Wer auf dich wartet. Gytha Lodge
Die Schweine in der Kirche haben … sie haben Lügen über mich verbreitet«, sagte Maeve, bevor sie sich abwandte, um ihre Tränen zu verbergen.
»Was?« Zoe ging zu ihr und blieb vor ihr stehen, unsicher, ob sie sie umarmen sollte. Sie wusste, dass Maeve es unter normalen Umständen nicht gefallen würde, womöglich gefiel es ihr sogar noch weniger, wenn sie wirklich aufgewühlt war. Zoe entschied sich für ein kurzes Schulterreiben. »Hey, wenn sie lügen, können wir etwas dagegen tun. Das können sie nicht einfach so machen.«
»Sie haben es schon überall verbreitet!« Maeve drehte sich wieder um und blickte, um die Tränen zu zurückzuhalten, zur Decke. »Es … es war schrecklich, alle waren so seltsam, dass ich wusste, dass … dass irgendwas im Busch war. Und dann hat Alison … Alison hat mir erzählt, dass Isaacs Frau etwas gesagt hat …«
Einen Moment lang war Zoe zu schockiert, um zu antworten. »Was …? Aber du bist ihr nie begegnet! Wie kann sie sich über dich beklagen?«
Maeve schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Ärmel die Augenwinkel. »Ich weiß nicht.«
»Hat sie deine Nachrichten gesehen?«, fragte Zoe, und ihr Magen zog sich zusammen. In ihren Textnachtrichten hatte Maeve ihr Herz ausgeschüttet. Sie hatte Zoe einige davon gezeigt. Wenn Isaacs Frau es herausbekommen hatte … Nun, dann würden beide nicht gut aussehen, aber am Ende war es nie der Ehebrecher, der in der Tinte saß. Es war immer die andere Frau, die von allen verurteilt wurde. Jedenfalls nach Zoes Erfahrung.
Nicht dass es ein richtiger Ehebruch gewesen war, weil Maeve Sex vor der Ehe ablehnte. Die beiden hatten nie mehr getan, als sich zu küssen, und auch das nur zweimal, wonach Isaac erklärt hatte, er würde sich deswegen sehr schlecht fühlen.
Zoe war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte, so fest Maeve es auch tat. Er war nicht nur verheiratet, sondern auch Pastor ihrer Kirche. Ein Glaubensführer. Er hätte sich nie mit einer Studentin einlassen dürfen. Und er hätte sie ganz bestimmt nicht hinhalten und ihr erklären dürfen, dass er seine Frau und seine Kinder verlassen würde, um mit ihr zusammen zu sein, ohne es je wirklich wahrzumachen.
Die ganze Geschichte hatte Zoe maßlos frustriert. Nachdem sie eine Stunde lang zugehört hatte, wie Maeve den Mann verteidigte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass Isaac ein Arschloch war. Und selbst wenn er ein geringfügig besserer Mensch sein sollte, als Zoe glaubte, und es tatsächlich ernst meinte, wenn er davon sprach, seine Frau zu verlassen, wünschte sie, dass Maeve willensstärker wäre. Immerhin ging es um eine Familie, die sie zerstören würde. Um Kinder. Es war so verkehrt.
Und dann war alles besser geworden. Maeve hatte die Sollbruchstelle erreicht und Isaac erklärt, dass sie die Nase voll hatte. Sie hatte Zoe gegenüber beteuert, dass es vorbei war. Sie hatte sich mit anderen Männern verabredet und über andere Dinge geredet. Es schien ihr besser zu gehen. Warum passierte das jetzt? War es bloß ein dummer Zufall?
»Was hat sie gesagt?«
Maeve schüttelte erneut den Kopf, riss etwas von der Küchenrolle ab und schnäuzte sich die Nase. »Tut mir leid. Ich bin so … so erbärmlich …«
»Sei nicht albern!«, sagte Zoe. »Manchmal muss man weinen. Man kann nicht optimistisch sein, wenn das Leben einen mit Scheiße bewirft.«
»Aber ich bin immer optimistisch«, jammerte Maeve fast wie ein kleines Kind. »Selbst nachdem er mich auf einen blöden Kaffee eingeladen und mir dann erklärt hat, er könne nicht aufhören, an mich zu denken, bin ich stark geblieben. Und dann … dann erzählt sie überall herum, ich sei eine Verführerin.«
»Oh, Maeve«, sagte Zoe. »Er hat nicht zugegeben, dass es seine Schuld war?« Eigentlich brauchte sie die Frage gar nicht zu stellen.
