Seelenkater. Tamara Schenk

Seelenkater - Tamara Schenk


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so. Diese Enttäuschung steckt tief. Dann begann die Odyssee, als er kein Zuhause mehr hatte. Er zeigt mir eine Straße, wo er kurz vor einem Auto rüberläuft.

      Er zeigt mir diesen Carport, wo er zwar Unterschlupf, aber kein Zuhause findet. Ich spüre Kälte. Ich sehe Milch, die auf einen alten Porzellanteller mit Blümchen drauf gegossen wird… Ich sehe Menschen, aber sie haben keine Gesichter. Ich sehe Katzen, die fett sind und kämpfen wollen, ihn aus ihrem Gebiet vertreiben. Ich spüre Haltlosigkeit und immer mehr Traurigkeit. Flix hat sich aufgegeben, nur noch überlebt, sich durchgeschlagen, aber die Liebe, die Geborgenheit fehlten… Nach Hause kommen können. Das wollte er so gern. Dann war er im Tierheim, aber er hatte keine Hoffnung… Wer will schon einen alten Kater von den Verlorenen, von denen es so viele gibt? Und dann kamen Sie… Ein Lichtstrahl in der Dunkelheit und er kann sein Glück heute noch nicht fassen…

       „Ich liebe dich so sehr und danke dir/euch für alles!“

      Jetzt:

      Ja, Flix genießt die Hände, die streicheln. Die Nähe, die Geborgenheit, die Liebe so sehr! Er mag Ihre Stimme! Und Ihr Lachen! Deswegen könnte er oft überschäumen vor Glück und weiß gar nicht, wohin mit all diesen wunderbaren Gefühlen und rennt herum und spielt, wie verrückt, um das zu zeigen und um Sie zum Lachen zu bringen! Er ist einfach so sehr dankbar und glücklich, fühlt sich unglaublich wohl bei Ihnen!!! Warum er Sie so intensiv anschaut… Weil er eine sehr tiefe Verbindung zu Ihnen hat… weil er in Ihnen etwas erkennt, etwas in Ihrer Seele sieht, das zu ihm selbst gehört. Eine Ähnlichkeit, eine Sehnsucht, etwas verloren zu haben, vor langer Zeit… Er weiß, dass Sie das zusammengeführt hat und er hofft, noch genug Zeit zu haben, um zusammen zu sein und zu heilen.

      Danke Flix <3

      Liebe Tamara, ich freue mich, von Ihnen zu hören!

      Viele herzliche Grüße

      Sylvia

      Wow! So bewegend, so ergreifend. Ich war zutiefst berührt und habe viele Tränen vergossen. Immer und immer wieder habe ich sein Gespräch gelesen. Mein Flixchen! Alles machte nun deutlich mehr Sinn, es war nun eine Geschichte. Flix‘ Geschichte. Flix‘ seelisches Gepäck, mit dem er zu uns kam.

      Bereits das Gespräch selbst veränderte Flix. Er wurde sehr viel offener. Er wirkte sehr erleichtert, dass er all diese Erlebnisse jemanden anvertrauen konnte. Nun galt es auf Basis des neuen Wissens aus der Tierkommunikation anders und gezielter mit ihm um- und auf ihn einzugehen.

      Er begann ab und zu ruhig liegenzubleiben, wenn einer von uns an ihm vorbeiging. Ganz langsam veränderte sich sein Verhalten. Er wurde entspannter, nahm anscheinend mehr und mehr wahr, dass er in einem Zuhause war, in dem ihm niemals etwas Böses zustoßen würde.

      Weil seine Menschen ihn über alles liebten. Und weil Liebe die stärkste Energie ist, die wir haben. Eine Energie, die wahre Wunder vollbringen kann, die transformiert. Sein Vertrauen hat sich ab diesem Zeitpunkt Stück für Stück wiederaufgebaut.

       Sonnenplätze und Himbeerkater

      Eine Wohnung ganz oben im vierten und fünften Stock mit einer Loggia und einem Balkon ist hell und hat Sonne! Genügend Sonne, die für zwei sonnenhungrige Kater reicht – sollte man meinen.

      Dem war aber anscheinend nicht so. Vormittags gab es auf der Loggia Sonne. Also habe ich ihnen im Frühjahr und Sommer, wann immer schönes Wetter war, vormittags die Tür aufgemacht, sodass sie raus gehen und sich in die Sonne legen konnten. Wie gesagt, Platz war für beide genügend da.

      Jedoch kam hier die „katerliche“ Hackordnung zum Tragen. Immer wieder kam es vor, dass Max den lieben Flix von dessen Sonnenplätzchen vertrieben hat, um sich selbst genau dahin zu legen. Flix ist dann meist bedröppelt abgezogen. Erst später hat er sich dann behauptet und sich einen anderen Sonnenplatz gesucht. Ganz dahinter bin ich nie gekommen, was da genau zwischen den beiden abging, denn es gab auch Momente, in denen beide seelenruhig und nicht weit voneinander entfernt, in der Sonne lagen.

