Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht

Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht


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dritten Pinnchen Jules Auto ausborgen und zu Lorenzo ins Krankenhaus fahren wollte. Dafür erntete er ein müdes Lächeln von Vero, die ihn erst einmal ins Haus schickte, damit er endlich den Ausweis seines Neffen holte.

      Für Vero war es vollkommen klar, dass sie Enzo zu seinem Neffen fahren würden. Jule war das nicht ganz so klar gewesen, sie hätte ihm eine Fahrt im Taxi durchaus alleine zugetraut. Und eigentlich hatten sie ja auch etwas vor, wobei die Planungen für den heutigen Abend eigentlich nicht einschlossen, einen alten Italiener ins Krankenhaus zu begleiten, damit dieser seinen Neffen besuchen konnte.

      Was mochte Lorenzo angestellt haben? Wahrscheinlich hatte er sich nur äußerlich verändert und war derselbe Kindskopf geblieben wie mit achtzehn. Da hatte er auch allen möglichen Blödsinn gemacht. Womöglich hatte er irgendetwas gegessen, was diesen allergischen Schock ausgelöst hatte, wie Vero vermutete.

      Ihre Cousine damit alleine zu lassen, war aber auch keine Option. Es würde ja wohl nicht ewig dauern, Enzo mal eben zum Krankenhaus zu fahren. Und wenn sie schon einmal unterwegs waren, würden sie wahrscheinlich auch irgendwo eine Pizza auftreiben können, für den Biergarten war es dann nämlich zu kalt.

      3

      Während der Autofahrt haderte Enzo aber noch einmal mit seinem Schicksal: Nachbarn nicht da, Auto nicht da, überall Blumen gießen bei diesem heißen Wetter und dann noch der Neffe mit Blaulicht im Krankenwagen. Unmittelbar vor der Abfahrt hatte er noch einen vierten Obstler gekippt, Aber immerhin war es Jule gelungen, ihn davon zu überzeugen, sich ein Hemd überzuziehen, sodass sie doch noch mit einiger Würde im Krankenhaus ankamen.

      „Wo lotst du mich hin, Vero? Das Krankenhaus ist da!“ Jule zeigte auf die andere Straßenseite.

      „Ja. Aber da ist der Parkplatz!“

      „Ach, und ich dachte wir fahren vor und sind gleich wieder weg. Wir hatten doch noch was vor…“ Jule hatte gehofft, Enzo einfach vor dem Krankenhausportal aussetzen zu können.

      „Nein Enzo, keine Sorge, wir begleiten dich hinein. Ich will ja auch wissen, ob ich mit meiner Diagnose richtig gelegen habe.“ Auf Jules Einwand ging Vero überhaupt nicht ein. Vielen Dank auch.

      Enzo packte Vero, küsste sie schmatzend auf die Stirn und schob ab.

      „Das wäre jetzt nun nicht nötig gewesen …“ Vero wischte sich über die Stirn und zog die Mundwinkel nach unten. „Bäh, der Kerl hat eine Fahne!“ Sie grinste Jule an. „So und jetzt will ich wissen, was Lorenzo gefressen hat!“ Und stürmte los.

      Jule ergab sich in ihr Schicksal und trabte hinterher. Ob Lorenzo sie wirklich erkannt hatte? Ob er sich noch erinnerte? Unwahrscheinlich. Hoffentlich.

      Enzo war bereits am Tresen der Notaufnahme angekommen und redete auf eine Krankenschwester ein. Die runzelte die Stirn und fragte: „Sind Sie der Vater? Können Sie sich ausweisen?“

      „Nein, Onkel.“ Enzo kramte umständlich seinen Ausweis aus der Tasche und verkündete laut und voller Stolz. „Sogar Patenonkel.“ Die Information war offenbar nur mäßig wichtig. Nach einem Blick auf Enzos Namen ratterte die Krankenschwester auf Italienisch los.

      Man schien sich tatsächlich auf das Italiener-Wochenende eingerichtet zu haben. Jule riss erstaunt die Augen auf, zuckte resigniert mit den Schultern und suchte sich seufzend einen Sitzplatz im wunderbar ungemütlichen Wartebereich der Notaufnahme, durch den gerade eine Reinigungskraft mit einer Mischung aus Golfauto und Kehrmaschine tuckerte und eine nasse Spur sowie einen Geruchsschweif aus Desinfektionsmittel hinter sich her zog. Ein leichter Grundton aus abgestandenem Alkohol und Schweiß ließ sich damit aber nicht vertreiben, sondern behauptete sich hartnäckig, kaum dass die Maschine zehn Meter entfernt war.

