Wer auf dich wartet. Gytha Lodge

Wer auf dich wartet - Gytha Lodge


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Und falls es zum Prozess kam, wurde jedes Wort von ihm auf die Waagschale gelegt.

      »Das ist für den Augenblick alles«, sagte er. »Aber wir müssen noch Ihre Fingerabdrücke nehmen. Ich schaue nach, ob gerade jemand Zeit hat.«

      »Warum?«, fragte Aidan, und wieder spürte Jonah seine Anspannung. »Sie wissen, dass ich es nicht war.«

      »Das müssen wir mit Sicherheit ausschließen. Selbst wenn Sie nie in der Wohnung waren, werden Sie Dinge berührt haben, die Zoe gehörten.«

      »Oh«, sagte Aidan. »Natürlich. Tut mir leid.«

      Jonah stand auf. »Ich bringe Sie nach unten.«

      Juliettes Suche nach Überwachungskameras hatte zwei Treffer ergeben. Auf dem Parkplatz hinter dem Wohnblock gab es eine Kamera, die auf das Tor gerichtet war und durch den Torbogen unter dem Gebäude die Straße im Blick hatte. Der Eingang zu den meisten Wohnungen befand sich direkt neben dem Torbogen, sodass eine gute Chance bestand, dass die Kamera jeden erfasst hatte, der aus Richtung Innenstadt gekommen oder gegangen war.

      Am unteren Ende der Latterworth Road auf dem Weg in die Stadt gab es eine weitere Kamera an einem Laternenmast mit Blick auf den aus der City kommenden Verkehr. Das andere Ende der Straße war leider gar nicht abgedeckt. Nur wer aus südlicher Richtung gekommen war, konnte von den Kameras erfasst worden sein.

      Natürlich hatte es während ihrer gesamten Erkundungsmission geregnet. Nur durch Kopftuch und ihre Jacke geschützt, war Juliette völlig durchnässt, als sie wieder zu ihrem Wagen kam. Sie stieg ein und drehte die Heizung auf, sodass ihre Kleidung zumindest wieder halbwegs trocken war, als sie das Kommissariat erreichte.

      DI Walker, einer der Detectives für East Hampshire, lächelte mitfühlend, als sie hereinkam. »Von Tür zu Tür gelaufen?«

      »So ähnlich«, antwortete sie. »Überwachungskameras suchen.«

      »Ich hab immer eine Regenhose im Wagen«, vertraute er ihr leise an. »Die sehen beschissen aus, aber …« Er zuckte die Schultern. »Besser, als sich den ganzen Tag den Arsch abzufrieren.«

      »Guter Tipp«, sagte Juliette. Sie erzählte ihm nicht, dass sie wochenlang wasserdichte Kleidung im Wagen gehabt hatte, in einer gepackten Reisetasche, die zur Sicherheit immer im Kofferraum gestanden hatte, damit sie jederzeit Reißaus nehmen konnte vor ihrem gewalttätigen Freund, mit dem sie zusammengelebt hatte. Die Tasche herauszunehmen, nachdem sie sich endlich von ihm befreit hatte, war psychologisch ein wichtiger Schritt gewesen. Pech bloß, dass es praktisch gesehen ziemlich dumm gewesen war.

      Sie fuhr den Computer auf ihrem Schreibtisch hoch und ging noch einmal die Tatortfotos durch. Bei einem der Fotos aus der Küche, auf dem zwei Futternäpfe zu sehen waren, hielt sie inne. Sie hatte die Katze vergessen.

      Das wollte sie gerade dem DCI erzählen, als sie ihn mit einem dunkelhaarigen, leicht verstimmt wirkenden Mann Ende dreißig aus dem Vernehmungszimmer kommen sah. Sein verzweifelter Gesichtsausdruck verbarg eine attraktive Erscheinung, dachte sie, einen launischen Künstlertyp, so wie sie sich Lord Byron immer vorgestellt hatte.

      Sie begriff, dass das der Freund sein musste. Der den Tod seiner Freundin angeblich online verfolgt hatte. Verdeckt von ihrem Bildschirm musterte sie ihn eingehend, um zu sehen, ob seine Trauer echt war und ob er die Wahrheit gesagt hatte. Aber er schien ziemlich schwer zu durchschauen.

      Jonah begleitete Aidan zum Fahrstuhl, anstatt mit ihm die Treppe hinunterzugehen, eine instinktive Vorsichtsmaßnahme. Der Dozent schien sich vor Jonahs Augen aufzulösen, sein Blick war in weite Ferne gerichtet, seine Schultern hingen mutlos herunter.

      Aidans Blick blieb unfokussiert, bis sich die Fahrstuhltür im Erdgeschoss öffnete. Dann war es, als würde sein gesamter Körper von einem Stromschlag durchzuckt.

      »O Gott«, sagte er sehr leise.