»Ich weiß nicht«, sagte Maeve. »Er geht nicht ans Telefon.«
Zoe verzog das Gesicht. Wenn Maeve ihn dauernd anrief, würde sie nur noch zwanghafter wirken. »Hör mal«, sagte sie. »Wenn er … wenn er ihr erzählt hat, alles wäre von dir ausgegangen, um sich so auf deine Kosten rauszureden, ist das beschissen von ihm. Es ist verständlich, aber trotzdem beschissen. Bitte gib nicht allen anderen außer ihm die Schuld.«
»Das tue ich auch nicht«, sagte Maeve. »Wirklich nicht. Aber er hat es ihnen nicht erzählt. Sie war es …«
Zoe spürte eine vertraute Mutlosigkeit, als Maeve wieder in das Muster glitt, Isaacs Frau für alles verantwortlich zu machen. Einer Frau, der genau wie ihr unrecht getan worden war.
Sie blickte an Maeve vorbei und sah, dass es viel später war, als sie gedacht hatte. Sie hatte nur noch eine halbe Stunde, um sich fertig zu machen, bevor sie das Haus verlassen musste, wenn sie pünktlich zu ihrem Treffen mit Aidan kommen wollte. Da sie noch duschen und die Haare föhnen musste, wäre das auch ohne ein Gespräch mit Maeve knapp geworden. Und sie konnte sie jetzt nicht einfach stehenlassen.
»Ich mach uns einen Tee«, erklärte sie entschieden, »und dann überlegen wir, was wir machen können, damit das Gerede aufhört.«
Während sie den Kessel aufsetzte, schickte sie Aidan eine Nachricht.
Kleine Krise hier. Können wir unser Treffen eine halbe Stunde nach hinten schieben? Tut mir wirklich leid. Erkläre später alles. xx
Sie goss gerade Milch in den Tee, als Aidan antwortete.
Ich bin sicher, das ist nur eine List, um mich warten zu lassen. Aber ich werde es tun. Du bist es wert. xx PS Rede dich nicht heiser. Ich will von dir alles über dich wissen.
Zoe lächelte erleichtert und machte sich daran, Maeve den Tee einzuflößen.
Sie kam trotzdem noch ein paar Minuten zu spät. Sie wollte spektakulär aussehen, aber anders spektakulär als auf der Hochzeit, also hatte sie sich ein schwarzes Kleid und einen Oversized-Pullover gekauft, der, wie sich herausstellte, einen Flecken hatte, den sie rausschrubben musste. Das Augen-Make-up, für das sie sich entschieden hatte, war eine Mischung aus Ice-White und Hot Pink und nicht gerade leicht aufzutragen.
Schließlich war sie, fünf Minuten bevor sie bei Brown’s sein sollte, aus dem Haus gestürzt, eine zwölfminütige Radfahrt vor sich. Auf dem Weg aus der Tür hatte sie Maeve zugewinkt, die auf dem Sofa zusammengerollt Frühstück bei Tiffany guckte und schon deutlich weniger elend aussah. Zoe zog ihr Rad aus dem Seitengang, brauste los und machte im Fahren das Licht an.
Aidan saß an der Bar und studierte die Speisekarte, als sie hereinstürmte. Mit seinen dunklen, in die Stirn fallenden Locken und den wie zu einem Ausdruck leichter Belustigung geformten Lippen war er im Profil leicht zu erkennen. Gott, er war schön. Einfach schön. Sie spürte ein Kribbeln.
Er blickte zu ihr auf und lächelte freundlich. Gefährlich. »Unbedingt des Wartens wert«, sagte er, stand auf und küsste sie. Seine Lippen streiften nur kurz die ihren, doch die Berührung schien sich durch alle Nerven fortzusetzen und einen Punkt irgendwo in der Mitte ihres Unterleibs zu treffen.
»Ich habe uns Gin bestellt«, sagte er, als er sich von ihr löste. »Leider habe ich ein Lokal ausgesucht, das offenbar keine Jägerbombs ausschenkt.«
Grinsend streifte Zoe ihre Tasche von der Schulter und setzte sich. »Durchgefallen. Aber wir können später bestimmt noch irgendwo anders hingehen.«
»Das klingt wie einer dieser Abende, nach denen ich am nächsten Morgen unerklärlicherweise krank bin und meine Seminare verpasse«, sagte er.
»Seminare?«, fragte sie, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Bist du ein überreifer Student?«
Aidan schüttelte den Kopf. »Schlimmer. Ein unreifer Dozent.«
Zoe stieß ein kleines schockiertes Lachen aus. »O nein! Das ist wie … nein, schlimmer als Politiker. Du bist einer von ihnen.«
»Alles klar«, entgegnete er und nahm ihr mit dem verschmitzten Lächeln, das sie schon kannte, ihren Gin Tonic weg, »den nehm ich zurück.«
»Nein, nicht! Den brauche ich!« Sie streckte lachend die Hand aus, doch er hielt das Glas außerhalb ihrer