Zu neugierige Mörder: 9 Krimis. Karl Plepelits
„Wie stellst du dir das Ganze vor?“
Fernay grinste erfreut. „Aha! Der Herr kommt langsam zur Vernunft. Ganz einfach! Mein Freund Boiler, der sich gerade angeregt mit unserem Captain unterhält, sorgt dafür, dass die Maschine an einem Platz heruntergeht, an dem man uns keine Falle stellen kann. Die Wüste eignet sich hervorragend dafür, denn wir können das ganze Gebiet meilenweit überblicken. Wir schlagen den Burschen ein Mordsgeschäft vor. Für ein jämmerliches Geländefahrzeug, das bereitzustehen hat, bieten wir eine fast neue Boeing einschließlich Inhalt. Mit einer kleinen Ausnahme. Den Privatdetektiv Reiniger möchten wir noch eine Weile behalten. Der wird mit uns eine kleine Spritztour unternehmen, weil er ja das Goldversteck kennt.“
„Und danach?“
„Was soll danach sein?“
„Was wird aus mir, wenn ihr das Gold habt?“
In Bark Fernays Augen flackerte es teuflisch auf.
„Das hängt wiederum von dir ab. Wenn du uns keine Schwierigkeiten machst, machen wir dir auch keine. Du bist ja angeblich ein heller Kopf und schlägst dich schon irgendwie durch. Mit zurück nehmen wir dich natürlich nicht.“
„Warum habt ihr eigentlich nicht gewartet, bis ich mit dem Gold zurückkomme?“, wollte Bount Reiniger wissen, obwohl er sich die Antwort denken konnte.
„Es erschien uns unwahrscheinlich, dass die GDC einen Batzen Gold im Wert von sechshundert Riesen nur von einem einzelnen Mann mit einer achtunddreißiger Automatic bewachen lässt. Außerdem ist es leichter, so ein Ding in der Wüste zu drehen, als zum Beispiel auf dem John F. Kennedy Airport, wo man uns gleich schnappen würde. Ich bin nicht so dämlich wie mein armer Bruder, musst du wissen. Der hat es dir zwar schon schwer genug gemacht, aber an mir beißt du dir die Zähne aus.“
„Ich hätte große Lust, es darauf ankommen zu lassen“, gab Bount wütend zurück. Er fühlte die Ohnmacht, wollte sie aber nicht zugeben.
„Einverstanden!“, erklärte der Luftpirat. „Hugh! Serviere dem Herrn bitte eine Leiche!“
Der mit Hugh Angeredete steckte seine Handgranate in die Tasche zurück und ließ seinen Blick über die Sitzreihen gleiten. Er war sich nicht schlüssig. Am Liebsten hätte er wohl gleich alle abgeknallt.
Endlich traf er aber doch seine Wahl.
Er zerrte eine weißhaarige Frau von ihrem Sitz, die fassungslos zu schluchzen begann.
Ihr Mann, der neben ihr saß, schoss in die Höhe und wollte sich auf den Gangster stürzen, doch dieser fegte ihn mit einem brutalen Schlag zurück.
„Du kommst schon auch noch an die Reihe“, sagte er kalt. „Nur ein wenig Geduld. Mister Reiniger sorgt schon dafür.“
„Reiniger?“ Bob Randy fuhr wie elektrisiert auf. Diesen Namen brachte er seit zwei Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Aber sicher handelte es sich hier lediglich um eine Namensgleichheit.
Hugh schleifte die Frau bis zum Cockpit.
„Damit es alle sehen können“, erklärte Bark Fernay gleichgültig.
Die Passagiere packte Entsetzen. Viele wandten sich ab und hielten sich die Ohren zu, um die Detonation nicht hören zu müssen.
Bount Reiniger musste sich schnell entscheiden. Vielleicht blufften die Halunken nur. Einen Mann zusammenzuschlagen und eine alte, wehrlose Frau wie einen tollwütigen Hund abzuknallen, waren zwei verschiedene Dinge.
Aber wenn sie es doch taten, dann hätte er den Mord verhindern können, zumal er sich beim nächsten Mal ohnehin geschlagen geben musste.
Hugh zog die Frau in die Höhe und hob den Revolver.
„Hört auf, ihr Teufel!“, schrie Bount. „Lasst die Frau in Ruhe! Ich weiß, wann ich verloren habe.“
13
Die Sonne blinzelte in das kleine Fenster. Ihre Strahlen fielen auf einen Haufen verzweifelter, aufgelöster Menschen.
