Zu neugierige Mörder: 9 Krimis. Karl Plepelits

Zu neugierige Mörder: 9 Krimis - Karl Plepelits


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Mühe und Not diese Distanz schafft. Er muss sehen, dass er sofort wieder zurückfliegt. Nein, das, was jetzt zu tun ist, tun wir. Ha, die Yacht und mein Kapital abschleppen, das könnte denen so passen! Ich wette, das ist Hals Werk. Er macht jetzt sein Geschäft allein.“

      „Oder dieser Baron macht es. Dem traue ich das auch zu“, erklärte Gus.

      „In einer Stunde fliegen wir, nein, noch eher. Ich ziehe mich an, dann wird gestartet. Martin soll schon warmlaufen lassen!“

      „Sollen wir Kanister mitnehmen?“, fragte Gus.

      „Ja, gute Idee. Vier bis fünf werden genügen. Und vergesst nicht, Martin zu sagen, dass wir Zusatztanks brauchen!“

      *

      Sie waren ungeschoren mit dem Schlauchboot durchgekommen. Le Beau hatte vom Schiff aus die gesamte MP-Munition verbraucht, um die Haie abzulenken. Alle waren heil an Bord. Mackenzie und Le Beau befassten sich mit dem Schiff, während James den Anker lichtete. Der Motor donnerte los, und Le Beau stand im Ruderhaus, als hätte er nie etwas anderes getan.

      Als der Baron und Dolly zu ihm kamen und die beiden Kisten hereintrugen, sagte Le Beau: „Mir war vorhin, als hätte ich ein Flugzeug gehört. Das habe ich schon vorher mal gemeint, aber dann war es still. Gesehen habe ich nichts, weil ich euretwegen auf die Haie achten musste. Es ist nichts zu erkennen. Wenn es wirklich in der Nähe gewesen ist, dann fliegt es jetzt sonstwo.“

      Der Baron antwortete nicht, sondern winkte James. „Das MG kommt hinters Ruderhaus. Ich rechne mit Besuch, James. Bleiben Sie auf dem Posten, ich lasse Ihnen genug zu essen nach oben schaffen. Aber achten Sie auf Boote und Flugzeuge.“

      „Wieso, glaubst du, dass ...“, wollte Le Beau fragen.

      Der Baron nickte und wandte sich Le Beau zu. „Wir haben Enrico Brassis Kapital, und wir kennen sein Geheimnis. Es ist gut möglich, dass du dich vorhin nicht verhört hast. Ich meine nämlich auch so etwas gehört zu haben. Und das bedeutet Besuch. Bald, denke ich. Wir nehmen übrigens Kurs auf Great Inagua. Robert soll mal ausrechnen, ob wir bis Matthews Town durchkommen.“

      Robert tauchte bald auf. Er hatte nicht nur den Treibstoffbedarf errechnet, sondern wusste auch, dass sie für vier Wochen Nahrung für alle an Bord hatten, Trinkwasser für drei Wochen und eben Treibstoff für gut sechshundert Seemeilen.

      Dolly ging nach unten, kam dann mit einem Tablett voller Frühstück für James und Le Beau zurück, und außerdem berichtete sie, Mrs. Dacombe sei eingeschlafen, Jenny bereite Mackenzie ein Frühstück, und Mackenzie sei dabei, die Ventile zu ölen.

      „Gut, Dorothee, geh wieder hinunter und zeig dich nicht an Deck. Du kannst mit Jenny Mrs. Dacombe versorgen oder Essen machen. Aber komm nicht nach oben!“

      „Und warum nicht?“

      „Ich erwarte Besuch.“

      Sie betrachtete James und das inzwischen aufgebaute MG, das himmelwärts zeigte. „Ein Flugzeug?“

      „Vielleicht auch eine Yacht oder dergleichen. Wir müssen aufpassen. Und sag Mackenzie nichts von dem, was wir mit an Bord gebracht haben.“

      Dolly warf ihm einen liebevollen Blick zu und ging.

      Le Beau blinzelte ihr nach und sagte seufzend: „Auf dieser Insel, die ein Irrer Liebesinsel genannt hat, konnte sichß einer von uns einen Goldfisch an Land ziehen, was?“

      „Meinst du mich?“, fragte der Baron schmunzelnd.

