Mein Amerika. Jürgen Wiener
schulpflichtigen Kindern am JFK-Airport an. Es war einer dieser typischen NYC-Tage, extrem heiß und extrem feucht, bereits in die Dunkelheit übergehend.
Meine Frau sprach kein Englisch, während Ursel glücklicherweise fließend Englisch sprach, da sie längere Zeit als Au Pair-Mädchen in England gelebt hatte.
Wie es der Teufel so wollte, kam Ursel mit Kindern und ihren großen Koffern problemlos durch die Immigration, während der Zoll meine Frau mit ihren 3 großen Koffern, mit kleinem Kind und nicht Englisch sprechend in die Mangel genommen hatte. Irgendwann hatten es aber auch
Rita und Markus überstanden und waren nun auch offiziell in „meinem Amerika“ angekommen, Rita völlig am Ende. Wir fielen uns alle in die Arme und Rita, vor Erschöpfung und Glück über die wieder komplette Familie, musste erst einmal vor Spannung heulen und danach war wieder alles gut.
Für unsere beiden Familien hatten wir im Norden von NYC, in der Nähe der Häuser, ein Motel mit zwei nebeneinanderliegenden Zimmern mit Küche, angemietet, die unser Domizil bis zum Einzug in unsere Häuser sein sollten.
Wir verabredeten uns, hintereinander zu fahren, um gemeinsam im Motel anzukommen und die Wiederkehr mit einem Gläschen zu feiern. Zwischenzeitlich war es jedoch duster und in NYC um diese Zeit ein Höllenverkehr und so kam es, wie es kommen musste: Wir hatten uns verloren.
Ich glaubte zwar einigermaßen den Weg zu finden, verfuhr mich aber total.
Meine Frau hing halbtot im Beifahrersitz neben mir und mein kleiner Markus war völlig fit und aufgedreht und saß auf dem Schoß meiner Frau (Sicherheitsgurte und Kindersitze gab es damals noch nicht in Amerika oder sie wurden nicht benutzt) und fragte immer Papa, wie lange fahren wir noch und wohin fährst du.
Mit einstündiger Verspätung kamen wir dann zu unserem Motel und unser Leben als Familie begann in meinem Amerika.
Kapitel 9. New York, Beginn einer großen Liebe
Nun waren wir endlich in New York, nicht so recht wissend, wie es eigentlich weitergehen würde. Eines war klar: Ich würde jeden Tag arbeiten gehen und meine Frau musste sich um einen Kindergarten für unseren Sohn Markus kümmern. Des Weiteren musste das Haus eingerichtet und ein Auto gekauft werden.
Um geschäftsfähig zu sein, benötigten wir dringend Kreditkarten und vor allem eine Bank, bei der wir einen entsprechenden Leumund besaßen.
Dies war ein schwieriges Unterfangen, da wir keinen Kredit in Amerika hatten und somit wahre Nobodys waren.
Irgendwann hatten wir die Bank überzeugt, dass wir keine illegalen Einwanderer waren und ein Konto brauchten, auf das monatlich ein Teil meines Gehaltes fließen sollte und von dem die Kreditkarte bedient wurde. Hierbei war offenbar hilfreich, dass wir ein Schreiben des Department of Energy vorweisen konnten, mit dem bestätigt wurde, dass wir Mitglieder eines Engineering Teams waren, uns in Amerika legal aufhielten und mithelfen sollten, die strategische Rohölreserve der USA zu realisieren.
Wir waren stolz und glücklich, dass meine Frau und ich nun endlich unsere erste Master Card hatten und nicht mehr an den Kassen von Supermärkten und Kaufhäusern wie Kriminelle angesehen wurden, wenn wir mit unseren 50 $- oder manchmal 100 $-Noten bezahlen wollten. Bei den 100 $-Noten mussten die Kassiererinnen oftmals den Manager befragen, ob sie diese Scheine annehmen durften.
Verbunden mit dem Bezahlen gab es ein weiteres Problem, nämlich die Identifizierung.
Amerikaner haben keinen Personalausweis und der Reisepass wird innerhalb der USA nicht benutzt. Amerikaner weisen sich klassischerweise mit dem Führerschein, der Driving Licence, aus und geben bedarfsweise ihre Telefonnummer an. Wir hatten noch keine Driving Licence, nur unseren deutschen Führerschein, mit z.T. uralten Passfotos, den wir teilweise zeigten und so bei den Kassiererinnen für Erheiterung und manchmal eben auch Ablehnung sorgten.
Während der 4 Wochen im Hotel hatten wir nur die Hoteltelefonnummer verfügbar und die hatten wir nicht im Kopf, sondern mussten diese nach einigem Suchen von Zetteln ablesen, die nicht immer gleich griffbereit waren und somit für zusätzliche Skepsis sorgten.
Nachdem wir die Häuser hatten und ein Telefon angemeldet hatten, wurde das Leben langsam einfacher.
