Kurz angebunden. Peter Franz Schmitt

Kurz angebunden - Peter Franz Schmitt


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gesagt, dass unser Staat dem Treiben tatenlos zusieht. Das Gegenteil ist richtig. Unser Staat ist bei diesem Geschäft ein äußerst aktiver Mitspieler, muss er doch solche Entwicklungen, die ohne Bebauungsplan nicht auskommen, mittragen und mitbeschließen. Dass Luxuswohnen an bestimmten Orten und die dadurch mitbedingte Spekulation lukrativer ist als die Produktion anderer Nutzungen, muss also politisch tatkräftig unterstützt werden von denen, die das Staatsruder in Händen halten und in Bund, Ländern und Gemeinden das Sagen haben.

      Das derzeit billige Geld – selbst eine Folge von Finanz- und Wirtschaftskrise – macht gerade das Bauen von Luxuswohnungen für Spekulanten interessant. Dasselbe billige Geld könnte bei entsprechendem politischen Willen genossenschaftlichen Bauträgern zur Verfügung gestellt werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen bzw. zu erhalten. Der konkurrierende Trend zu Luxussanierung und Luxusbauten müsste durch gezielte steuerliche und sonstige Auflagen so verteuert werden, dass Spekulation wirksam ausgebremst wird. Einen anderen Weg zur Lösung der Wohnungsfrage kann es nicht geben.

      Wer somit als Otto Normalbürger und Mieter eine Partei wählt, die genau dieser neoliberalen Praxis anhängt, handelt gegen seine eigenen Interessen und verarscht letztlich sich selbst. Dabei gilt: An ihren Taten müsst ihr sie messen, nicht an ihren frommen Sprüchen und leeren Versprechungen.

      Scheinparlament

      Jedermann weiß es und dürfte niemanden mehr in Erstaunen versetzen: Eisen schwimmt, wenn man es in Schiffsform aufs Wasser setzt. Verblüffend hingegen immer wieder aufs Neue, was der diskrete Charme der Bourgeoisie hierzulande an korrupter Innovation bewerkstelligt, um die Demokratur in ihrem Sinne zu optimieren. Wer von uns naiven Verfassungsgläubigen etwa hätte auch nur den Zipfel einer Ahnung davon, dass wer in der Bundesrepublik Deutschland anno 2021 in den Bundestag gewählt werden möchte, im Durchschnitt schon mal 50.000,- Scheine, sprich Euro, hinblättern muss, in Bayern schon mal bis zu 100.000,- Euro, um damit den eigenen Wahlkampf zu finanzieren?! Und dies, obwohl die Staatskasse den Parteien jährlich 160 Millionen für Wahlkampfmittel zur Verfügung stellt. Nicht wenige Kandidaten, die diese Mittel nicht aufbringen können, müssen aus diesem Grund zeitig das Handtuch werfen und ihre Bewerbung zurückziehen. Genau dies ist offensichtlich auch gewollt. Denn dank dieses Selektionsmechanismus sind somit die Wohlhabenden im Bundestag unter sich, die paar armen Schlucker, die dort noch rumlaufen, sind nur Alibi. Und dieser feinen Gesellschaft von Begüterten vertrauen wir die Gesetzgebung für dieses Land an. Braucht jemand noch eine Erklärung dafür, dass die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden? Und was außer dummen Ausreden sagen die selbsternannte Gerechtigkeitspartei SPD und ihre ständig neuen Schnellwechsel -Laufstegkandidaten dazu, deren Namen sich merken zu sollen unsere Geduld über Gebühr strapaziert?

      Fremdschämen

      Mein Nachbar tut Dinge, für die ich mich in Grund und Boden fremdschämen muss. Z. B. auf offener Straße wildfremde Frauen aus dem Stehgreif willkürlich anbaggern und nach der Uhrzeit fragen. Dabei ganz offen per Mimik zur Schau stellen, dass die Frage selbstverständlich nur ein Vorwand für gewöhnliche Anmache ist. Geht’s noch?! Wogegen ich mir zu Zeiten, als ich noch auf der Pirsch war, immer tagelang die ausgeklügelsten Diskursmuster ausgedacht und auswendig gelernt habe, bevor ich es überhaupt gewagt hätte, einer Vertreterin des weiblichen Geschlechts unter die Augen zu treten, geschweige gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und offen um ihre Huld zu buhlen.

      Überhaupt ist die richtige Ansprache des imaginierten Zielpersonenspektrums die größte Herausforderung. Die allgemeine Versachlichung des Gefühlslebens gebietet es, jedweden unsachlichen Grund eines Annäherungsversuchs kategorisch auszuschließen. Die plumpe Täuschung, um nicht zu sagen Pseudotäuschung von wegen der Uhrzeit ist erst recht nicht auch nur im entferntesten die feine Art, die zum Ziel führt. Umso bitterer die Erfahrung, dass nicht wenige Damen sich auf diese Täuschungsebene bereitwillig einlassen und einem noch so einfallslosen Gockel spontan ihr Gehör schenken; mehr noch, im Affenzahn gleich Hochzeit feiern, zumindest für eine Nacht. Eine solch kulturlose Barbarei kränkt einen von der Pike auf gelernten Gehemmten wie mich zutiefst.

