Kurz angebunden. Peter Franz Schmitt
der Ostsee durfte ich mal wieder einer Fußentspannung frönen. Bei schönstem Sonnenwetter genoss ich das Barfußlaufen direkt am Ufersaum und ließ den nassen Sand den Abdruck meiner Füße formen. Sowas bereitet mir ein nahezu kindliches Vergnügen, und ich schaue ab und zu hinter mich, wie um zu überprüfen, ob die plastischen Tiefreliefs meine Füße auch immer schön regelmäßig abbilden. Weniger schön dabei die plötzlich aufkeimende Erinnerung daran, wie einst in Knabenjahren der katholische Schulpfaffe ein perverses Vergnügen darin fand, mein Gesicht auf ähnliche Weise den Abdruck seiner feisten Patschehand formen zu lassen. Man musste damals nicht unbedingt zu den Regensburger Sängerknaben gehören, um dieser verbreiteten Form von Körperkontakt teilhaftig zu werden. Immerhin bot mir der Pfaffe dabei Gelegenheit, seine Zunft von ihrer charakterologischen Seite her bestens kennenzulernen. Möglicherweise aber, man soll ja nichts ausschließen, ging es ihm um eine unbewusste Hilfestellung auf meinem frühen Weg zum entschlossenen Atheisten. Was wiederum gewissermaßen zu seinen Gunsten spräche. Tenor: Man soll die Dinge ja positiv sehen.
Diverse Wählerbeschimpfungen
* Gemeint sind selbstredend ausnahmslos die Nichtleser dieses Buches
Wenn ihr erst alle eure lächerlichen Hometrainer demnächst ausrangiert und mit dem sperrigen Zeug all eure Keller vollgestellt habt, werdet ihr am Ende merken, dass man Dummheit nicht muskulär abtrainieren kann. Und noch eins: Wenn ihr über ein halbes Jahrhundert lang immer wieder nur ein und dieselbe größte oder zweitgrößte Partei wählt, wozu dann überhaupt wurde die Monarchie abgeschafft?!
Die kühne Behauptung, dass Gras auch dann nicht schneller wächst, wenn man daran zieht, erfreut sich einiger Beliebtheit. Kaum jemand würde auch nur eine Sekunde zögern, das Leben seiner Großmutter darauf zu verwetten, dass die Behauptung zutrifft. Obwohl der eindeutige Beweis hierzu noch nie erbracht worden ist. Es lebe das Vorurteil.
Weisheit der Stadtindianer
Adressiert an alle helmtragenden Fahrradwegbenutzer, Ampelgrünstraßenüberquerer, Festnetztelefonierer, Kaltduscher, Hosenträgerverstecker, Kirchentagsbesucher und Yoghourtbecherdeckelablecker:
Wenn ihr erst alle erdenklichen Moraltugenden vorbildlich erfüllt habt, werdet ihr früher oder später feststellen, dass ihr auch damit das Problem der Sterblichkeit nicht gelöst habt.
Frühsport
Erinnert sich noch jemand an jene unseligen Zeiten, als das in Adenauersklerose vor sich hin siechende deutsche Dampfradio popkulturell noch längst nicht so angloamerikanifiziert war wie heutzutage und es allmorgendlich diese ominösen gymnastischen Frühsportsendungen mit sterbenslangweiliger Klavierbegleitung im UKW-Funk zu hören gab?! Eine resolute Stimme kommandierte „eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, und ausatmen, die Arme wieder lockern, und wieder den Oberkörper seitwärts beugen, und wiederholen. Und noch mal von vorne.“ Dazu wie gesagt eine an Banalität nicht zu überbietende froschartig plump hüpfende Klavieruntermalung mittels sich quälend wiederholender stereotyper C-Dur Dreiklänge. Stets übertönt von jener freundlich auffordernden Kommandostimme „das Ganze im Takt, und wieder von vorn, und ausatmen.“ Die gesamte Darbietung verströmte ein niederschmetternd deprimierendes Odium der Langeweile, dass einem regelrecht schlecht davon werden konnte. Es reichte einem ja schon, dass das musikalische Ressort des Rundfunks den Eindruck einer geschlossenen Anstalt zur musealen Erhaltung von Wiener Hofoperette und wilhelminischhitlereskem Kasernenhoffröhlichkeits- und Offizierskasino- respektive Tanzteegedudel erweckte. Die Frühsportdarbietung wiederum hatte das Ambiente, als ob die Nation auf einmal zu einer einzigen Ballettschule für Schwerstrheumatiker mutiert sei. Für den von bleibender Traumatisierung bedrohten unfreiwilligen Mithörer, und das war man ja damals in der engen elterlichen Wohnung, hatte die täglich kläglich geklimperte Performance allemal eine schmerzliche Einbuße an Lebensqualität zur Folge, jedenfalls für mein Empfinden. Um genau zu sein: Sie war im wörtlichen Sinne dermaßen tödlich langweilig, dass sogar Sterbende auf ihren Sterbebetten sich mit ihrem Ableben beeilten und schleunigst den letzten Atemzug taten, um dieser Zumutung zu entkommen.