Linda Rogers atmete schwer.
René wollte ihr eine Injektion verpassen, doch sofort war der Luftpirat Jeff bei ihm und schlug ihm das Etui aus der Hand.
„Hast du noch nicht genug?“, schrie er. „Ich habe dich gewarnt.“
René zuckte erschrocken zurück. Er war bisher gewohnt gewesen, Prügel auszuteilen. Selbst eingesteckt hatte er selten welche. Er konnte sich mit den vertauschten Rollen nicht recht anfreunden und nahm sich schon jetzt vor, jeden Hieb, den er erhalten hatte, seine späteren Opfer büßen zu lassen.
Sein Gesicht sah verquollen aus. Er hasste in diesem Moment Mickey, der ihn zwar bedauernd ansah, dem aber die Schadenfreude aus den Augen blitzte.
„Sie braucht die Injektion, Mister“, murmelte er. „Sie ist krank.“
„Krank? Du wirst auch gleich krank sein, du Mistkerl. Aber unheilbar. Oder hast du schon mal einen gesehen, der mit ’ner gebrochenen Wirbelsäule noch viel Spaß am Leben hatte?“
„Sehen Sie selbst nach! Es ist wirklich nur eine Spritze in dem Etui. Es ist Insulin.“
Jeff blickte fragend zu Bark Fernay hinüber.
Dieser pickte.
„Dann mach gefälligst schnell!“, fauchte Jeff.
René beeilte sich, die Nadel anzusetzen und das Serum in die Vene der Teilnahmslosen zu jagen.
Das hätte ihm noch gefehlt, wenn das Mittel nachgelassen hätte. Wenn das Luder erst seine geistige Lähmung abschüttelte, konnte das unbequeme Komplikationen geben. Das durfte erst geschehen, wenn sie sie ordnungsgemäß bei dem Scheich abgeliefert hatten. Wie sie sich bei dem gebärdete, war ihm egal.
Linda Rogers sank wieder zurück. Von dem ganzen bisherigen Flug hatte sie nichts mitbekommen.
In Bob Randys Kopf jagten sich die Gedanken. Inzwischen wusste er mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei Mr. Reiniger, auf den die Luftpiraten scharf waren, um jenen Detektiv handelte, für den die Kugel gedacht war, die seinen Vater tötete. Und wieder waren seinetwegen über hundert Menschen in akute Lebensgefahr geraten.
Der Mann war offenbar dazu bestimmt, Unglück zu bringen. Wenn er nicht gewesen wäre, könnte sein Vater noch leben.
Bob Randy wusste instinktiv, dass er in diesem Punkt ungerecht war, aber er brauchte einen Menschen, an dem er seinen Hass entladen konnte.
Was die Gangster von Reiniger wollten, hatte er nicht gehört, dazu saß er zu weit entfernt. Er hatte nur mitgekriegt, dass der Detektiv klein beigegeben hatte, als die alte Frau vor aller Augen erschossen werden sollte.
Inzwischen waren ungefähr zwei Stunden vergangen. Die Maschine raste längst über Nordafrika.
Wie würde dieses Abenteuer enden? Hielten die Verbrecher ihr Wort und ließen alle anderen Passagiere frei? Oder dachten sie sich eine neue Teufelei aus.
Der wachsblonde Mann hinter ihm sah ganz schön strapaziert aus. Bob Randy brachte ihm aus zweierlei Gründen eine gewisse Sympathie entgegen. Erstens hatte er bis jetzt am meisten unter der Gewalttätigkeit der Gangster zu leiden gehabt. Zweitens war er der Bruder der Kranken und kümmerte sich rührend um sie. Seltsam, dass ihm das bleiche Mädchen nicht gleichgültig war. Lag es nur daran, dass er so lange kaum Umgang mit Frauen gehabt hatte? Oder steckte etwas anderes dahinter?
Bount Reiniger hatte mehr als einen unfreundlichen, ja, fast hasserfüllten Blick des jungen Mannes aufgefangen. Er ahnte, dass er ihm die Schuld für diesen Zwischenfall gab. Die eigentlichen Beweggründe konnte er nicht wissen.
Die Luftgangster hatten sich während der letzten beiden Stunden zurückgehalten. Zwar ließ ihre drohende Haltung nicht nach, aber es kam zu keinen weiteren Brutalitäten. Ein paarmal war einer zum Cockpit gegangen.