Wem gehört die Zukunft?. Jaron Lanier

Wem gehört die Zukunft? - Jaron Lanier


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überhaupt denjenigen, die die wichtigsten Server betreiben und nun dazu übergehen, unsere Welt zu organisieren? Kurzfristig betrachtet auf jeden Fall. Durch die Nutzung der Netzwerktechnologie und die Möglichkeit, Informationen und damit Reichtum und Macht zu konzentrieren, sind in jüngster Zeit riesige Vermögen entstanden.

      Doch langfristig profitieren nicht einmal die reichsten und mächtigsten Beteiligten vom Einsatz der Netzwerktechnologie, denn auch sie sind für ihren Wohlstand auf eine wachsende Wirtschaft angewiesen. So zu tun, als ob die Daten vom Himmel gefallen wären und nicht von realen Personen kommen würden, hilft da nicht weiter, sondern führt nur zur Schrumpfung der Gesamtwirtschaft.

      Je fortschrittlicher die Technik, desto mehr Tätigkeiten werden mit Informationswerkzeugen erledigt. Daher wird unsere Wirtschaft, je mehr sie sich zur Informationsökonomie wandelt, nur wachsen, wenn wir nicht weniger, sondern immer mehr Informationen zu Geld machen. Aber das tun wir nicht.

      Selbst die erfolgreichsten Beteiligten untergraben das Fundament ihres eigenen Reichtums. Kapitalismus funktioniert nur, wenn es genügend erfolgreiche Menschen gibt, die als Verbraucher fungieren. Ein Marktsystem kann nur bestehen, wenn so gründlich abgerechnet wird, dass es den Wert widerspiegelt, auf dem es basiert, was, wie ich noch zeigen werde, nichts anderes heißt, als dass wir eine Mittelschicht des Informationszeitalters benötigen.

      Fortschritt ist obligatorisch

      Derzeit treffen zwei große Entwicklungen aufeinander, von denen die eine zu unseren Gunsten, die andere zu unseren Ungunsten verläuft. Als Gegengewicht zu den von uns erhofften paradiesischen Zuständen sehen wir uns mit Problemen wie dem Klimawandel oder der Frage konfrontiert, wie wir angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln für alle Menschen sicherstellen sollen. Mehr Menschen als je zuvor werden Wasser und Nahrung benötigen.

      Die größten Probleme unserer Zeit sind von uns selbst verursacht, allerdings haben wir auch kaum eine andere Wahl. Das Menschsein ist eine sich stets wandelnde technologische Herausforderung. Durch die Lösung des einen Problems entstehen sofort mehrere neue. Das war schon immer so und ist kein besonderes Kennzeichen unserer heutigen Zeit.

      Da die Bevölkerungszahlen aufgrund der verminderten Kindersterblichkeit steigen, sind neue Hungersnöte vorprogrammiert. Wir entschlüsseln die genetischen Codes der Biologie, entwickeln erstaunliche neue Medikamente und vervielfachen unsere Fähigkeiten durch digitale Netzwerke, während wir gleichzeitig unser Klima zerstören und wichtige Rohstoffe vernichten. Und doch sind wir gezwungen, immer weiterzumachen, weil sich die Geschichte nicht umkehren lässt. Außerdem müssen wir ehrlicherweise eingestehen, dass es den Menschen in Zeiten, als die Technik noch nicht so weit entwickelt war, noch schlechter ging.

      Neue technologische Ansätze zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in irgendwelchen Garagen entwickelt werden, sondern durch die Zusammenarbeit vieler Menschen mittels gigantischer Computernetzwerke. Die Politik und Wirtschaft dieser Netzwerke werden bestimmen, wie aus neuen Möglichkeiten neue Vorteile für ganz gewöhnliche Menschen entstehen.

      Fortschritt ist nie losgelöst von der Politik

      Auch die raffinierteste Technologie gibt es vielleicht eines Tages in guter Qualität und für sehr wenig Geld, während gleichzeitig die wichtigsten Grundlagen fürs Überleben womöglich unbezahlbar werden. Digitale Utopien und vom Menschen geschaffene Katastrophen stehen nicht im Widerspruch zueinander. Sie können koexistieren. Das ist das Thema vieler düsterer Satiren der Science-Fiction-Literatur – man denke nur an die Geschichten von Philip K. Dick.

      Die Preise für grundlegende Dinge wie Wasser und Lebensmittel könnten enorm steigen, während gleichzeitig unglaublich komplizierte Geräte wie praktisch unsichtbare Nanoroboter für Herzoperationen uns umschwirren würden wie Staubpartikel in der Luft, gesponsert von Werbekunden.

