Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht

Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht


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wieder!“

      „Ja, ja“, meinte Veronika. „Meine Mutter würde auch einen Nervenzusammenbruch kriegen, wenn irgendwer mit meinem Handy aus dem Krankenhaus anrufen würde …“

      „Hat er vielleicht eine Freundin? Dann können wir die anrufen.“

      „Sara.“

      „Sollen wir die anrufen? Ich schau mal nach der Nummer.“ Veronika griff sich das Handy. „Geburtstag?“

      Enzo sah sie verwirrt an.

      „Enzo, wir müssen das Handy entsperren. Die meisten Leute nehmen ihren Geburtstag als Pin. Also, Enzo: Wann hat Lorenzo Geburtstag?“

      „Siebte Dezember.“

      Stimmt, das hätte Jule auch noch gewusst. Seltsam, an was man sich erinnerte nach so vielen Jahren.

      „Hmmm, nullsiebenzwölf oder zwölfnullsieben?“, murmelte Veronika und tippte. Und strahlte.

      Jule sah ihr über die Schulter. „Oh, in den Kontakten sind drei Saras!“ rief sie. „Enzo, weißt du, wie die mit Nachnamen heißt?“

      Er schüttelte bedauernd den Kopf, war sich offenbar immer noch nicht sicher, ob das so richtig war, was sie da machten.

      „Wir gucken uns diese Saras jetzt mal an, dann kannst du uns sagen, wer es ist.“

      Sara Vascotto war der klassische Italo-Vamp mit langen schwarzen Haaren, wissendem Blick und Ferrariroten Lippen. Ein echter Hingucker. So aus männlicher Perspektive … Absolut möglich, dass das die Freundin war.

      Aber erstmal weiter. Sara Taschler hatte als Profilbild einen Buddha-Kopf mit qualmenden Räucherstäbchen. Nun ja. Aber andererseits: Keine Ahnung worauf Lorenzo so stand.

      Die dritte Sara hatte keinen Nachnamen. Und sie war sehr, sehr süß. Sah zwar nicht viel älter aus als zwanzig, aber sie hielt einen Kussmund in die Kamera und sah ziemlich glücklich aus. Also sehr wahrscheinlich Lorenzos Freundin.

      „Enzo, ist das die hier?“

      „No!“ Er saß plötzlich wieder ganz gerade. „Non e la ragazza! No!“

      Ach Gott, warum war er jetzt so aufgeregt?

      „Nein, Giulia! Iste kleine Tochter von meine Bruder Piero!“

      Jule überlegte kurz. „Also Lorenzos Cousine. Deswegen kein Nachname.“

       „Certo!“

      Na gut, die schied schon mal aus. „Welche von den anderen beiden?“

      Achselzucken. „Habe nie gesehe …“

      Jule rollte mit den Augen und Vero schlug vor: „Vielleicht rufst du dann mal besser doch mal Lorenzos Eltern an und die kann dann ja der Freundin Bescheid geben.“

      „Weißt du was, Enzo“, beschloss Vero. „Nimm einfach mein Handy. Und die Nummer holen wir aus Lorenzos Telefonbuch.“ Sie schaltete es an und reichte es ihm hinüber.

      „Dürfe das?“

      „Enzo, das ist ein Notfall! Sieh nach unter M wie Mámma.“

      Enzo tippte. „Fantástico! Da iste Nummer …“

      „Wählen!“

      Enzo erzählte einem gewissen Sergio, vermutlich seinem Bruder, wortreich, was passiert war, zuckte immer wieder mit den Achseln.

      Vero ging vor lauter Langeweile und Bewegungsdrang ein paar Mal hin und her, blieb dann aber plötzlich wie angewurzelt stehen und blickte auf. Es öffnete sich wie von Zauberhand die Tür zu den Untersuchungsräumen. Heraus trat ein Arzt. Nicht etwa ganz in weiß, sondern in OP-blau. Er hielt in der linken Hand die OP-Mütze, die rechte hatte er lässig in die Hosentasche gesteckt, der Dreitagebart nur unwesentlich kürzer als die Haare. Plötzlich grinste der Arzt amüsiert und schlenderte auf Enzo zu. Ein Lichtblick: Dieses Krankenhaus beschäftigte nicht nur schlechtgelaunte Menschen!

