Verschlüsselt - Geheimnisse einer Stadt. Bianca Eckenstaler

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schaute sich nach etwas anderem um. Ein Stock würde es auch tun, dachte sie sich. Unweit vom Turm entfernt fand sie einen stabilen Stock. Sie nahm ihn und wühlte ein wenig an der Stelle. Das Loch kam mehr zum Vorschein. Sie versuchte mit ihrer Hand hinein zu kommen. Sie musste noch ein wenig wühlen. Schließlich kam sie ran. Ihre Hand passte gerade so in die Öffnung. Sie fühlte eine kleine Rolle an den Fingerspitzen. Sie musste sich hinlegen, damit ihr Arm länger wurde. Vorher schaute sie nochmal, ob auch keiner in ihrer Nähe war, der sie beobachtete. Dabei sah sie nicht, dass sich Matthias hinter einem Baum versteckte. Sie versuchte es erneut und bekam die Rolle zu fassen. Sie zog sie aus dem Loch und schob das Gras und die Erde wieder so hin, wie es vorher war. Sie trat es fest und entfernte sich von dem Turm. Die Rolle hielt sie in der Hand.

      Sie lief zum Brunnen der Genesung, um sich dort auf eine Bank zu setzen. Sie wollte sich die Rolle in Ruhe anschauen. Da merkte sie, dass ihr jemand folgte. Sie schaute sich um und sah Matthias.

      »Oh nein!«, brummte sie vor sich hin. »Was willst du?«, rief sie.

      Er sah sie an und meinte: »Ich will dir helfen. Es ist immer gut, wenn man jemanden zum Gedanken austauschen hat.« Im Grunde hatte er recht.

      Sie setzte sich und überlegte. »Gut. Du versprichst aber, dass du mit niemanden darüber redest.«

      Seine Augen leuchteten. »Ich verspreche es. Aber jetzt muss ich zurück zur Arbeit. Ich hatte nur eine kurze Mittagspause. Wann und wo treffen wir uns?« Sie vereinbarten, dass sie ihn um 16 Uhr zum Feierabend abholte. Matthias ging. Sie schaute sich jetzt in Ruhe die Rolle an. Sie war aus Metall. Es fühlte sich wie Metall an. Sie hatte auch einen leichten Grünstich, wenn sie sie ins Licht hielt. Auf der Rolle war wieder ein Text zu erkennen. Ein Zahlenschloss schützte den Inhalt der Rolle. Doch dieses Mal war das Rätsel gar nicht so leicht zu lesen, denn die Buchstaben ergaben keinen Sinn.

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      Bella hatte es schnell gelöst, denn sie erkannte, dass es Spiegelschrift war. »Und wie komme ich in den Breiten Turm? Der ist doch nicht jeden Tag zu jeder Zeit geöffnet.« Nun war sie froh, dass Matthias sie unterstützte, er arbeitete bei der Stadt und konnte ihr sicher helfen. Also ging sie schnell zurück ins Stadtarchiv.

      »Hey, ich habe noch keinen Feierabend«, spitzelte er.

      »Ja, ich weiß. Bei dem Rätsel auf der Rolle steht, dass ich im Breiten Turm den Hinweis dafür finde, mit welcher Zahl die Rolle geöffnet werden kann. Aber der Turm ist sicher verschlossen.«

      Matthias nickte. Allerdings wusste er, wer den Schlüssel hatte und rief diese Person sofort an. »Gebongt. Wir können nachher rein. Charlotte schließt uns auf.«

      Sie nickte ihm dankend zu. Es war gerade 14 Uhr. Noch zwei Stunden musste sie warten. Sie fragte, ob etwas über den Breiten Turm im Archiv aufbewahrt wurde. Sie würde die Zeit nutzen, um etwas über ihn zu lesen.

      Er holte alle Unterlagen hervor. Bella setze sich an einen Tisch in einer Ecke und las. Auch schaute sie sich die Bauweise und den Grundriss des Turms an, damit sie wusste, was sie erwartete. Diese Schnitzeljagd machte ihr Spaß. Sie ließ Bella vergessen, dass ihr Leben nun ohne Tom weiterging.

      Der Breite Turm wurde 1396 als Teil der Wehranlage am Wallgraben im gotischen Stil erbaut. Er war 46 Meter hoch, viereinhalbgeschossig und hatte 130 Stufen sowie ein Zeltdach mit einem Dacherker. Bestimmt würden sie dort den Stein mit der Markierung finden.

      Um 16: 30 Uhr trafen sich Matthias und Bella mit der Rosenkönigin von Delitzsch. Sie hieß Charlotte und hatte den Schlüssel dabei. »Gut. Ich schließe euch auf, ihr habt zehn Minuten Zeit.«

      Matthias bedankte sich und beide verschwanden im Breiten Turm.

