Unter Freunden. Udo Staber

Unter Freunden - Udo Staber


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Pfau auf Brautschau.“

      Sie protestiert heftig. „Nein, nicht lustig. Ich habe das über zwanzig Jahre lang mitgemacht, jeden Tag. Er braucht eine Frau, die ihm den Wecker stellt und ihm sagt, er soll ein frisches Hemd anziehen, bevor er zu stinken beginnt. Aber jetzt hat er ja eine Neue. Vielleicht hört er auf sie.“

      „Wieso sollte er auf sie hören?“

      „Weil sie nicht so dumm ist wie ich.“

      „Aber auch sie hat ihn geheiratet!“ Das hätte ich nicht sagen sollen. Sie wird mich jetzt daran erinnern, dass auch ich gegen Dummheit nicht gewappnet bin, wenn es um den Umgang mit chaotischen Frauen geht. Und sie hätte recht. Einen Dümmeren wie mich kann es nicht geben.

      Sie denkt kurz nach. „Bin gespannt, wie sie aussieht.“

      „Und ich bin gespannt, wie sie sich dir gegenüber verhält. Die Neue trifft die Alte, und der Mann der Neuen sitzt daneben und begutachtet den Neuen seiner Alten. Das geht schon ins Tragische, meinst du nicht? Mich interessiert, ob sie so viel anders ist als du, der exakte Gegenentwurf zur Verflossenen sozusagen, oder ob sie nur eine andere Version deiner selbst ist, eine bessere Ausgabe vielleicht. Das soll es ja geben. Der geschiedene Mann will gar nichts radikal Neues, heißt es. Es ist wie auf einer ewig langen Zugfahrt. Die Landschaft ist ja recht schön, aber irgendwann gewöhnt man sich daran. Und wenn nur die Schienen nicht so holprig wären. Ein Seitensprung ist für ihn wie der Gang zum Speisewagen. Er braucht kurz mal eine Abwechslung, neue Sitznachbarn, interessante Unterhaltung, Stärkung für Geist und Seele sozusagen. Alles, nur keine Entgleisung.“

      „Ach Hermann, das hast du schön gesagt. Aber bei Siggi hat es eine Entgleisung gegeben. Der Zug ist aus dem Gleis gesprungen, die Alte ist weg. Jetzt muss er mit einer Neuen weiterfahren.“

      Sie seufzt, als hätte sie Mitleid mit ihm. Ich fasse sie an der Hand und sage: „Mach dir keine Sorgen. Da muss er durch. Die Neue wird’s schon irgendwie richten.“

      „Was genau soll sie denn richten, seine Gundula? Ich wüsste nicht, was sie bei dem richten kann. Er wird sich nie ändern.“

      „Vielleicht muss er das auch gar nicht. Er redet nicht gern, hast du mir gesagt. Vielleicht ist sie eine, bei der er gar nicht viel sagen muss. Vielleicht liest sie ihm alle seine Bedürfnisse vom Gesicht ab. Der Wunsch vieler Männer, wie man hört. Er will in Ruhe gelassen werden, er will bedient werden, und zwar so, und das ist der Trick dabei, den sie beherrschen muss, wenn sie eine Zukunft mit ihm haben will, dass er nicht das Gefühl hat, mit einer Dienerin verheiratet zu sein. Sie soll ihm freiwillig zur Seite stehen, uneigennützig, mit Herz und Seele, wie man so schön sagt. Dann wird er auf sie hören. Solche Männer gibt es. Warum das so ist, kann ich jetzt nicht so leicht erklären. Die Sache ist kompliziert. Und natürlich gibt es Frauen, die sich auf so etwas einlassen. Vielleicht ist sie so eine. Sie schneidet für ihn das Fleisch auf seinem Teller und kocht für ihn salzarm, damit er die nächsten zwanzig Jahre gesund bleibt. Vielleicht färbt sie ihm sogar die Augenbrauen. Sie will, dass es ihm gut geht, denn wenn‘s ihm gut geht, fühlt auch sie sich gut.“

      „Hermann, dir ist ja wohl klar, dass du hier von einem ausgesprochen dummen Klischee sprichst.“

      „Ja, ich weiß, aber das Spannende an einem Klischee ist doch die Frage, warum die Leute sich daran halten, beziehungsweise, dass es sogar einen Riesenspaß machen kann, wenn man aus einem Klischee neue Wahrheiten konstruiert.“

      „Und welche Wahrheiten wären das?“

      „Na zum Beispiel, wenn Leute sagen, heirate keinen Mann mit Altlasten, weil das Unglück bringt, ist das ein Klischee, richtig? Trotzdem verknallt sie sich in so einen Mann. Und warum? Weil er anders ist als die anderen, erklärt sie ihren Freundinnen, die sagen, sie machen sich Sorgen um sie. Er ist anders, weil sie das so sehen will und weil sie die intellektuellen Mittel besitzt, dieses Klischee als etwas zu begreifen, das auf sie nicht zutrifft, weil auch sie anders ist. Und wenn der Neue ihr von seinen Altlasten erzählt, dann so, dass er wie ein Gewinner dasteht. Er sagt, er hat seine Vergangenheit voll im Griff. Dann sind es keine Lasten, an die er sich erinnert, sondern einzigartige Prüfungen, die er bestanden hat. Mit anderen Worten, er hat nicht mit Ach und Krach überlebt, sondern er ist ein Held, der aus einer verdammt schwierigen Lage eine Erfolgsgeschichte gemacht hat.“

      „Dann bist du mit deinen drei verkorksten Ehen wohl ein Superheld“, sagt sie mit einem breiten Lächeln.

