.
seiner Automatic in der Schulterhalfter. Dann nahm er einen kurzen Anlauf und sprang direkt gegen die Hausmauer.
Mit den Fingern langte er über sich und hing an einem weit vorstehenden Sims, an dem der Zahn der Zeit schon weidlich nagte, das sich für seine Absichten jedoch hervorragend eignete.
Er vollführte einen Klimmzug und hob seinen Körper in die Höhe, während ihm der morsche Putz durch die Finger rieselte.
Mit der Linken ließ er los und griff nach einer Reklametafel, auf der die verwitterten Reste eines Sonnyboys mit strahlendem Lächeln zu erkennen waren. Wofür der Bursche in früherer Zeit geworben hatte, ließ sich nicht mehr ergründen.
Bount Reiniger hing jetzt schief in der Luft. Er ließ sich seitlich hin und her pendeln, und in einem günstigen Augenblick wechselte auch die rechte Hand ihren Haltepunkt. Dadurch gelangte er ungefähr um einen Fuß höher. Er half mit kräftigem Schwung noch etwas nach, und nun gelang es ihm, sich auf das Sims zu setzen.
Was danach folgte, war – sportlich gesehen – ein Kinderspiel. Bount Reiniger zog die Beine hinterher und stellte sich auf. Es knirschte bedenklich unter seinen Schuhsohlen, doch die Verzierung hielt.
Er musste sich ziemlich weit recken, um das offene Fenster zu erreichen. Unangenehmer Geruch schlug ihm entgegen. Von Sauberkeit schien man nur dort etwas zu halten, wo dafür gezahlt wurde, und selbst das war nicht sicher.
Früher wurde das Fenster von einem stabilen Eisengitter gesichert, doch das war längst von jemandem, der diesen Ausgang als hilfreich erkannte, aus der Mauer gerissen worden. Niemand hatte es seither ersetzt.
Bount Reiniger sprang federnd auf den gefliesten Fußboden. Die Bodenplatten waren locker und ließen einen ärgerlichen Laut hören.
Für einen Augenblick verhielt Bount, doch nichts geschah.
Von unten drang Lärm herauf. Betrunkene Stimmen mengten sich in das Gequake der Musikbox. Hier oben war alles still.
Ein flüchtiger Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er nicht mehr viel Zeit verlieren durfte.
Er schlich zur Tür und spähte auf einen dunklen Gang, auf den lediglich von der Treppe her ein schwacher Lichtschein fiel.
Bount Reiniger verfügte über einen sehr guten Orientierungssinn. Er wusste genau, welche Tür zu dem Fenster gehörte, das er die ganze Zeit vom Rambler aus beobachtet hatte.
Er huschte über den Gang und drückte die Klinke herunter.
Die Tür war verschlossen.
Das überraschte ihn nicht, aber es ärgerte ihn. Nun wurde er wieder einige Minuten aufgehalten.
Normale Türschlösser stellten für Bount kein Problem dar. Ob es sich um ein normales handelte, würde sich gleich herausstellen. Andernfalls musste er sich etwas anderes überlegen.
Kessy sah offensichtlich keinen Grund, ihr Zimmer besonders zu sichern. Nur wenn sie sich selbst darin befand, beinhaltete es etwas von Wert. Der Meinung war sie selbst, und alle Männer, die sie gut genug kannten, konnten das bestätigen.
Bount hatte also Glück, und es dauerte nicht mehr als zwei Minuten, bis er das Hindernis überwunden hatte.
Rasch schlüpfte er in den dunklen Raum und zog die Tür hinter sich zu. Nun musste er sie wieder ordnungsgemäß verschließen, damit Kessy, wenn sie mit Jil Fernay hochkam, keinen Verdacht schöpfte.
Natürlich durfte er dafür kein Licht machen, doch das war auch nicht notwendig. Ob er das Schlüsselloch von außen sah oder nicht, blieb sich schließlich gleich.
Die Zuhaltungen gehorchten den Befehlen seines Drahthakens, und als er diese Arbeit beendet hatte, atmete er auf. Nun kam es nur noch darauf an, dass der Gangster sich mit dem Bargirl einig wurde.
Bount Reiniger entschied sich dafür, direkt hinter der Tür Aufstellung zu nehmen. Von dort aus konnte er Jil Fernay am sichersten überrumpeln, ohne dass die Frau gefährdet wurde.