      Er löste seinerseits eine ebenso starke Reaktion bei dem Paar aus, das vor dem Aufzug stand. Jonah erkannte Martin Swardadine sofort und nahm an, dass die attraktive, elegant gekleidete schwarze Frau neben ihm seine Ehefrau war. Aus dem Blick, mit dem beide Aidan ansahen, sprach blankes Entsetzen.

      Jonah seufzte leise. Er hätte es vorgezogen, wenn Aidan Poole und Zoes Eltern sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht begegnet wären, obwohl die Heftigkeit der jeweiligen Reaktion unbestreitbar interessant war.

      Jonah trat vor Aidan aus dem Fahrstuhl und streckte den Swardadines eine Hand entgegen.

      »Ich bin DCI Sheens. Ich bin sofort bei Ihnen. Ich muss nur noch Mr Poole hinausbegleiten.«

      Zoes Mutter nickte knapp, während ihr Blick zu Aidan zuckte. Es war kein freundlicher Blick.

      Während er Aidan zur Tür brachte, nahm Jonah sich vor, im Besprechungszimmer so taktvoll wie möglich danach zu fragen, was dieser Blick zu bedeuten hatte, doch so lange musste er nicht warten. Sobald er zu dem Paar zurückkehrte, fragte Zoes Mutter mit leiser, angespannter Stimme: »Was macht der hier?«

      Jonah entschied, dass der Empfangsbereich nicht der geeignete Ort für diese Unterhaltung war, und sagte nur: »Mr Poole war derjenige, der uns alarmiert hat.«

      Zoes Mutter warf ihrem Mann einen seltsamen Blick zu. Voller Wut und Schmerz.

      »Vielleicht reden wir besser oben«, sagte Jonah so besänftigend, wie er konnte.

      8. April – neunzehn Monate vorher

      Zoe war schon den ganzen Tag von einem wohligen Gefühl erfüllt, das beim Mittagessen mit Aidan im Mercure nur noch intensiver wurde. Sie hatten sich zum Essen in seinem Hotel verabredet, was ohne Zweifel auf Sex hinauslaufen würde. Aidan hatte erst um vier Uhr wieder Seminare, und Zoe dachte bereits daran, mit ihm nach oben zu gehen, als ihre Tagliatelle serviert wurden. Die ganze Woche hatte sie hauptsächlich mit Tagträumen von ihrer gemeinsamen Nacht verbracht, und in den sechs Tagen, die er schon wieder weg gewesen war, hatte sich eine für sie untypische Ungeduld in ihr angestaut, sodass sie es kaum erwarten konnte, ihn auf sein Zimmer zu zerren.

      Der Wein half auch nicht. Warum hatte sie bloß ein zweites Glas Rosé bestellt? Anscheinend verführte sie seine Gegenwart dazu, all die falschen Dinge immer wieder zu tun.

      Sie waren fast mit dem Essen fertig, als Zoes Handy klingelte.

      »Angeline«, sagte sie knapp und lächelte gezwungen.

      »Du willst doch wohl nicht etwa drangehen, oder?«, fragte er mit leicht zusammengekniffenen Augen.

      »Ich … ich weiß nicht …« Sie stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Es geht ihr nicht besonders gut, und ich glaube, sie bekommt nicht die Hilfe, die sie braucht. Sie macht dumme Sachen. Na ja …« Zoe seufzte. »Sie trinkt, und dann ritzt sie sich. Es kommt einem vermutlich nicht so dumm vor, wenn man verzweifelt ist.«

      Das Telefon summte immer noch. Angeline gab nicht auf.

      »Ruft sie immer dich an?«, fragte er und sah ihr fest in die Augen.

      »Ich … ich glaube schon«, antwortete sie.

      »Findest du das fair dir gegenüber?«

      Aidan stellte die Frage so sanft, dass Zoe sich nicht angegriffen fühlte. Sie fragte sich vielmehr flüchtig, ob es wirklich fair war. Aber dann sah sie Angelines schlaffen Körper vor sich, der wie ein Haufen Abfall auf ihrem Schlafzimmerfußboden lag. Das war beim letzten Mal dabei herausgekommen, als Zoe nicht da gewesen war. Es gab sonst niemanden, der geholfen hätte.

      Schließlich hörte das Telefon auf zu klingeln, und Zoe blickte elend auf das Display. Aidan fasste ihre Hand und drückte sie. »Tut mir leid. Ich wollte nicht sagen, dass du ihr nicht helfen sollst. Natürlich sollst du das. Ich möchte nur nicht, dass du dich auslaugst. Vielleicht sollte sich hin und wieder auch mal jemand um dich kümmern.«

      Er strich mit dem Daumen über ihren, drehte ihr Handgelenk und streichelte die Unterseite, wo ihre Haut am blassesten und empfindlichsten war. Sie spürte die Berührung bis tief in ihr Inneres. Sich zu vergewissern, dass es Angeline gut ging,


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