      „Frag doch nicht so! Aber die Kleine hat Klasse. Wenn sie nur nicht so schrecklich intelligent wäre.“

      „Ich halte das für einen Vorzug.“

      Le Beau schüttelte den Kopf. „Nein, nicht bei Frauen. Wenn die anfangen, richtig zu denken, fallen sie einem von früh bis spät auf den Wecker. Da ist mir so ein dummer Schnuckel wie Jenny lieber.“

      „Jenny ist von Mackenzie einkassiert worden. Oder hast du das nicht bemerkt?“

      „Ein Wort von mir, und sie lässt ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.“

      „Spar dir dieses Wort bis zum nächsten Hafen auf, Le Beau. Ärger ist jetzt das letzte, was wir gebrauchen können.“

      *

      54

      Sie waren zu dritt. Martin, ein ehemaliger TWA-Pilot, der wegen Rauschgiftsucht gefeuert wurde, flog die Cessna. Er war ein ausgemergelter, knochiger Mann um die Vierzig mit dem Blick eines hungrigen Hundes und strähnigen braunen Haaren.

      Neben ihm saß Gus auf dem Kopilotensitz. Das mit Ladetrommeln ausgerüstete MG ruhte vor ihm in einem Gestell. Gus brauchte nur das Seitenfenster aufzuschieben und konnte bei entsprechender Fluglage schießen. Alles war dafür eingerichtet, und Gus wusste mit der Waffe umzugehen.

      Hinten auf einem der beiden Rücksitze saß Brassi. Er hielt sich an den Lehnen der Vordersitze fest, starrte an Martins Kopf vorbei nach vorn, wo der Propeller der Cessna rotierte.

      Unter ihnen lag wie ein endloser silbergrüner Teppich das Meer. Von hier oben aus konnten sie die hellen Stellen der Untiefen um die Riffe erkennen. Aber nirgendwo war ein Schiff zu entdecken.

      „Wie weit noch?“, fragte Brassi ungeduldig.

      „Wir müssen die Insel gleich sehen“, erwiderte Gus.

      „Da vorn, das ist sie doch!“, meinte Martin mit kehliger, hohl klingender Stimme.

      Sie sahen den weißen Kranz der Dünung um den dunklen Klotz im Wasser. Aber das alles lag noch ein gutes Stüde weg. Weiter rechts entdeckte Gus plötzlich einen weißen Punkt vor hellem Kielwasser.

      „Die Yacht!“, rief er.

      „Erst zur Insel! Die Yacht kriegen wir immer noch. Ich muss wissen, was Hal losgelassen hat!“, befahl Brassi.

      Ein paar Minuten später senkte Martin die Nase der Cessna, und sie flogen die Insel an.

      „Nicht so schnell, du Idiot! Ich will mal sehen!“, rief Brassi und presste das Gesicht an die Scheibe, um alles noch besser erkennen zu können.

      „Was sind das für Erdhaufen?“, fragte er. „Ich meine diese Flecken am Rande der Hochfläche.“

      „Sieht aus wie Gräber“, erwiderte Gus, der ebenfalls hinabsah.

      „Gräber? Hal legt doch keine Gräber an! Wenn er die anderen ins Meer schmeißt, kommen die Haie. Das genügt doch.“

      Martin zog einen Halbkreis um die Insel.

      „Das Beiboot von der Yacht“, sagte Gus, „die Kammer ist offen. Da liegt was daneben!“

      „Ja, Boss, die Trümmer von Kisten. Die Kammer ist ausgenommen worden wie eine Weihnachtsgans.“

      „Hal, dieses Schwein! Aber wir machen ihn zu Haifutter! Martin, der Yacht nach!“ Brassi warf einen wilden Blick auf Gus. „Los, schieb deine Musspritze aus dem Fenster und mach dich fertig! Und wehe, du triffst nicht!“

      Gus nickte lächelnd und wandte sich an Martin. „Du weißt ja, wie du es machen musst.“

      Martin nickte nur, dann zog er die Maschine wieder höher. Gus sah nun die weiße Yacht winzig klein fast, am Horizont. Aber die Cessna rückte näher. Martin hielt die Maschine in beträchtlicher Höhe, legte Geschwindigkeit zu und war nach einigen Minuten schon über der tief unten im Meer pflügenden Yacht.

      „Ich hoffe, du gehst etwas tiefer, wenn Gus was ausrichten soll“, knurrte Brassi.

      „Und wenn die Yacht dabei zum Teufel geht?“, fragte Gus. „Es ist schließlich Ihr Boot, Boss.“

      „Die Yacht ist versichert, Mensch. Säg sie in Stücke!“

      „Gus, ich gehe jetzt ’runter!“, erklärte Martin.

      „Mach bloß keinen Sturzflug, dann bist du gefeuert!“, drohte Brassi, dem schon flau im Bauch wurde, als sich


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