Seelenkater. Tamara Schenk

Seelenkater - Tamara Schenk


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war das alles richtig so. Was für eine emotionale Achterbahn.

      Ich saß neben dem Telefon, bis es klingelte und die Tierklinik nach der Zahnsanierung anrufen würde. Es klingelte jedoch, kaum dass ich zu Hause war. Oh mein Gott, was war jetzt passiert? Die Tierärztin erklärte mir, dass sie nun Max‘ Zähne gereinigt und geröntgt hätten. Überraschenderweise seien Max‘ Backenzähne gesund aber zwei, besser noch drei, seiner vier Fangzähne müssten raus. Wegen FORL. Dazu wollte sie meine Zustimmung einholen. Mein armer Max. Nun, was würde sie denn empfehlen? Was war das Richtige für Max? Und was würden die Internisten empfehlen? Die Empfehlung war eindeutig: Alle von FORL betroffenen Zähne rausnehmen. Dann machen wir das auch genau so.

      Also, wieder warten und ganz viel Energie zu Max senden, damit er das gut überstehen würde. Der nächste Anruf kam, als Max schon wieder wach war und noch weitere Infusionen bekam, um seine Nieren nach der Narkose bestmöglich durchzuspülen. Abends konnte ich ihn abholen, kurz nach 18 Uhr.

      Als ich in der Tierklinik eintraf, wurden mir zuerst die Medikamente erläutert, die Max in den kommenden Tagen brauchen würde. Ein spezielles Schmerzmittel aus der Familie der Opiate, für welches ich eine besondere Erklärung unterschreiben musste, und ein Antibiotikum, um potenziellen Entzündungen vorzubeugen. Und dann wurde mir Max gebracht. Mit einem Trichter um den Hals. Mein armer Max, wie lange er das wohl erdulden würde? Wie lange Max denn den Trichter tragen müsse, habe ich gefragt. Mindestens eine Woche, sagte mir die Tierärztin, da die Nähte vorne nicht aufbrechen durften. Es gäbe da nämlich kein weiteres Material, um irgendwas ein zweites Mal zu vernähen. Das leuchtete mir ein. Nur, ich kannte meinen Max. Das würde er wohl kaum eine Woche mitmachen.

      Ab ins Auto und nach Hause fahren. Ein geliebtes Tier wieder aus der Tierklinik mit nach Hause nehmen zu können, ist ein ganz spezielles, wunderschönes Gefühl. Hatte man doch erst mal alles richtig gemacht, die notwendige tierärztliche Behandlung ermöglicht, um die Samtpfote gesund zu erhalten. Nun musste Max nur noch zu Hause gesund gepflegt werden. Sehr gerne.

      Auf dem Nachhausweg hatte er den Tag erstmal lautstark kommentiert. Unnötig, und echt ätzend fand er ihn. Was ich mir nur dabei gedacht hätte? Und Fangzähne raus machen, also das sei ja nun echt das Letzte, würde doch sehr an seinem Selbstbewusstsein als Chefkater nagen. Außerdem ginge es ihm doch prima. Also wozu das alles? Klar, Max war „auf Droge.“ Er hatte vor dem Nachhauseweg noch drei Tropfen des Schmerzmittels Buprenovet4 bekommen, sodass er entsprechend gut drauf war. Um Mitternacht würden wir erst wieder die nächste Dosis geben müssen.

      Kaum waren wir zu Hause ist Max mit seinem Trichter aus dem Katzenkorb marschiert. Er ging erst mal Richtung Toilette, rempelte rechts und links alles an bis er sich neu „justiert“ hatte.

      Zu meiner großen Überraschung war er hungrig und hat erst mal eine Portion Futter verdrückt. Und dann noch einmal eine halbe Portion. Was für eine riesengroße Erleichterung! Fressen war schon mal kein Problem für ihn.

      Dann habe ich experimentiert wie ihm die Antibiotikum-Tablette am besten zu geben sei. Gemörsert in Leberwurst, die wir extra für ihn gekauft hatten. Das schien die Methode der Wahl zu sein. Wieder ein Problem gelöst.

      3 FORL = Feline Odontoklastische Resorptive Läsionen, eine sehr schmerzhafte Zahnerkrankung bei Katzen. Die Deutsche Gesellschaft für Zahntierärzte stellt fest, dass 70% aller Katzen über 3 Jahren schmerzhafte Zahndefekte aufweisen. Tierarzt Ralph Rückert betreibt seit Jahren sehr viel Aufklärung zu dieser Autoimmunerkrankung auf seinem Blog (siehe Anhang). „Durch bisher nicht wirklich geklärte Ursachen, […], werden körpereigene Zellen aktiviert, die zum Abbau von Zahnhartsubstanz in der Lage sind, die [sog.] Odontoklasten (Zahnfresser). Diese Zellen haben ihren großen Auftritt während des Zahnwechsels, denn sie sind eigentlich dafür zuständig, die Wurzeln der Milchzähne abzubauen. Bei erwachsenen Katzen, die an FORL erkranken, tauchen sie aber plötzlich wieder aus der Versenkung auf und fangen damit an, blindwütig eigentlich gesunde Zähne anzufräsen. […] Die Odontoklasten beginnen mit ihrem Zerstörungswerk im Wurzel- oder Zahnhalsbereich, also zumindest anfangs […] für das Auge unsichtbar.“

      4 Buprenovet ist ein Schmerzmittel aus der Familie der Opioide. Wegen Max‘ CNI bekam er dieses Medikament, da es nierenschonender ist als ein herkömmliches Schmerzmittel. Es fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, weswegen man nur die exakt benötigte Menge bekommt, und ein entsprechendes Dokument unterschreiben muss.