Er würde sie sicher rechtzeitig hören, wenn sie die Treppe herauf und den Gang entlangkamen.
Doch plötzlich wurde er unruhig. Obwohl er nicht das leiseste Geräusch vernommen hatte, wurde er das Gefühl nicht los, dass er sich nicht allein in dem fremden Zimmer aufhielt. Irgend etwas warnte ihn.
Er wollte sich ducken, doch da war es schon zu spät. Etwas Hartes donnerte gegen seinen Schädel, und er brachte nicht einmal mehr die Hand an seine Automatic.
6
Bount Reiniger verlor nur für einen kurzen Moment das Bewusstsein. Doch er reichte aus, um ihn auf die Verliererstraße zu bringen. Trotz aller Vorsicht war er hereingelegt worden.
Das Licht flammte auf.
Bount rollte sich blitzschnell zur Seite, weil er mit mindestens einem neuen Hieb rechnete.
Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er Jil Fernay. Der Killer stand breitbeinig da und hielt eine Luger in der Hand.
Offenbar hatte der Gangster nicht ihn erwartet, sondern irgendeinen Freier von Kessy.
„Reiniger?!“, stieß er überrascht hervor und richtete augenblicklich seine Pistole auf den am Boden liegenden Detektiv. „Ich glaube nicht, dass du scharf auf Kessy bist.“
„Ich hatte noch nicht das Vergnügen“, gab Bount zu. „Daher kann ich das nicht beurteilen.“
„Aber auf mich bist du scharf, wie?“ Jil Fernay grinste gehässig. Er hatte ein Babygesicht, doch der äußere, sanfte Eindruck täuschte. Vielleicht war ihm aus diesem Grund der große Coup gelungen.
„Auf dich bin ich scharf, Fernay“, gab Bount Reiniger zu. „Im Grunde bin ich ja auf jeden Mörder scharf, doch bei dir kommen noch ein paar Goldstücke hinzu.“
„Demnach hat es diesen Idioten in der Tiefgarage erwischt. Warum musste er mir auch in die Quere kommen. Ich dachte, du seist es, Reiniger. Sonst hätte ich dich nämlich dort schon erledigt. Aber auf die paar Stunden kommt es ja nicht an. Ich kann es mir nicht erlauben, dich laufen zu lassen. Du bist mir zu gefährlich. Zu lästig, möchte ich besser sagen.“
„An lästige Begleiter müssen sich Lumpen wie du gewöhnen“, wandte Bount ein.
Jil Fernay trat ihm mit der Schuhspitze in die Seite. „Nimm dein Maul lieber nicht so voll! Immerhin hast du die Möglichkeit, schnell und gnädig oder schön langsam und mit Genuss zu krepieren. Der Genuss ist dabei natürlich auf meiner Seite, das versteht sich wohl von selbst.“
„Ich weiß noch eine dritte Variante“, sagte Bount Reiniger, während er angestrengt überlegte, wie er aus dem Schlamassel herauskommen sollte.
„Nämlich?“
„Du lässt dein Spielzeug fallen und ergibst dich. Selbst wenn du mich abservierst, bekommst du keine Ruhe. Die GDC ist ziemlich sauer auf dich, und sie wird solange einen neuen Detektiv anheuern, bis sie dich endlich hat. Je länger es dauert, um so stärker wächst dein Schuldkonto. Wenn du also jetzt gleich aufgibst, wirkt sich das bestimmt positiv auf dein Strafmaß aus.“
„Möchte wissen, von welchem Strafmaß du faselst? Ich habe nicht die Absicht, jemals vor einem Richter zu erscheinen. Ich habe ausgesorgt und kann mich überall dort niederlassen, wo mich niemand sucht.“
„Im Großen und Ganzen mag das stimmen“, gab ihm Bount recht. „Die Sache hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Du musst erst noch dein Gold holen. Ich weiß genau, dass es noch nicht in den Staaten ist.“
„Du bist ein kluges Kerlchen, Reiniger. Doch selbst wenn du die genaue Stelle wüsstest, würde dir das nicht mehr helfen. Wenn du diesen Raum verlässt, bist du mausetot. Und ehe die GDC mitkriegt,dass es dich nicht mehr gibt, bin ich längst über alle Berge.“
„Da würde ich nicht so sicher sein. Denke nur mal an deine Freunde. Warum, glaubst du, habe