Kurz vor dem Einzug in unser Haus war ich mit meiner Frau nochmals dort, um ein paar Maße zu nehmen. Wir betraten das Haus und meine Frau sagte spontan: „Es riecht nach Gas.“ Ich hatte das nicht gerochen und hielt das für einen Schmarren, den ich auf die ganze Aufregung der ersten Wochen schob, und so sagte ich meiner Frau Rita in einem nicht so freundlichen Ton, sie würde sich das nur einbilden und solle nun endlich Ruhe geben.
Ich hatte aber nicht mit Ritas Ausdauer gerechnet. Sie rief abends hinter meinem Rücken einen Kollegen an und der meldete das telefonisch bei Con Edison, unserem Gasversorger. Am nächsten Tag erschienen Fachleute mit Gasspürgeräten und fanden prompt
3 Gasleckagen in dem gasbetriebenen Herd-/Backofen. Ich hatte von da ab schlechte Karten und konnte mir in solchen Dingen keine weitere Ignoranz erlauben. Rita hatte von da ab bei mir den Spitznamen Schnüffelnase.
Während unseres 4-wöchigen Motel-Aufenthaltes hatten wir schon Kleinigkeiten für unsere Häuser gekauft und das besonders gerne an Wochenenden auf den in Amerika so populären Garage Sales, die wir lieben lernten und die etwas Neues waren, was wir alle nicht kannten. So kauften wir bereits unseren ersten Schneeschieber und legten den unter unsere Hotelbetten – nicht zu vergessen, es waren immer noch deutlich über 30 °C im Umkreis von NYC.
Ein lustiger, aber für Ursel, die Frau eines Kollegen, schmerzhafter Kauf war ein Bauchroller, mit dem man sich mit 2 Händen auf den Griffen seitlich eines Rades abstützte und vor- und zurückrollte. Ursel wollte dieses Teil nicht ohne Test kaufen und probierte den Roller direkt auf der Garagenauffahrt aus Beton aus. Sie überschätzte dann doch ein bisschen ihre Sportlichkeit und rutschte auf dem letzten Stück ihrer Übung auf dem Kinn über die Auffahrt, was zum Verlust einiger Haut führte und Ursel einen brennenden Körperteil und eine zweiwöchige Borke in ihrem niedlichen Gesicht hinterließ. Aber in dem Moment, in dem wir alle zuschauten bei dem Ereignis, gab es doch zunächst schadenfrohes Lachen, weil es so lustig aussah. Kurz danach wandelte sich das Lachen dann aber in Mitleid.
Kapitel 10. Autokauf und Führerscheinerwerb
Wichtiger als ein komplett eingerichtetes Haus war der Kauf eines Autos, denn ohne Auto ist man in den USA fast überall total aufgeschmissen, zumal wir jeden Tag nach White Plains zum Bahnhof mussten, um mit dem Zug nach Manhattan zu fahren.
Unser Kaufmann Wilfried, der sich schon um die Suche der richtigen Häuser verdient gemacht hatte, war auch in Sachen Autos für uns unterwegs und machte Händler in der Umgebung ausfindig und selektierte auch schon Autos vor.
Wir hatten von der Firma damals 3000 $ für ein gebrauchtes Auto zur Verfügung gestellt bekommen. Für diesen Preis gab es ein riesiges Angebot an gebrauchten Autos.
Umweltschutz, Benzinpreise und Sicherheitseinrichtungen waren damals Fremdworte, sodass der Schwerpunkt auf das Äußere und auch auf Größe gelegt wurde.
Der Benzinpreis lag damals bei 57 Cent für die Gallone (3,8 l), d.h., damals ca. 35 Pfenning/ Liter, und daher war klar, dass wir nach unseren heimischen Käfern, Kadetts und Fiats nun mal ein Auto mit einem richtigen Motor haben wollten. Sechs Zylinder mussten es mindestens sein, was aber ein Selbstgänger war, denn Vierzylinder gab es von wenigen Ausnahmen abgesehen überhaupt nicht.
Jetzt kam stattdessen der Achtzylinder in die engere Auswahl, da die Autos, die uns gefielen, häufig Achtzylinder hatten.
Ich landete am Ende bei einem Chrysler Coupé mit Achtzylindermotor und „nur“ zwei Türen, die es aber in sich hatten. Wenn man auf dem Parkplatz beide Seitentüren aufmachte und von vorne oder hinten auf das Auto sah, glaubte man nicht an ein Auto, sondern eher an ein abgestelltes Flugzeug.
Auch die Länge des Autos war mit deutlich über fünf Metern ein ordentliches Monster. Ich stand mal auf einem Parkplatz eines Supermarktes neben einem Mercedes S-Klasse-Modell in der USA-Ausführung. In Deutschland war die S-Klasse seinerzeit das mit Abstand größte Auto,