      Alles auf einmal kann man nicht kostenlos anbieten, dafür ist die reale Welt zu chaotisch. Software und Netzwerke sind chaotisch. Und die Wunder der auf Informationen basierenden Technologie, die unser Leben zunehmend bestimmen, basieren auf begrenzten Ressourcen.

      Die Illusion, dass alles so billig wird, dass es praktisch umsonst ist, schafft die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bildung von Kartellen, die aus allem Kapital schlagen, was nicht so günstig ist. Wenn Musik nichts kostet, dann wird eben die Handyrechnung teuer, so verrückt das auch ist. Man muss das ganze System betrachten. Egal wie klein die Schwachstelle einer Utopie sein mag, wer nach Macht strebt, wird sich genau auf diesen Punkt konzentrieren.

      Zurück an den Strand

      Sie sitzen am Meer – wo auch immer sich die Küste befinden mag, nachdem Miami in den Fluten versunken ist. Sie haben Durst. In jeder beliebigen Staubansammlung wimmelt es von interaktiven roboterähnlichen Geräten, seit Werbefirmen vor langer Zeit den »Smart Dust« entwickelt und auf die Welt losgelassen haben. Das heißt, dass Sie einfach nur etwas sagen müssen, irgendein Gerät wird Sie immer hören. »Ich habe Durst, ich brauche Wasser.«

      Die Möwe antwortet: »Sie werden von unseren verschiedenen Sponsoren nicht als potenzieller Kunde eingestuft, daher kommen diese nicht für die Kosten Ihres Wassers auf.« Sie erklären: »Aber ich habe einen Penny.« – »Das Wasser kostet zwei Pennys.« – »Vor meiner Nase befindet sich ein ganzer Ozean. Man muss einfach nur ein bisschen Wasser für mich entsalzen!« – »Die Lizenzen für die Meerwasserentsalzung sind an Trinkwasserfirmen vergeben. Sie müssen einen Vertrag unterschreiben. Sie können sich aber jeden beliebigen Film ansehen, der jemals gedreht wurde, oder Porno-Clips oder die Simulation eines verstorbenen Familienmitglieds, mit dem Sie interagieren können, während Sie verdursten. Ihr Status als verstorben wird automatisch in Ihren sozialen Netzwerken aktualisiert.« Und schließlich: »Wollen Sie nicht Ihren letzten Penny im Kasino setzen, das gerade Ihre Herzoperation finanziert hat? Vielleicht gewinnen Sie eine hübsche Summe, die Sie dann für Wasser ausgeben können.«

      Kapitel 2 Eine einfache Idee

      Heraus mit der Idee!

      Wie will die Menschheit auf die Tatsache reagieren, dass wir einerseits rapide auf den Abgrund zusteuern, während wir andererseits die Möglichkeiten haben, die Welt maßgeblich zu verbessern?

      Mein Buch will zeigen, dass die Entscheidungen, die wir hinsichtlich der Architektur unserer digitalen Netzwerke treffen, die gegenlaufenden Wellen von Innovation und Elend entscheidend modifizieren können.

      Die digitale Technologie verändert die Art und Weise, wie Macht (oder ein Stellvertreter von Macht, also Geld oder politische Ämter) errungen, verloren, verteilt und verteidigt wird. In der vernetzten Finanzwelt haben Korruption und Wahn massiv zugenommen, und das Internet hat mehr Arbeitsplätze zerstört als geschaffen.

      Wir beginnen mit der einfachen Frage, wie man digitale Netzwerke gestalten sollte, damit sie weniger Schaden anrichten und uns stattdessen helfen, die großen Probleme unserer Zeit zu bewältigen. Als Ausgangspunkt für eine Antwort könnte man formulieren: »Hinter digitalen Informationen verbergen sich immer Menschen.«

      Ein Beispiel

      Im Grunde erscheint es wie Zauberei, dass man einen Satz zum Beispiel auf Spanisch in den Cloud-Dienst von Unternehmen wie Google oder Microsoft hochladen kann und eine, wenn auch nicht perfekte, so doch zumeist verständliche Übersetzung in irgendeiner gewünschten Zielsprache erhält. Als ob es eine polyglotte künstliche Intelligenz gäbe, die da oben in der großen Serverfarmen-Cloud residiert.

      Aber so funktionieren Cloud-Dienste nicht. Stattdessen wird eine Vielzahl von Übersetzungsbeispielen, die echte Menschen übersetzt haben, im ganzen Internet zusammengetragen. Diese werden mit dem Satz abgeglichen, den Sie zur Übersetzung losgeschickt haben. Fast immer stellt sich dabei heraus, dass sich in den zahlreichen früheren Übersetzungen realer Menschen ähnliche Passagen finden, daher ergibt eine Collage der früheren Übersetzungen ein brauchbares


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