      Vero aber wollte die Krankenschwester aber nicht einfach so davonkommen lassen. Hinsetzen und Abwarten war nicht ihr Stil. Sie stellte ein paar Fragen, die in Jules Ohren wirklich kompetent klangen, von Anaphylaxie war die Rede, von halluzinatorischem Irgendwas, dann von Dosierungen und Diagnosen. Doch die Krankenschwester bellte nur. „Habe ich Ihrem Vater schon gesagt!“

      „Das ist nicht mein Vater und ich spreche, Entschuldigung, kein Italienisch. Können Sie das bitte für mich noch einmal wiederholen?“

      „Wer sind Sie überhaupt, wenn Sie nicht dazugehören?“

      „Ich bin die Nachbarin, ich habe die Sanitäter gerufen und über den Schock in Kenntnis gesetzt. Und dann habe ich den Onkel des Patienten mit den Ausweisen hierhergebracht.“ Vero holte mit gehobener Augenbraue tief Luft. „Und jetzt sagen Sie mir bitte, was los ist.“

      Ihre Ruhe war nur äußerlich, soviel war Jule klar.

      „Warten Sie. Arzt kommt.“

      „Wann etwa???“

      „Warten!“

      Vero schloss die Augen, dreht auf dem Absatz um und setzte sich zu Jule. Ja, es gab sicherlich schönere Arbeitsplätze als die Notaufnahme zur Oktoberfestzeit, aber in Sachen Dienstleistung und Kundenfreundlichkeit konnte dieses Krankenhaus wohl noch eine Menge dazulernen.

      Enzo zuckte erschrocken zusammen, als das Handy, das Jule vom Gartentisch genommen und ihm die Hand gedrückt hatte, aufleuchtete, vibrierte und klingelte. Noch ein Klingeln. Enzo hielt es von sich weg. „Iste nichte meine telefonino! Gehörte Lorenzo.“ Und wieder klingelte es.

      „Wer ist Stefano?“

      Enzo sah Veronika verwirrt an. „Lorenzos Freund, iste hier mit ihm. Wieso?“

      Auch Jule deutete jetzt auf das Display des aufgeregten Handys. „Der will was. Vielleicht gehst du mal ran … “

      Die Krankenschwester sah bereits wenig erfreut zu ihnen hinüber.

       „Pronto.“

      Vom Gespräch verstanden Vero und Jule kaum ein Wort. Hin und wieder fielen Namen, dann das Wort Ospedale, ansonsten redete Enzo ebenso gestenreich als ob er diesem Stefano gegenüberstehen würde. Dann beendete er das Gespräch und ließ das Handy sinken. „Die habe gewartet auf Lorenzo, jetzt sie gehe ins Bierzelt ohne ihn.“ Das war ganz sinnvoll, denn so bald würde Lorenzo wohl nicht dazu stoßen können. „Sagte, eh, Stefano, keine Netz für telefonino auf die Wiesn. Iste gegange in pizzeria jetzt. Kann telefoniere da.“

      „Da fällt mir ein: Enzo, ist der Lorenzo eigentlich verheiratet?“

      „Wie kommst du denn jetzt darauf? – Und wieso willst du das wissen …?“ Jule hob die Augenbrauen und sah ihre Cousine streng an.

      „Herrgott, Jule! Ich meine, ob wir irgendwen anrufen müssen! Um seine Familie zu benachrichtigen, dass er im Krankenhaus ist.“

      „No, nicht verheiratet iste. Alle dachte, dann nichte, große Streit. Ah, povero! Iste gekomme wieder nach Bolzano zu mámma, zu nonna, nach Unfall mit Bruder und jetzte immer so viele Arbeite mit neue Job, dann daheim alleine.“ Er seufzte tief. „Aber Schwester hat trattoria bei Bahnhof, kann er essen da.“ Enzo nickte still. „Iste gut, das.“

      Trattoria am Bahnhof klang zwar nicht sehr nahrhaft, aber tröstlich. In jeder Hinsicht, fand Jule.

      „Oddio! Meine Bruder, meine Schwägerin! Oh, sie werde sein erschrocke, werde verfluche Enzo. Ah!“ Er war ein einziger Seufzer und versank augenblicklich in stiller Melancholie.

      „Haben sie in dieser Familie so ein schlechtes Verhältnis zueinander?“, flüsterte Jule.

      „Also eigentlich nicht – soviel ich weiß. Aber ich weiß, dass Enzo ein bisschen zur Dramatik neigt …“

      Enzo blickte treuherzig zu ihnen hinüber. „Rufe an, später. Von daheim … “

      Vero grinste. „Enzo, du willst dich drücken.“

      „Nein! Habe Nummer nichte auswendig.“ Er deutete auf das Kartentelefon am Ende des Gangs. Er lächelte ein wenig stolz auf seinen Einfall, mit dem er sich drücken konnte.

      „Enzo, du


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