      „Moment, die erste zählt nicht. Da war ich noch Student und in meiner Persönlichkeit noch nicht gefestigt. Und bei der zweiten und dritten habe ich den Absprung geschafft. Den Absprung rechtzeitig hinkriegen, das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung. Und beide Male ein gelungener Sprung, das zweite Mal leider in verdammt eiskaltes Wasser. Ich wäre fast ersoffen, aber eben nur fast.“

      „Und dein dritter Sprung?“

      „Bei dir war die Landung butterweich. Meine Muse, mein Segen, meine Hoffnung, meine letzte Hoffnung.“

      Sie strahlt und streichelt sanft meine Hand. „Das hast du aber wieder mal schön gesagt.“

      „Finde ich auch. Und wie ist dein Siggi bei Gundula gelandet? Hart oder weich?“

      „Das kommt darauf an, wie lange sie es mit ihm aushält.“

      „Nun, so wie du ihn mir beschreibst, gibt es für sie nur zwei Optionen. Entweder sie verkümmert an seiner Seite, oder sie folgt dem Vorbild Lady Chatterleys.“

      „Vielleicht wissen wir heute Abend mehr. Jetzt sag mal, über was habt ihr euch denn unterhalten?“

      „Unterhaltung kann man das nicht nennen. Ich glaube, es war ihm peinlich, mich zu treffen. Ich hatte das Gefühl, er wäre am liebsten auf der Stelle abgehauen.“

      Regine sagt, ich könne mir nicht vorstellen, wie es ist, mit einem wie Sigmund verheiratet zu sein. Sie ist der Überzeugung, dass er mit zwanzig in seiner Entwicklung stehen geblieben ist. Sie hat alles versucht, um seine weitere Entwicklung doch noch in Gang zu bringen. Sogar zu einem Eheberater hat sie ihn geschleppt, sagt sie, aber irgendwie hat er es immer wieder geschafft, mitten in der Sitzung für eine Viertelstunde ins Klo zu verschwinden. Einmal war Gruppentherapie angesagt, aber weil er am Morgen dieses Tages hohes Fieber bekam, musste er im Bett bleiben. Eine Freundin Regines, die nach ihrer eigenen Scheidung in den Eheberaterberuf einstieg, hat zu ihr einmal gesagt, Sigmunds Problem, wie das aller Männer, die sie kenne, sei, dass er sich kaum bis gar nicht ausdrücken könne. Die Kommunikationsfähigkeit von Männern lasse sehr zu wünschen übrig, aber bei Sigmund sei diese Fähigkeit völlig im Eimer.

      „Wie hast du ihn denn angesprochen?“, fragt sie mich.

      „Ganz einfach, ich bin auf ihn zugegangen und hab gesagt, Ja hallo, sind Sie nicht Herr Himmelreiter? Sigmund Himmelreiter?“

      „Sehr schön! Man kann bei ihm nicht direkt genug sein. Und was passierte dann?“

      „Du hättest sehen sollen, wie er zusammenzuckte. Als hätte der Blitz ihn getroffen. Ich wusste nicht, war er erschrocken, dass jemand ihn ansprach, oder war er entsetzt, weil ich seinen Namen kannte.“

      „Oder du hast ihn an seinen Namen erinnert. Es ist schon mal passiert, dass er seinen Namen vergessen hat. Er sollte beim Zahnarzt ein Formular ausfüllen und er fragte mich, ob er Sigmund oder Siegfried hinschreiben soll. Kein Witz.“

      Irgendwie erinnert mich das an meine dritte Frau, die, bei der ich fast ersoffen wäre. Sie konnte sich bis zu unserer Trennung nicht entscheiden, ob sie Ritter heißen will, ihren Geburtsnamen behalten soll oder einen Doppelnamen führen will, und wenn es ein Doppelname sein muss, ob ihr Geburtsname am Anfang oder hinten stehen soll. „Ich wollte eigentlich nur etwas Smalltalk machen“, sage ich zu Regine, „aber er machte keinerlei Anstalten, mit mir ein Gespräch anzufangen, obwohl ich mich artig vorgestellt hatte.“

      „Wie, artig? Wie hast du dich denn vorgestellt?“

      „Ich sagte, ich bin Hermann Ritter, ich bin mit Regine zusammen. Ich gab ihm meinen vollen Namen, weil ich dachte, er hätte ihn vielleicht schon mal gehört,


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