      Bevor mir jetzt als schnödes Motiv der blanke Neid auf den Erfolg der Baggerstrategen unterstellt wird, gebe ich zu bedenken, dass ich auf die angekreidete weibliche Zielgruppe gar nicht versessen bin. Viel eher könnte ich dankbar sein, dass die Herrn Gockel mir Arbeit abnehmen und eine Art Vorselektion betreiben, so dass am Ende die Bahn freigeräumt ist für die potentiell wahre Begegnung mit der erträumten Auswahl an erlesenen Zielpersonen.

      Wenn nur nicht dieses Fremdschämen wäre für die plumpen Vertreter von meinesgleichen, die nicht lange fackeln und nach der Tabula-rasa-Methode auf Beute aus sind, dabei ständig Erfolg haben, statt zu scheitern.

      Sage einer, ich hätte nicht genügend Magazine gelesen, in denen genau aufgelistet ist, wie man es richtig macht. Meine dezente Anspracheperformance ist so konzipiert, dass Emotionen erst einmal ausgeblendet bleiben, und ich bei der Annäherung zunächst vorab behutsam die Aufmerksamkeit darauf lenke, dass es wohl danach aussehen könnte, als wären nur Vorwände und kein echter Anlass gegeben, gleichwohl aber von einem Anlass gesprochen werden müsse, indem gerade diesen zu beanspruchen ich mir die Freiheit mit Verlaub genommen hätte, wenn sie verstünde, was ich damit anzudeuten meinte. Auf keinen Fall wünschte ich eine Auskunft über die Uhrzeit, zumal mir die Zeit ihrer augenblicklichen Gegenwart als keiner real existierenden Uhrzeit kompatibel dünkte. Wenn die Dame dann einlenken und zu erkennen geben sollte, dass eine dermaßen anstrengende Serpentinenstrecke zum Ziel nicht in ihrem Sinne sei, habe ich die Wahl zwischen einem enttäuschenden Direkterfolg einerseits, d. h. dem flachen Genuss eines vorzeitigen mühelosen Gelingens – ein Bergsteiger dürfte kaum erpicht sein, einen Urlaub im Flachland zu verbringen – und andererseits den enttäuschenden Tantalusqualen der vergeblichen Anstrengung. Tritt ersteres ein, habe ich mir wenigstens die Last des Fremdschämens ein wenig auf Abstand gehalten.

      Spiel mir das Lied vom Tod

      Jeder kennt die lustigen Buchbesprechungen in der Sendung „Druckfrisch“ von Dennis Scheck, wo diejenigen zu Bestsellern hochgehypten Neuerscheinungen des Büchermarkts, die in den Augen des telegenen Kritikers keine Gnade finden, effektvoll auf ein Transportband geworfen werden, von wo sie abwärts rollend mit deutlichem Plumps in einem Abfallcontainer landen.

      Da ich hin und wieder auch Drehbücher schreibe und mir über TV-Formate Gedanken mache, kam mir die Idee, dieses Format auch auf andere Produkte unserer Zivilisation zu übertragen. Warum auf diese Weise nicht auch zum Beispiel Autos mit diversen Konstruktionsmängeln einer kritischen Verbraucheröffentlichkeit vorstellen?! Da der Unterhaltungswert im Vordergrund steht, darf Sachlichkeit gern mit komischen Elementen vermischt werden. Als moderierenden Kritikerclown könnte ich mir beispielsweise Wigald Boning vorstellen, der seine seriösen Expertenkommentare in sein Klobürsten-Mikrofon spricht, während hinter ihm eine imposant aufgereihte Phalanx von Fahrzeugen auf ihre Bewertung wartet. Wichtig vor allem – das Ganze nicht etwa in einem Lagerhallenambiente, wie noch bei Dennis Scheck, sondern unbedingt draußen im Freien. Besser gesagt: auf einem schroffen Felsplateau unmittelbar am steilen Abgrund des Grand Canyon, während eine tiefstehende Sonne den Horizont in strahlendem Abendrot erglühen lässt. Hin und wieder ein Kameraschwenk himmelwärts, wo ein einsamer Bartgeier seine Kreise zieht, akustisch untermalt vom Soundtrack aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“, der jedes Mal ertönt, wenn der Daumen nach unten zeigt und der spektakuläre Höhepunkt der Performance erreicht wird.

      Der Höhepunkt der Performance wird nämlich dann erreicht, wenn der Conferencier oder dessen Stuntman zur Tat schreitet, indem er ein als nicht ganz so hochwertig eingestuftes Vehikel mit Schwung an die Kante des Abgrunds fährt, im letzten Moment abspringt, und die Kamera dem unglücklichen Gefährt beim Sturz in die Tiefe folgt, bis es krachend aufschlägt und das Wrack in tausend Teile zerspringt.

      Dennis Scheck möge mir verzeihen, dass ich die Wirkungseffekte seines Das-kann-weg-Formats somit quasi abgekupfert, wenn nicht gar schnöde übertrumpft habe. Nähere Details, was ich mir 14 Tage nach diesem grandiosen Einfall beim Gespräch mit dem Intendanten des Senders an Vorwürfen anhören musste, möchte ich dem Leser allerdings gern ersparen. Wie weit die mafiöse Macht der Autoindustrie in diesem Lande tatsächlich reicht, erkennt man schon an der regierungsamtlichen Duldung der Abgasmanipulationen.

      Abdrücke


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