Aus der Deckung. David Lopez
gleich aussehen. Es ist schon dunkel, aber Straßenlaternen beleuchten den Weg mit orangefarbenem Licht. Alles ist gut zu sehen. Käme jetzt eine Streife vorbei, dann kann ich nur hoffen, dass sie Besseres zu tun hat, sollten sich die Typen nämlich langweilen, wird man kontrolliert. Ich habe ein Zwanzig-Euro-Piece in der Unterhose, zwischen meinem Schwanz und den Eiern. Das Dope ist gut verstaut. Doch anscheinend filzen die Bullen jetzt auch dort. Ich habe keinen Bock darauf, einem Typen mit Taschenlampe meinen Arsch ins Gesicht zu strecken. Deshalb gehe ich etwas schneller und schlage meine Kapuze zurück.
Ixe hat mich um ein Treffen bei seinem Kumpel Romain gebeten, den ich nicht kenne und bei dem ich noch nie war. Kaum habe ich das Tor aufgestoßen, werde ich aus dem Nirgendwo von einem Zweig angegriffen, der mich fast das Auge kostet. Ich stoße ihn heftig zurück, mache eine Ausweichbewegung zur Seite und betrete den Hof, wo ich in einem Pflanzendschungel stehe. Was ein kleiner Vorgarten sein könnte, ist hier ein dorniges Gestrüpp, in dem jeder Busch mit dem anderen um die Vorherrschaft kämpft. Ein unsägliches Chaos. Ein schmaler Weg führt zum Haus, und egal wie schlank man ist, man wird ihn nicht entlanggehen, ohne mit der Jacke an den Dornen hängenzubleiben und über etliche Äste zu steigen. Man muss rund zehn Meter hinter sich bringen, dann steht man vor der Haustür. Eine Machete wäre jetzt praktisch. Links umschlingt der Dschungel das Haus, und wenn das so weitergeht, wird man es bald nicht mehr sehen.
Die Tür ist aus Holz mit einer Glasscheibe in der Mitte, die gesprungen ist, als hätte jemand mit der Faust dagegengeschlagen. Laute Stimmen dringen nach draußen. Aus Sorge, die Glasscheibe sonst vollends zu liefern, klopfe ich sachte. Durch meine Vorsicht bin ich nicht zu hören, zudem lacht drinnen einer aus vollem Hals, und dieses Lachen kenne ich nicht. Auch wenn ich an den hölzernen Rahmen klopfe, dringe ich nicht durch. Und klopfen wie ein Tauber ist nicht meine Sache, das gehört sich nicht.
Hallo, Ixe. Ja, Jonas hier. Wie, was ich will, ich steh vor der Tür. Na klar hab ich geklopft, aber niemand hat drauf reagiert. Ach nee. Alter, wenn ich stärker klopfe, fällt die Tür aus den Angeln. Jetzt mach endlich auf. Nein, deinen Kumpel kenn ich nicht. Los, mach schon.
Trotzdem öffnet mir sein Freund. Mit breitem Grinsen streckt er mir die Hand entgegen: Romain. Jonas, antworte ich. Er ist ein großer, total dürrer Typ, sehr jung, freundlich. Er sagt, komm, komm rein, achte nicht auf das Durcheinander. Leicht gesagt. Dieses Tohuwabohu kann man nur ignorieren, wenn man Blindekuh spielt. Und dann würde man mit den Füßen an etwas hängenbleiben, das herumliegt. Durch die Tür gelangt man in einen Flur, der ins Wohnzimmer führt. Gleich rechts geht eine sehr dunkle Treppe ins obere Stockwerk hinauf. Sorgfältig streife ich die Schuhe ab, verwundert darüber, dass es hier eine Fußmatte gibt, und der Typ sagt, oh, nicht nötig, komm einfach rein. Während ich meine Sohlen abstreife, schaue ich nach vorn ins Wohnzimmer und sehe zwei Typen, die sich mit Poto unterhalten. Den Ersten, dessen Gesicht von einem Lincolnbart gerahmt wird, kenne ich vom Sehen, der andere ist Habib, ein junger Kerl, den ich öfter mal hier, mal dort rumhängen sah. Die Stadt ist klein. Den Blick auf den Boden gerichtet aus Angst, auf etwas zu treten, gehe ich zu ihnen. An der Wand unter der Treppe liegt ein Berg dreckiger Wäsche und an der Küchentür ein Haufen leerer Plastiktüten. Rechts an der Wand lehnt ein Rad von einem Fahrrad.
Hallihallo!, ruft Poto, als er mich ins Wohnzimmer kommen sieht. Wir rempeln uns mit der Schulter. Die beiden anderen stehen von ihren Stühlen auf. Habib sieht aus, als wolle er mich umarmen, aber ich strecke ihm die Hand entgegen. Sein Anhängsel folgt meinem Vorbild, um keine Abfuhr zu kassieren wie Habib. Alles fit, Jungs, und dann wende ich mich Poto zu. Sie sitzen um einen Tisch, der der Esstisch sein könnte, doch dafür braucht man Phantasie. Am anderen Ende des Zimmers steht ein Bildschirm, davor ein Couchtisch mit zwei Sofas im rechten Winkel. Jemand spielt Fußball mit der Konsole. Miskine. Und, was läuft, Jonas, fragt er, als ich bei ihm angelangt bin, läuft fit, antworte ich, und wie ich sehe, hat er ein Aus in seinem Spiel genutzt, um mich mit einer Umarmung und einem breiten Lächeln zu begrüßen, aber nachdem die gegnerische Mannschaft den Einwurf ausgeführt hat, ist er nicht mehr bereit, Neuigkeiten mit mir auszutauschen.
