfe gekommen sind.

      Die Honorare für dieses Buch werden ausschließlich zu Spendenzwecken verwendet. Sie sollen denjenigen zugutekommen, die Hilfe benötigen.

      Fang Fang, 13. April 2020

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Hightech kann ebenso bösartig sein wie eine Epidemie

      Ich habe keine Ahnung, ob dieser Eintrag die Leser erreichen wird. Vor kurzem führte meine Kritik am ungehobelten Auftreten einiger junger Leute auf der Straße dazu, dass mein Blog gesperrt wurde. (Ich halte an meiner Meinung fest, dass auch die Berufung auf den Patriotismus kollektive beleidigende Beschimpfungen in der Öffentlichkeit nicht rechtfertigt, das ist eine Frage zivilisierten Benehmens!)2 Es gibt keine Möglichkeit, sich gegen eine solche Sperrung zu wehren oder gar Anzeige zu erstatten. Ich bin von sina.com3 restlos enttäuscht und werde die Plattform nie wieder für meinen Blog benutzen.

      Niemand hat die schreckliche Katastrophe, die Wuhan jetzt getroffen hat, vorausgeahnt. Sie hat zur Folge, dass sich das Augenmerk des ganzen Landes auf Wuhan richtet, dass die Stadt abgeriegelt ist und dass Menschen aus Wuhan überall auf Zurückweisung stoßen. Es hat zur Folge, dass auch ich in der Stadt eingesperrt bin. Heute hat die Regierung verfügt, dass ab null Uhr jeglicher KFZ-Verkehr im Stadtzentrum untersagt ist. Genau dort wohne ich.

      Es gibt viele Nachfragen (auch über Sixin4), mit denen die Menschen ihrer Anteilnahme und Sorge um uns, die wir nun in unseren Wohnungen eingesperrt sind, Ausdruck geben und ihre Sympathie bekunden. Eben gerade schickt mir Cheng Yongxin von der Literaturzeitschrift Shouhuo eine Nachricht und meint, es wäre der rechte Moment, ein Tagebuch aus einer abgeriegelten Stadt zu schreiben. Das gibt mir den Anstoß, aufzuschreiben, was ich hier erlebe. Vorausgesetzt, mein Blog kann gelesen werden. Alle sollen erfahren, was sich in Wuhan gerade tatsächlich abspielt.

      Ich bin allerdings nicht sicher, ob dieser Eintrag durchgeht. Falls Freunde und Bekannte ihn lesen können, bitte ich um Nachricht, damit ich darüber im Bilde bin, was Sache ist. Blogs wie dieser auf Weibo verfügen über ein technisches Verfahren, das dich glauben macht, dein Text sei rausgegangen, aber tatsächlich bekommt ihn niemand zu Gesicht. Seitdem ich von dieser Technik weiß, habe ich begriffen, dass Hightech ebenso bösartig sein kann wie eine Epidemie.

      Also, ich schicke das hier ab und probier’s.

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Die Beamten der Provinz Hubei sind ein Abbild des chinesischen Durchschnittsbeamten im ganzen Land

      Ich bedanke mich bei allen für die Aufmerksamkeit und Fürsorge. Nach wie vor befinden sich die Bürger Wuhans in einer kritischen Phase. Auch wenn die anfängliche Panik, die Hilflosigkeit, die Ängste und die Anspannung gewichen sind und die Atmosphäre nun weit ruhiger und gefasster ist, benötigen sie nach wie vor Trost und allgemeine Ermunterung. Aber zumindest befindet sich der Großteil der Wuhaner nicht mehr im Zustand niederschmetternder Ratlosigkeit.

      Ich hatte vor, meine Aufzeichnung mit dem 31. Dezember zu beginnen, um meinen eigenen Übergang von gespannter Wachsamkeit zu entspannter Gleichgültigkeit zu rekapitulieren, aber das würde zu viel Platz einnehmen. Ich ziehe es deshalb vor, zunächst in Echtzeit etwas über meine aktuellen Empfindungen und ohne Hast ein Tagebuch aus Wuhan zu schreiben.

      Heute ist der zweite Tag des Neujahrsfestes,5 nach wie vor kaltes Wetter, Regen und Wind. Es gibt Gutes und Schlechtes zu berichten: Die gute Nachricht ist, dass die Hilfe des Staates ständig an Umfang und Wirkung zunimmt, immer mehr medizinisches Personal nach Wuhan kommt usw. usw. Das sorgt für Beruhigung unter den Wuhaner Bürgern. Das alles ist bereits allgemein bekannt.

