Zu neugierige Mörder: 9 Krimis. Karl Plepelits

Zu neugierige Mörder: 9 Krimis - Karl Plepelits


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      12

      Boiler hatte nicht geblufft.

      Kaum war er mit der Stewardess im Cockpit der Düsenmaschine verschwunden, als zwei Männer gleichzeitig um eine Erfrischung baten.

      Susy konnte sich nur um einen kümmern. Dem war offensichtlich schlecht geworden.

      „Kommt denn niemand?“, beklagte sich der andere. „Mir ist hundeelend. Ich glaube, die Wurst war nicht mehr ganz astrein.“

      Susy fürchtete, dass er mit seinem Geschrei die ganzen Passagiere aufweckte und betätigte von der Kochnische aus einen Knopf. Damit rief sie Leila.

      Die Schwarzhaarige kümmerte sich sofort um den Ungeduldigen. Freundlich beugte sie sich zu ihm herab.

      „Ihnen ist nicht gut, Sir?“, erkundigte sie sich.

      „Jetzt geht es mir schon wieder prima, Puppe!“, fauchte der Mann und riss sie zu sich herunter. Bevor sie schreien konnte, hielt er ihr den Mund zu und bohrte ihr einen Revolver in die Seite.

      Susy ging es nicht anders. Erst jetzt wurde klar, dass die beiden Männer, obwohl sie weit voneinander getrennt saßen, in Wirklichkeit zusammengehörten.

      Und noch einer gesellte sich dazu. Ein knochiger, zäher Typ mit glitzernden Augen. Er entschied sich für keine der Stewardessen, sondern für einen Mann, der friedlich schlief.

      „He! Aufwachen, Reiniger! Sonst erlebst du einen Traum, wie du ihn dir noch nie ausgemalt hast.“

      Bount war sofort munter. Reflexartig fuhr seine Hand zur Halfter, doch der auf ihn gerichtete Revolver belehrte ihn, dass es momentan kaum etwas Ungesünderes geben würde.

      Er kannte den Kerl nicht, der seinen Namen wusste. Da er aber von den Passagieren der einzige war, der bedroht wurde, handelte es sich bestimmt um keinen Zufall.

      „Damit erst gar keine falschen Vermutungen aufkommen, Reiniger“, fuhr der Luftpirat fort, „die Maschine befindet sich in unserer Hand. Captain Howard fliegt bereits unseren Kurs.“

      „Und wo endet der?“, erkundigte sich Bount. Er war längst hellwach.

      „Jedenfalls nicht in Djidda. Irgendwo in der Wüste. Ein geschickter Pilot bringt so einen Vogel überall heil herunter. Das hängt allerdings ausschließlich von uns beiden ab.“

      „Ich bin neugierig“, gab Bount Reiniger zu. Noch immer entdeckte er keinen Sinn in dieser Aktion.

      „Von mir, weil ich seit zwei Minuten an Bord das Sagen habe, und von dir, weil du parieren wirst. Parieren oder krepieren. Das klingt ähnlich, hat aber ganz unterschiedliche Wirkung.“

      Der Gangster, amüsierte sich über seinen Witz.

      Längst war man bei den Fluggästen aufmerksam geworden. Stimmen wurden laut. Eine Frau schrie hysterisch auf und glitt vom Sitz.

      „Lasst das Theater!“, brüllte einer der Piraten. „Wir sind es, die diese Vorstellung inszenieren.“

      Der schwitzende Dicke in der hinteren Reihe lachte irre vor sich hin. Ihm wurde bewusst, dass er die Verbrecher noch unterstützt hatte. Aber sicher wäre dieser angebliche Fluglaie auch ohne seine Hilfe bis ins Cockpit vorgedrungen.

      Bount Reiniger verschaffte sich gedankenschnell einen Überblick, und der fiel ziemlich hoffnungslos aus. Außer dem Kerl, der ihn mit seiner Taschenkanone bedrohte, gehörten noch die beiden Typen zu dem Verein, die die Stewardessen überwältigt hatten und nun jeder mit einem Revolver und einer Handgranate sämtliche Fluggäste in Schach hielten. Wie viele Gangster sich im Cockpit aufhielten, hatte er nicht mitbekommen, weil er eingeschlafen war. Er rechnete mit einem oder höchstens zweien.

      Er hatte es also mit vier oder fünf Gegnern zu tun.

