Zu neugierige Mörder: 9 Krimis. Karl Plepelits
glatt ein, und du könntest mich in einen Ameisenhaufen legen, ohne dass ich etwas spüren würde.“
„Lieber nicht!“ Er kicherte erwartungsvoll und kippte seinen Schnaps.
Linda schenkte sofort nach, und er trank gehorsam und völlig automatisch.
„Nehmen wir die Flasche mit?“
„Wohin?“
Sie verzog ihre Lippen zu einem Schmollen. „Hast du schon wieder vergessen? Wir wollten doch an Deck gehen. Wir könnten es uns in einem der Boote gemütlich machen. Da sieht uns kein Mensch. Natürlich müssen wir uns ruhig verhalten.“
„Natürlich!“, bestätigte er lahm.
Sie nötigte ihm ein drittes Glas auf und schob ihn zur Tür.
„Sieh nach, ob die Luft rein ist, Darling!“
„Warum?“, wunderte er sich.
Sie schüttelte bekümmert den Kopf. „Bist du wirklich so naiv? Für dieses Extra verlangen sie von dir glatt den doppelten Preis.“
„Meinst du?“
„Todsicher. Und ich sehe keinen Cent davon.“
Carlos grinste. Er fingerte eine Fünfzigdollarnote aus seiner Brusttasche und schob sie Linda Rogers in den Ausschnitt.
„Damit die Gerechtigkeit wiederhergestellt ist“, erklärte er vergnügt. Sein Atem ging keuchend. Seine Augen traten etwas hervor.
Linda fühlte seine Finger auf der Haut. Sie nahm sich gewaltsam zusammen. Er durfte keinesfalls ihren Abscheu merken. Deshalb seufzte sie schmachtend, obwohl sie ihm tausendmal lieber die Whiskyflasche über den Schädel gezogen hätte.
„Du bist süß“, wisperte sie und versorgte ihn mit dem vierten Schnaps.
Carlos öffnete die Tür und blickte hinaus.
„Niemand zu sehen“, stellte er zufrieden fest.
„Dann los! Aber leise!“
Der Hagere zog sie hinter sich her.
Sie folgte willig.
Zum ersten Mal sah sie den Kutter von außen. Sie war bewusstlos gewesen, als man sie hergebracht hatte.
Viel konnte sie nicht erkennen, denn es war ziemlich finster. Zum Glück!
„Kein Vollmond“, flüsterte Carlos enttäuscht.
„Das macht nichts. Auf alle Fälle ist es hier draußen hübscher als in der engen Kabine. Hast du noch Durst?“
Er wehrte ab.
„Hinterher wieder, Linda. Wo sind die Boote?“
„Achtern.“
Er gluckerte. „Du bist ja eine richtige Wasserratte. Jetzt lass mal sehen, was du sonst noch für Qualitäten besitzt!“
Sie folgte ihm willig.
„Ich sehe kein Boot“, stellte er fest.
Sie zeigte zur anderen Seite und lief ein Stück voraus.
Carlos folgte ihr hastig und stolperte prompt über das Tau, das Linda Rogers genau gesehen hatte.
Er fluchte.
Linda aber lief weiter. Sie sah die Lichter, die die Freiheit bedeuteten. Sie sahen nach Atlantic Beach aus.
Der Kutter war zum Glück nicht allzu hoch. Aber sie wäre auch aus dem zehnten Stockwerk ins Wasser gesprungen.
Hinter ihr murrte Carlos, der Schwierigkeiten mit seinen schweren Beinen hatte und ihr nicht zu folgen vermochte.
Sie sah sich um. Außer Carlos war niemand hinter ihr, und der ahnte ihre wahre Absicht noch nicht.
Es musste klappen!
Noch sechs Schritte, dann konnte sie springen.
Jetzt!
Sie stieß sich vom Deck ab doch brutale Fäuste zerrten sie zurück. Schläge prasselten in ihr Gesicht.