      Die für uns persönlich gute Nachricht ist, dass es gegenwärtig unter den Angehörigen meiner Familie keine Ansteckungsfälle gibt. Mein drittältester Bruder wohnt zwar mitten im Zentrum der Epidemie, in nächster Nähe zum »Südchinesischen Markt für Meeresprodukte«6 und dem Zentralkrankenhaus Hankou. Hinzu kommt, dass sein gesundheitlicher Zustand nicht allzu gut ist und er sich bis vor kurzem in genau diesem Krankenhaus regelmäßig behandeln lassen musste. Gott sei Dank ist bei ihm und der Schwägerin alles in Ordnung. Er hat mir mitgeteilt, dass er sich für zehn Tage mit Lebensmitteln eingedeckt hat und deshalb keinen Fuß mehr vor die Tür setzen muss.

      Meine Tochter wohnt wie ich und die Familie meines ältesten Bruders in Wuchang. Von Hankou, wo die Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, relativ gesehen am höchsten ist, sind wir durch den Yangtze getrennt, es ist also vergleichsweise sicher. Auch wenn wir die Wohnung nicht verlassen dürfen, ist uns nicht langweilig. Wir gehören vermutlich zur Spezies der häuslichen Menschen. Sorgen machen wir uns nur um meine Nichte und ihren Sohn, die zum Besuch der Eltern nach Wuhan gekommen sind. Ursprünglich sollte sie mit dem Kind am 23. Januar von Wuhan mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Kanton reisen, um sich dort mit ihrem Mann und den Schwiegereltern zu treffen. (Selbst wenn sie das geschafft hätte, wäre der Aufenthalt dort kaum angenehmer gewesen. Seufz!)7 Aber genau an diesem Tag wurde die Stadt abgeriegelt, sie hatten keine Chance, fortzukommen. Keiner kann sagen, wie lange die Abriegelung dauert. Damit wären die Rückkehr an den Arbeitsplatz und der Schulbesuch des Kindes momentan unmöglich. Da Mutter und Sohn die Staatsbürgerschaft von Singapur besitzen, wurden sie gestern von der dortigen Regierung benachrichtigt, dass man in den nächsten Tagen eigens ein Flugzeug schicken werde, um sie abzuholen. (Vermutlich halten sich zahlreiche Auslandschinesen aus Singapur in Wuhan auf.) Nach ihrer Rückkehr müssen sie sich 14 Tage in Quarantäne begeben. Diese Nachricht löst bei uns allen Stoßseufzer der Erleichterung aus.

      Noch erfreulicher ist die Nachricht, dass dem Vater meiner Tochter, bei dem bei einer Röntgenuntersuchung in einer Shanghaier Klinik ein Schatten in der Lunge festgestellt wurde, gestern Entwarnung gegeben wurde. Es handelt sich um eine gewöhnliche Grippe und keine Coronainfektion. Er kann heute die Klinik verlassen. Unsere Tochter, die vor kurzem mit ihm gegessen hat, muss nun nicht unter strenger Quarantäne in ihrer eigenen Wohnung bleiben. (Noch am Vorabend des Neujahrsfestes bin ich mit dem Auto in strömendem Regen zu ihr gefahren, um ihr Essen zu bringen.) Wie sehr sehnen wir uns nach solchen guten Nachrichten, wenigsten eine am Tag, die uns trotz Abriegelung, trotz Eingesperrtseins in der Wohnung ein bisschen innere Erleichterung verschaffen.

      Schlechte Nachrichten bleiben nach wie vor jedoch nicht aus. Meine Tochter erzählt mir, dass der Vater einer Bekannten (der bereits Leberkrebs hatte) wegen Verdachts auf Ansteckung in die Klinik gebracht wurde, wo sich niemand um ihn kümmerte, bis er drei Stunden später starb. Passiert ist das offenbar vor zwei Tagen. Sie klingt am Telefon untröstlich.

      Gestern Nacht erhielt ich einen Anruf vom jungen Li aus dem Künstlerverband, der mir mitteilte, dass in unserer Wohnanlage zwei Ansteckungsfälle festgestellt wurden. Ein Ehepaar, beide etwas über 30. Ich solle auf meine Sicherheit achten. Ihre Wohnung liegt etwa 300 Meter von der meinen entfernt. Meine Wohnung ist jedoch in einem anderen Block, der einen eigenen


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