      Enzo steckte das Handy in die Tasche und fiel dem Arzt um den Hals, wurde aber sehr bald ein wenig auf Abstand gehalten, prüfend angesehen und dann zugetextet. Natürlich Italienisch. War ja auch nicht anders zu erwarten gewesen, dachte Jule. Hatte sie bis vorhin noch daran gezweifelt, ob sie vor lauter Lederhosen hier an diesem sagenumwobenen Italiener-Wochenende überhaupt irgendeinen Italiener zu Gesicht bekommen würden, so hatte sie nun mehr davon um sich herum als ihr im Moment lieb war.

      Als der Arzt nun herüberschaute, nachdem Enzo mehrmals achselzuckend Unwissen gestikuliert und dann zu ihnen gezeigt hatte, besann sich auch Vero ihrer guten Erziehung und streckte die Hand zur Begrüßung aus.

      „Buona sera.“ Soweit reichte ihr Pizzeria-Italienisch noch.

      „Grüß Gott. Ich bin Dr. Russo. Mit mir müssen Sie nicht Italienisch sprechen, ich bin Münchner.“ Eine überflüssige Information. Schon nach wenigen Worten konnte man hören, wo er aufgewachsen war, die bayrische Herkunft konnte er nicht verleugnen. „Mein Vater und Herr Bertolini waren Arbeitskollegen, daher kennen wir uns“ erklärte er. „Und Lorenzo kenne ich auch schon lange. Gut, dass Sie ihn sofort hergebracht haben. Ich glaube, ein bisschen mehr von dem, das er gegessen hat, und der wär’ jetzt nicht mehr!“

      „Oh! Der Arme, mein Gott, wie schrecklich!“ Jule war beeindruckt. Sie schlug die Hände vor den Mund und starrte den Arzt mit großen blauen Augen an. „Ach so, ich bin Juliane Baumann, guten Tag.“

      Vero war schon wieder einen Schritt weiter. „Was also hm, was hat äh … Lorenzo denn hm … Giftiges gegessen? “

      „Ja, das! Wenn wir’s genau wüssten! Obwohl: Es war wohl doch keine Lebensmittelvergiftung.“

      „Ach nein?“, unterbrach Veronika. Auf seinen irritierten Blick hin ergänzte sie: „Ich kenne mich ein bisschen aus. Wissen Sie, ich habe mal ehrenamtlich als Tripsitter beim Roten Kreuz gearbeitet.“

      Russo lächelte. „Ah, sehr gut.“ Schon waren sie Kollegen. „Also, wir haben ein Drogenscreening gemacht. Ja, und das war positiv. Das entspricht auch dem, was Sie beide den Sanitätern an Symptomen berichtet haben, also erweiterte Pupillen, erhöhte Herzfrequenz, Speichelbildung, Übelkeit und Erbrechen. Aber was er genau konsumiert hat, wissen wir noch nicht. Also nichts, was man so alle Tage findet. Deswegen soll er auch über Nacht hierbleiben.“

      „Nimmt der regelmäßig was? Hat der früher mal Drogen genommen?“

      Der Arzt hob unwissend die Schultern. „Soweit ich weiß nicht, aber … Enzo: Tu sai?“

      „Madonna! No!“ Enzo war verzweifelt, rang die Hände, ging auf und ab.

      „Äh, ja und jetzt?“, wollte Jule wissen. Im Grunde wollte sie, dass der Arzt sie wegschickte, denn der Krankenhausbesuch war ja nicht das Freitagabendprogramm, das sie sich vorgestellt hatte.

      „Wir haben ihn zum Ausnüchtern in ein leeres Zimmer gebracht. Ist ja nicht lebensbedrohlich bei ihm. Gut, dass die Dosis nicht höher war und dass er ansonsten fit und gesund ist.“

      „Wie nur irgendwo abgelegt? Mehr nicht?“ Jule war jetzt doch ein bisschen entrüstet. Gut, dass sie hier waren. Musste man denen eigentlich auch noch sagen, was zu tun war? „Ich meine, vielleicht hätten sie ihm mal den Magen auspumpen sollen oder sowas!“

      „Nein, der hat doch schon …“ Dr. Russo sah auf das Krankenblatt.

      „…gekotzt“ ergänzte Vero. „Da ist nichts mehr zu holen.“

      Der Arzt lachte laut und nickte dann aber. „Also ich hätt’ das vielleicht a bisserl anders formuliert, aber in der Sache stimmt das.“

      Jule blieb skeptisch, aber Dr. Russo war weiterhin sehr gelassen.

      „Ich bin Internist und hier in der Klinik Ansprechpartner für das Drogendezernat der Münchner Polizei. Sie können mir da schon vertrauen.“

      „Oh. Tschuldigung


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