       Wenn der Chefkater zum Patienten wird

      Es funktioniert nichts mehr, wie es war. Diese Erfahrung war schnell gemacht. Flix inspizierte und beschnupperte den heimkehrenden Max erstmal kritisch. Dann ging er sofort auf Abstand. Nein, mit diesem Max wollte er nichts zu tun haben. Wie sah der denn aus? Und wie er roch. Sehr suspekt.

      Später am Abend, als Max Nähe suchte, fauchte Flix ihn sogar an. Wow. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ein lieber Freund und Katzenexperte, Mike aus England, gab mir dann den entscheidenden Hinweis: Max riecht nach Krankenhaus und das verheißt nichts Gutes für Flix. „Wasch mal alle Sachen, die in der Klinik waren.“

      Also habe ich Max‘ Deckchen gewaschen. Und siehe da, es wurde besser. Flix war das alles zwar weiterhin nicht geheuer – Warum hatte sein Freund Max einen bescheuerten Kragen um den Hals herum? – aber er hat ihn wenigstens nicht mehr angefaucht. Sie haben sich wieder angenähert.

      Die nächsten Tage wurden durch Max‘ Schmerzmittelrhythmus bestimmt. Alle acht Stunden waren ein paar Tropfen notwendig. Parallel dazu mussten wir wieder in den normalen Fressrhythmus kommen, sowie seine Nierentherapie integrieren.

      Und dann sollte es Max natürlich so gut wie möglich gehen, und er sollte sein können, wo er wollte. Es war Anfang September. Ein sonniger September. Also war Max oft auf dem Balkon und hat die Sonne genossen.

      Max erholte sich schnell von der Operation. Was Katzen alles wegstecken, ist immer wieder bewundernswert. Man stelle sich nur einmal vor, einer von uns Menschen hätte eine Zahnoperation hinter sich, bei der alle drei Eckzähne entfernt worden wären.

      Ich habe in dieser Zeit oft an meine Weisheitszahn-OP gedacht, die ich mit Anfang Zwanzig über mich ergehen ließ. Alle vier auf einmal raus. Denn wenn man nur zwei rausnehmen lässt, meldet man sich wohl nicht mehr freiwillig zum Folgetermin an. Ich war eine Woche zu nichts zu gebrauchen. Mit zugeschwollenem Gesicht, Kühl-Akkus im Dauereinsatz und einem richtig deftigen Schmerzmittel.

      So viel Pflege Max auch benötigte, so gab ich mir doch Mühe, genügend Zeit für Flix zu haben. Flix, der mit seiner wunderbar verspielten Art der Liebling aller wurde. Flix, der aber auch sehr auf Max schaute, auf seinen Freund und Chefkater. Es war in allem klar, wer die Richtung und das Vorgehen bestimmte. Umso schwieriger war es für Flix, sich nun weiterhin sicher zu bewegen, wo Max doch offensichtlich erstmal selbst wieder gesund werden musste. Flix, der nur zu gern auf Max‘ Führungsstärke vertraute, musste nun seine Entscheidungen allein treffen. Max benötigte seine Energie für sich selbst.

      Dass Max nun die Rolle des Chefkaters nur eingeschränkt wahrnehmen konnte, war eine ganz neue Situation für Flix. Eine Situation, die puren Stress für ihn bedeutete. Als die Decken gewaschen waren und der Krankenhausgeruch weg war, wurde es leichter. Aber da war noch der Kragen, den Max um den Hals trug. Das irritierte Flix gewaltig.

      Max war selbst nicht sehr begeistert davon. Er fand auch am dritten Tag eine Lösung, wie er sich des Kragens entledigen konnte. Die Holzpaneele, die wir auf dem Balkon und der Loggia hatten, eigneten sich mit ihren Zwischenräumen ganz hervorragend. Er musste nur die Kante des Kragens in diesen Zwischenraum reinbekommen und dann eine Weile dran rumfummeln. Und schon war es weg, das Ding. Das erste Mal als ich es entdeckte, habe ich Max den Kragen wieder angezogen. Es ging nicht lange gut. Max hatte nun raus, wie er ihn loswurde und hatte weitaus mehr Geduld als ich.

      Also habe ich ihm den Kragen nicht mehr übergezogen, natürlich nicht ohne ihm klarzumachen, dass er alles tun konnte, außer an seinen OP-Nähten im Maul rumzumachen. Er schien das zu wissen. Er ging nie an seine OP-Nähte ran. Was für ein toller, weiser Kater!

      Es verheilte alles prima, nach drei Tagen wollte er kein Schmerzmittel mehr. Und nach zehn Tagen


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