So lernte ich jedenfalls schon im frühen Knabenalter, Durdreiklänge zu verabscheuen, um in einem Aufwasch auch gleich mit dem Thema Sport abzuschließen.
Seltsame aber glückliche Begegnung mit der Blue Bajou Jazzband
Es gibt Tage, da leide ich nicht an Konzentrationsschwäche, wohl aber an dem Phänomen, dass ich Humor und Ernst nicht recht unterscheiden kann, was gelegentlich zu Verwicklungen führt. Wohlgemerkt ist dies zum Glück nicht die Regel, nur an manchen Tagen muss ich mich vor mir in acht nehmen.
So passierte es mir neulich auf der Landstraße, dass ich mich rasch einem vor mir fahrenden Kleinbus näherte und zum Überholen ansetzte, als ich am Heck des Wagens einen Aufkleber bemerkte mit der Aufschrift: Fahren Sie ruhig auf, ein kürzeres Auto wäre mir ohnehin lieber.
Da ich ein Mensch bin, der nur äußerst selten jemand einen Wunsch abschlagen kann, tat ich wie mir geheißen und beschleunigte mein Fahrzeug, um bei straffem Sitzgurt ungebremst auf das Heck aufzufahren.
Die Wucht des Aufpralls wurde durch die Knautschzone des Vordermanns beinahe sanft aufgefangen, und das Ergebnis der Verkürzung konnte sich sehen lassen. Trotzdem schien es, als habe der Fahrer nie damit gerechnet, dass sein Wunsch je in Erfüllung gehen würde, ja er wirkte regelrecht undankbar und wollte meinen selbstlosen Einsatz partout nicht würdigen.
Ich musste ihm sogar dringend abraten, die Polizei herbeizuzitieren. Auch diese Berufsgruppe hat bekanntlich ihre humorlosen Tage und könnte die leichtsinnige Aufforderung des Aufklebers zu seinen Ungunsten auslegen.
Bevor sich die Erregung steigerte und am Ende gar in Handgreiflichkeiten ausarten konnte, stiegen plötzlich 6 ältere gesetzte Herren aus dem Kleinbus, und ohne die geringste Miene zu machen, sich an dem Diskurs zu beteiligen, hatten sie plötzlich diverse Instrumente in den Händen und fingen entschlossen zu jammen an. Keine Frage, die Herren waren unterwegs zu einem Auftritt und nutzten die Fahrtunterbrechung dazu, um sich warmzuspielen. Wir beide, der mit dem verkürzten Vehikel und ich, lauschten fasziniert und beruhigten dadurch unsere aufgepeitschten Gemüter. Ja man glaubt es kaum, zum Schluss kam es sogar zu regelrecht herzergreifenden Verbrüderungsszenen. Alle umarmten sich, auch die anfangs etwas reservierten Musiker, und versprachen, einander bald wiederzusehen, vielleicht schon beim nächstbesten Auftritt der Blue Bayou Jazzband.
Wichtige INFO zum Themenkreis “Schwabenwitze“
Wer hätte wohl an sowas gedacht. Die berüchtigten Schwaben, die Berlin in den letzten Jahren immer mehr heimsuchen, um den Alteingesessenen in den attraktivsten Stadtvierteln die Wohnungen unterm Hintern wegzukaufen, sind im Grunde genommen nur Rückkehrer, die nach 1500 Jahren Diaspora im Bausparerländle nunmehr wieder ihrer angestammten Heimat zustreben. Dazu ein Zitat aus der Geschichte Berlins: „Im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. verließen große Teile der germanischen Stämme das Gebiet um Havel und Spree und wanderten in Richtung Oberrhein nach Schwaben. Im Berliner Raum nahm daher die Besiedlungsdichte ab, er blieb aber von germanischen Restgruppen besiedelt.“ (Zitat Ende)
Die Metamorphose von der ehemals rohen unkultivierten Berliner Schnauze zum arrivierten Feinkost-Maultäschle findet somit ihre historischlogische Erklärung. Fehlt jetzt nur noch einer, der es dem heutigen Berliner erklärt, dass der an den Prenzlauer Berg zurückgekehrte Schwabe nicht nur einen Kulturimport bedeutet, sondern, wenn man so will, daselbst Fleisch vom eigenen Fleische ist und quasi einen legitimen Anspruch darauf hat, dass dem Rückkehrer Platz gemacht wird. Ich verwette allerdings meinen WüstenrotBausparvertrag, dass dies keinen interessiert.
Dringende Durchsage
Verehrte Hörer, wir unterbrechen die Sendung wegen eines dringenden Aufrufs:
A c h t u n g F a l s c h f a h r e r ! !
Auf der A 1 in Fahrtrichtung Nord zwischen Holdorf und Lohne-Dinklage kommen Ihnen ca. fünftausend R i c h t i g f a h r e r entgegen.
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Blue Bajou Jazzband und I.S.
Angesichts der dringlichen Problematik der sich weiter ausbreitenden Masernseuche