Sie schleiften sie in ihre Kajüte zurück.
Doch das Schlimmste kam erst.
Sie warfen sich aufs Bett und rissen ihr den Fetzen vom Leib.
Mickey stand vor ihr und spielte mit seinem Messer.
Währenddessen zog sich René aus.
Linda Rogers schrie, doch niemand hörte sie hier draußen. Und die sie hörten, waren Frauenschreie auf dem Kutter gewöhnt.
8
Bount Reiniger rieb sich zufrieden die Hände und gönnte sich eine Pall Mall. Der Fall Jil Fernay war endlich zum Abschluss gekommen. Endlich hatte er dem Gangster das Handwerk legen können.
Sein Auftraggeber, die Gold and Diamond Company, hatte sich mit seiner Arbeit zufrieden gezeigt, zumal es ihm gelungen war, auch noch das Goldversteck in Erfahrung zu bringen.
Das Honorar war nicht kleinlich bemessen, und June March strahlte ihn an, weil er ihr eben eröffnet hatte, dass sie sich als in Urlaub befindlich betrachten dürfte.
Das Telefon läutete.
„O nein!“, seufzte die Blondine. „Wenn ich den Kerl erwische, der diesen Teufelsapparat erfunden hat, breche ich ihm sämtliche Knochen.“
„Das wird Toby sein“, beruhigte sie der Detektiv. „Sicher will er sein Lob über mich ausschütten.“
„Ausgerechnet Toby Rogers!“, zweifelte die Volontärin. „Der beißt sich doch lieber die Zunge ab, als dass er zugibt, bei der Jagd auf den Killer Jil Fernay deine Hilfe in Anspruch genommen zu haben.“
„So ist Toby nicht“, verteidigte Bount Reiniger den Leiter der Mordkommission und hob gleichzeitig den Hörer ab.
Es war aber nicht Toby Rogers. Das erkannte June March mühelos an Bounts wenig begeistertem Gesicht.
„Wieso brauchen Sie dafür einen Detektiv?“, fragte er mürrisch. „Können das nicht Ihre Leute abholen? Der Ort ist jetzt bekannt. Ich habe Ihnen die Karte, die ich bei Jil Fernay fand, übergeben. Alles andere ist nur noch eine Routineangelegenheit. – Nein, natürlich nicht, Mister Digger. Die Privatdetektive gehören zu den Ärmsten der Armen und freuen sich über jeden Auftrag. Aber auch die Allerärmsten haben Anspruch auf ein paar Tage Urlaub. Ich bin doch noch gar nicht dazugekommen, Ihr letztes Honorar auszugeben. – Nein, eigentlich schwebten mir die Bahamas vor. – Sie haben völlig recht. Dort drüben soll es auch ziemlich mollig sein. – Wen? Ich werde sie fragen, aber ich fürchte, sie präsentiert mir die Kündigung, wenn ich ihr das zumute. – Okay, Mister Digger, ich komme sofort bei Ihnen vorbei. – Wie? Das Ticket haben Sie schon besorgt? Sie sorgen tatsächlich wie ein Vater für mich. Also, bis gleich!“
Er legte auf.
June March musterte ihn angriffslustig. Dann wandte sie sich ab und spannte einen Bogen in ihre Schreibmaschine.
„Was hast du vor?“, erkundigte sich Bount Reiniger.
„Ich tippe meine Kündigung, wie du prophezeit hast.“
Bount lachte gequält.
„Warum nimmst du nicht einfach eine von den letzten und änderst nur das Datum? Außerdem gebe ich dir überhaupt keinen Grund dafür. Gib du dich nur unbesorgt dem eigennützigen Vergnügen hin, während dein Boss unter arabischer Sonne schuften muss.“
„Unter welcher Sonne?“
„Arabischer, mein blonder Engel. Die GDC hat anscheinend einen Narren an mir gefressen.“
„Was anderes kommt bei dir auch kaum in Frage“, fand June respektlos. „Du