      Er war schon mit einer stärkeren Übermacht fertig geworden. Damals zum Beispiel, als er zwischen die Banden von Greg Füller und der roten Sandy geraten war. Sechzehn Mann und eine Frau waren es gewesen, und außer einem Steckschuss im Oberschenkel war ihm nichts passiert.

      Allerdings befanden sie sich da nicht in einer Höhe von zwanzigtausend Fuß, und es waren auch nicht über hundert unschuldige Menschen dabei.

      Der Knochige hatte ihm die Automatic abgenommen.

      „Wie fühlt man sich so nackt, Reiniger?“, erkundigte er sich.

      „Beschissen!“, erwiderte Bount grob, aber wahrheitsgemäß.

      „So hat sich Jil vermutlich auch gefühlt, als du ihn erledigt hast.“

      „Jil?“ Bount Reiniger stutzte. „Jil Fernay?“

      „Ich bin sein Bruder Bark.“

      Bount staunte. Dann grinste er. „Ausgeschlossen! Bark Fernay sitzt in Boston und atmet gesiebte Luft.“

      „Schon mal was von vorzeitiger Entlassung gehört, Reiniger? Bei dringenden Familienangelegenheiten kommt so was vor.“

      Der Detektiv überlegte fieberhaft. Es war natürlich durchaus möglich, dass er den Bruder Jil Fernays vor sich hatte. Er hatte sich nicht erkundigt, ob seine Entlassung dicht bevorstand. Ihm hatte es genügt, ihn in Boston zu wissen. Damit stand fest, dass er ihm bei der Jagd auf seinen Bruder nicht in die Quere kommen konnte.

      „Was sind das für Familienangelegenheiten?“, fragte er. „Deinem Killerbruder kannst du nicht mehr helfen. Oder willst du ihn etwa freipressen? Das sollte mich wundern, denn er hat nicht gerade in heißer Liebe von dir gesprochen.“

      „Das kann ich mir denken“, erwiderte der Knochige. „Jil war schon immer ein Mistkerl. Für mich ist der gestorben. Verstorbene Verwandte soll man aber beerben. Also melde ich meinen Anspruch an.“

      „Worauf?“

      „Auf das Gold natürlich. Was hast denn du gedacht, warum wir uns ausgerechnet diese blödsinnige Route ausgesucht haben? Ich habe was läuten hören, dass mein innigst geliebter Bruder dir sein Geheimnis anvertraut hat. Du bist jetzt unterwegs, um den Schatz für die GDC zu heben, und wir wollen dir dabei helfen.“

      „Denk dir nichts!“, sagte Bount ruhig. „Nicht jeder schöne Plan kann funktionieren.“

      „Der hier schon“, versicherte Bark Fernay.

      Er warf einem seiner Komplizen einen aufmunternden Blick zu, und dieser fragte: „Wen?“

      „Ist egal“, gab Fernay gleichgültig zurück. „Nur anschaulich soll es sein.“

      Er grinste teuflisch, und das gleiche Grinsen hatten auch die beiden anderen Luftpiraten auf den Lippen.

      Der eine riss den Mann hoch, vor dem er gerade stand. Er schlug ihm die Faust ans Kinn und donnerte den Griff des Revolvers hinterher.

      Zwei Frauen schrien.

      In Bount Reiniger bäumte sich alles auf. Wenn er nur sein eigenes Leben riskiert hätte, wäre er dem Geprügelten, ohne zu zögern, zu Hilfe geeilt, doch das würden wieder Unschuldige büßen müssen. Deshalb hielt er zähneknirschend still und hoffte, dass die Karten nicht immer so ungünstig verteilt sein würden.

      Auch Mickey, der mitansehen musste, wie sein Kumpel zusammengeschlagen wurde, kochte vor Wut. Allerdings dachte er keine Sekunde daran einzugreifen. Er war froh, dass er am Fenster und nicht am Gang saß. Sonst hätte es womöglich ihn getroffen.

      Linda Rogers bekam von allem kaum etwas mit. Jedenfalls saß sie völlig apathisch in ihrem Sitz und starrte vor sich hin.

      Bob Randy beobachtete das Mädchen besorgt. Er wusste, dass es krank war. Hoffentlich erlitt es durch diese Aufregung keinen zusätzlichen Schaden.

      „Das war erst die Einleitung, Reiniger“, meldete sich Bark Fernay. „Beim nächsten Mal nimmt Jeff nicht nur die Fäuste. Er kann nämlich auch schießen. Wir werden irgendein Opfer bestimmen.


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