Ich kehre zu Poto zurück, setze mich neben ihn und erkundige mich, wo Ixe steckt. Gärtnert, antwortet er. Stellt sich augenblicklich die Frage, ob das ein Witz ist oder ob er mir damit sagen will, dass Ixe oben mit einer Perle rummacht. Daher sage ich erst mal nichts und lache begriffsstutzig.
Der Tisch ist übersät mit leeren Flaschen und vollen Aschenbechern. Überall liegen Asche und Tabakbrösel herum von den Joints, die gedreht wurden, außerdem hier und da Nieten von Rubbellosen, Hüllen von CDs und Videospielen, auf denen man Joints baut, und ein Teleskopschlagstock. Eine Glastür führt hinaus in den Wintergarten, an den sich ein Garten anschließt. Von hier sieht man, dass die Nacht sehr dunkel ist. Aus dieser Dunkelheit taucht Ixe auf, bei meinem Anblick hellt sich sein verschlossenes Gesicht auf.
Ah, du bist auch da? ’tschuldigung, ich konnte nicht aufmachen, war beschäftigt. Alles klar bei dir? Ich stehe auf und begrüße ihn mit einem Wangenkuss rechts und links. Was treibst du so?, frage ich. Na ja, ich kümmere mich um meine Pflanzen, komm, ich zeig dir was. Wir sind auf dem Weg nach draußen, als er stoppt, wart mal kurz, und zu dem Typen geht, den ich nicht kenne, der den Lincoln trägt und sich gerade einen Joint angezündet hat. Ixe schnappt sich den Joint und zieht sich ’ne Latte rein, und während der Typ ihn einen fetten Bastard schimpft, Scheiße, Bro, hab ihn gerade erst angezündet, mein Erster heute, und so weiter, zieht Ixe ein Piece aus seiner Tasche, wirft es vor ihm auf den Tisch und sagt, da, dreh dir einen, aber geh mir nicht auf den Sack.
Im Wintergarten hängt ein zerbrochenes Rollo an der Glastür bis auf den Boden herunter, draußen beginnt hinter einer kleinen Terrasse ein langer Grünstreifen. Hinter dem Haus sieht es aus wie davor. Dieser Romain kriegt entweder den Arsch nicht hoch oder ist ein Scheißnaturfreak. Auf der linken Seite, wohin Ixe geht, gibt es offenbar doch einen angelegten Bereich. Eine Laube aus Gitterpaneelen, darin ein Busch. Ixe schnappt eine Zweigspitze, die durch das Gitter gesprossen ist, schau dir das mal an, sagt er, und ich sehe ein großes, sehr kompaktes Büschel, das dicht gedrängt grünt und sich bei Berührung fettig anfühlt. Sieht aus wie ein Mini-Tannenbaum. Ich sag, fuck, Mann, und er beginnt zu lachen, er ist Feuer und Flamme. Er beginnt mir alles Mögliche über die Blüte, die Zweige, die Knospen, die Düngemittel zu erzählen. Dabei fällt häufig das Wort kompakt, das ist ihm sehr wichtig. Er spreche auch mit seiner Pflanze, fügt er hinzu, deshalb habe er mir nicht öffnen können.
Wir bleiben ein wenig draußen und bewundern den Busch. Er sagt, er wolle damit keine Kohle machen, das Gras sei nur für uns. Cool, sage ich und frage, ob ich mal von dem Joint ziehen dürfe, den er sich unter den Nagel gerissen hat. Ein gut gestopfter Ofen. Und wer ist dieser Romain?, frage ich. War anfangs nur ein Homie von Poto. Seit seine Eltern tot sind, wohnt er allein in dem Haus. Man weiß nicht, woran sie gestorben sind, nur, dass es letztes Jahr passiert ist. Scheiße, sage ich. Und es stört ihn nicht, wenn du bei ihm anpflanzt? Und Ixe, nee, er findet es gut, klar profitiere ich davon, aber ich kümmere mich auch um den Kleinen, er ist okay. Ich nicke. Ixe ist keiner, der die Leute ausnutzt. Anders als Untel. Und wie geht’s dir?, frage ich. Er antwortet, immer dieselbe Scheiße, Alter, ich hätte Lust, abzuhauen, was anderes zu sehen, echt, ich hab die Schnauze voll, aber gut, was soll’s. Ich seufze, jep, und er schmeißt den Stummel weg.
Miskine spielt immer noch an der Konsole, jetzt zusammen mit Romain. Er schießt einen Freistoß Richtung Tor. Verficktes Spiel, gönnt mir keinen Treffer, flucht er. Poto, Habib und der mit dem Lincolnbart spielen Karten. Aus dem Fehlen eines Kartenstapels und der Anzahl der Karten, die sie auf der Hand haben, schließe ich, dass ich das Spiel nicht kenne. Ixe stellt sich hinter Poto, hey, Poto, sagt er lachend, warum hast du ’ne 8, ’ne 2, ’ne Dame, ’nen Buben, ’ne 7 und ’ne 5? Ich amüsiere mich, während Poto ausflippt, hau ab, Ixe, du nervst, und Habib meint, ach, du hast keinen König, na, dann machst du keinen Stich mehr, während er einen ausspielt. Alle lachen außer Poto, der eine Wiederholung der Partie fordert und sich über Ixe aufregt, ihn einen Kamelkacker nennt, wenn ihn das Rumhängen anpisst, soll er sich gefälligst mit Miskine hinter die Konsole klemmen oder rausgehen und mit den Bäumen quatschen, und währenddessen denke ich, dass ich dieses Spiel garantiert nicht kenne.
Ixe tippt Nachrichten in sein Telefon, und ich zerbrösele meinen Shit. Dabei schaue ich ihnen beim Spielen zu. Dauernd liegen