      Ab Mittag und Nachmittag war dann auf dem Balkon auf der anderen Seite mehr Sonne. Also hieß es die Position zu wechseln. Max liebte es, auf dem Balkon rumzuwandern, alle Blumentöpfe zu inspizieren und sich schließlich in der Sonne niederzulassen.

      Im ersten Sommer bei uns entwickelte sich Flix zum Himbeerkater, der unsere spärliche Ernte fast vollständig verspeiste. Mehr als einmal erwischte ich ihn dabei, wie er die Beeren in aller Ruhe inspizierte, sich streckte und reckte und letztlich verzehrte. Ich fragte mich lange Zeit was ihm gefehlt haben mag, dass er Gefallen an Himbeeren fand.

      Es war wohl das Kalium. Die Himbeere ist bekannt für ihren relativ hohen Kaliumgehalt. Später, als sein Blutbild einen sehr niedrigen Kaliumwert zeigte, bekam er es als Nahrungsergänzung, um potenziellen Schäden im Herz vorzubeugen.

      Nach diesem ersten Sommer hat er sich nie wieder für unsere Himbeeren interessiert. Das Kalium kam ja dann anderweitig in seinen Körper.

       Katzennetze

      Die beiden kamen im Januar in ihr neues Zuhause. Es blieb also genügend Zeit, sich mit dem Thema Katzennetze zu beschäftigen.

      Dass wir uns damit beschäftigen mussten, war in den ersten Wochen bereits klar. Denn Max fand bei seinen Erkundungen heraus, dass er leicht durch das Balkongeländer auf das Dach des Hauses klettern konnte, welches in jeder Hinsicht ungesichert war. Und das im vierten Stock!

      Ich habe sein Ersinnen geahnt und direkt im Keim erstickt. Anfangs waren die beiden natürlich nie allein auf dem Balkon. Und Max interessierte sich sehr forsch für alle möglichen Erkundungen. Keine Frage, der Balkon brauchte ein Katzennetz, wenn wir alle zusammen den Balkon in Ruhe genießen wollten und den beiden die Freiheit geben wollten, selbständig rein und raus zu gehen.

      Da unser Balkon der oberste war, kamen Einfachlösungen, die am oben angrenzenden Balkon befestigt werden konnten, nicht in Frage. Also waren Experten gefragt. In der lokalen Katzengruppe wurden schnell Kontakte geknüpft, mit denen wir das Thema Katzennetze eruieren konnten.

      Also, es gab viele Verfechter von „alles selbst machen.“ Wir haben uns solche Beispiele angeschaut. So einfach würde es bei uns leider nicht werden. Also haben wir einen Katzennetzprofibauer gesucht und gefunden. Dieser war auch der einzige, der entsprechend unseres Planes ein konkretes Angebot machen konnte.

      Eines schönen Tages kamen zwei Handwerker mit dem neuen Katzennetz zu uns und haben es installiert. Ruck-zuck ging das. Es sah stabil und gut aus, auf jeden Fall sehr professionell. Die beiden Handwerker schauten sich Max und Flix an, die etwas scheu danebenstanden. „Was machen diese Männer hier?“, schienen sie zu fragen. Als diese hörten, dass beide aus dem Tierheim kamen, mussten sie schmunzeln. „Wie, gerade erst aus dem Tierheim, und schon so ein tolles Katzennetz bekommen!“

      Sie sagten uns noch, sollte einer der beiden anfangen am Katzennetz zu kratzen oder daran hochzuklettern, sollten wir das sofort unterbinden. Katzen bekämen bekanntlich alles klein. Ja, sicher. Nur, unsere beiden hatten wirklich noch nie etwas zerdeppert.

      Die Loggia haben wir bis heute ungesichert gelassen. Max hat einmal versucht, vom Küchenfenstersims auf die Loggiabrüstung zu springen. Ich habe ihm in aller Deutlichkeit erklärt, dass das nicht geht. Und er hat es nie wieder gemacht. Flix hat es nie versucht.

       Mit Max zu Tisch

      Dass Max ein ganz besonders weiser Kater war, konnte man unmöglich nicht wahrnehmen. Und so benahm er sich auch. Anders. So wollte er an den Mahlzeiten teilhaben. Auf seine Weise.

      In den ersten Monaten sprang er des Öfteren auf meinen Schoß und leistete mir Gesellschaft, wenn ich beim Essen war. Sobald dann Michael am Wochenende da war, nutzte er die Gelegenheit und besetzte sein Herrchen. Er genoss diese Momente, man spürte förmlich, wie er all die Liebe in sich aufsog.

      Im Sommer, als bei schönem Wetter die meisten Mahlzeiten draußen eingenommen wurden, war er ebenfalls meist zur Stelle.

      Wie selbstverständlich erklomm er „seinen“ Gartenstuhl auf dem Balkon, wenn ich abends draußen


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