      Bella sagte: »Also hier steht: Im Breiten Turm in der Spitze, findest du eine Markierung auf einem Stein. Es muss auf jeden Fall eine Zahl sein, weil die Rolle wieder ein Zahlenschloss hat.« Die Stufen schlauchten. Sie waren gerade bei der Hälfte angelangt, als Bella und Matthias schon ziemlich schnaufen mussten. Den Rest schafften sie auch noch, konnten es kaum erwarten, oben anzukommen. Der Turm war beeindruckend, Bella ergriff eine Gänsehaut, als sie sich vorstellte, wie wohl die Leute hier Tag ein Tag aus verharrten und Wache hielten. Endlich kamen sie oben an. Beide waren außer Atem.

      Zum Glück hatte Matthias eine Taschenlampe dabei. Das Licht des Turms reichte nicht aus, und draußen war es fast finster.

      »Kannst du was erkennen?«, fragte Bella. Bislang sahen sie nichts. Sie suchten Stein für Stein ab, aber fanden keine Zahl. Vielleicht mussten sie doch nach etwas Anderem schauen. Schließlich war die Rede von einer Markierung.

      Charlotte rief von unten. »Kommt ihr? Die Zeit ist um.«

      Matthias antwortete: »Wir brauchen noch fünf Minuten, wir haben es noch nicht gefunden.« Angespannt liefen sie herum und schauten. Selbst auf dem Boden war nichts zu sehen.

      Nun blickte Bella nach oben. Sie sah in der rechten hinteren Ecke eine Markierung auf dem Stein. »Hier, ich habe etwas«, sagte sie. Sie streckte sich und tastete über die Markierung. Es war ein Kreis und herum fühlte sie eine Aussparung. Möglicherweise war es ein Knopf, den sie betätigen musste. Ihre Herzen klopften. Sie hatten Angst, wussten sie ja nicht, was passierte. Doch der Drang war zu groß. Es musste der Stein sein. Einen anderen Stein mit einer Markierung haben sie nicht gefunden.

      Wieder rief Charlotte von unten.

      Matthias schob Bella zur Seite und drückte auf den Knopf. Sie hörten ein Geräusch und ein Klicken. Auf der Seite des Fensters im Dacherker öffnete sich ein kleines Holztürchen. Zum Vorschein kam ein Zettel.

      Bella nahm den Zettel und schloss das Türchen wieder. »Okay, lass uns runtergehen. Sonst wird Charlotte noch wütender.« Sie riefen, dass sie kämen. Sie seien fertig. Unten angekommen, bedankten sich beide.

      Charlotte schloss den Breiten Turm zu und verabschiedete sich von ihnen.

      Bella und Matthias gingen unter eine Laterne, die in der Nähe des Turms stand, denn sie wollten wissen, was auf dem Zettel stand. Er entfaltete den Zettel vorsichtig. Es erschien die Zahl 1637.

      Sie schaute Matthias an.

      Er wusste sofort, was diese Zahl bedeutete. »Das ist das Jahr, als die Türmerstocher in die Trompete blies, weil Truppen der schwedischen Armee in die Stadt eindringen wollten.« Bella war begeistert und freute sich immer mehr, dass sie Matthias dabeihatte. Sie zog die Rolle mit dem Zahlenschloss hervor und gab die Zahl 1637 ein. Es gab ein Klicken. In der Rolle befand sich erneut ein Zettel und ein kleiner Schlüssel aus Messing. Wofür war der? Sie nahmen sich den Zettel zur Hand. Auf diesem stand:

       »… Gestalten formen sich aus leblosem Ton,sie quellen aus den Händen,und das Werk steht da in Ton und in Gips.

       Es aufersteht dann in Marmor und führt ein Eigenleben,die Idee wird sichtbar und spricht für sichund sie spricht zum anderen! …«1

      »Es ist ein Auszug aus etwas. Wie ein Gedicht klingt es nicht. Vielleicht ist es ein Auszug aus einer Rede.« Leise sprachen beide den Text vor sich hin und überlegten, was er bedeuten könnte.

      Bella sah auf die Uhr. Sie musste nach Hause, in einer Viertelstunde gab es Abendessen und zum Glück war sie mit dem Fahrrad unterwegs. »Matthias, ich muss gehen. Kann ich morgen wieder zu dir auf Arbeit kommen? Vielleicht finden wir etwas im Stadtarchiv. Ich habe auch ein Buch über die Geschichte von Delitzsch zu Hause. Möglicherweise hilft es weiter.«

      Er sah sie an und meinte, sie dürfe doch jetzt nicht gehen und aufhören. Doch leider ging es nicht anders. Wenn sie etwas zu essen haben wollte, musste sie pünktlich sein. Das sagte sie ihm so, sie hätte Hunger und ihre Eltern hatten sie zum Abendessen mit eingeplant. »Wir sehen


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