Humor aus dem Leben. Astrid Helmers
steigt aus, stellt die Warndreiecke auf, eilt zu Julias Auto und klopft an die Scheibe.
„Gnädiges Fräulein, ist Ihnen etwas passiert? Sind sie verletzt? Brauchen Sie einen Krankenwagen oder einen Arzt?“
„Scheren Sie sich zum Teufel!“, schreit Julia wütend.
„Entschuldigung, Sie haben gerade meinen funkelnagelneuen Mercedes ramponiert!“
Julia heult ununterbrochen weiter.
„Sie haben mich genötigt, Sie sind mir immer wieder fast drauf gefahren! Wo zum Teufel haben Sie Ihren Führerschein bekommen, auf dem Dom? Lassen Sie mich bitte in Frieden!“
„Hier bitte, ein Taschentuch!“, sagt der Typ sanft.
„Ich brauche Ihr Taschentuch nicht!“
„Ich kann doch nichts dafür, wenn Sie mir hinten drauf fahren!“
„Sie haben mich genötigt!“, schreit Julia.
„Entschuldigen Sie bitte, so geht das nicht! Wir müssen die Fahrzeuge von der Fahrbahn entfernen!“
„Dann machen Sie das bitte!“, schreit Julia.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr Auto noch fahrbereit ist!“
„Kümmern Sie sich um ihren Schlitten! Mein kleiner Polo ist wertlos, Herr Kontrahent!“
„Soll ich einen Arzt rufen? Ich sehe schon, Sie brauchen Hilfe!“
„Ich brauche keinen Arzt, Herr Mercedes-Fahrer! Mir geht es blendend!“
Der Kontrahent fuhr seinen Mercedes auf den Seitenstreifen, doch der kleine Polo war nicht mehr fahrbereit und fleißig tröpfelte Sprit und Öl auf die Autobahn. Sie schoben den Polo so gut es ging zur Seite.
„So wie Sie, fährt man auch nicht auf der Autobahn, Sie haben mich richtig genötigt!“
„Sie hätten besser aufpassen müssen, Gnädigste! Ich habe die Polizei, den Arzt und den Abschleppdienst telefonisch benachrichtigt. Kommen Sie bitte, wir müssen weg von der Autobahn! Es ist zu gefährlich hier!“ Der Kontrahent nahm Julia am Arm und sie verließen die Fahrbahn.
„Sie hätten auch aufpassen müssen! Wo ist ihr schönes Taschentuch, meins ist total nass!“
„Bitte schön! Darf ich Ihnen die Tränen abtrocknen?“ Ohne weiter zu fragen, fing Julias Kontrahent an, ihr die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.
Julia war überrascht, wie liebevoll ihr Kontrahent sie behandelte, obwohl ihr glasklar war, dass nach allen Verkehrsregeln der Welt, sie die Verursacherin dieses Unfalls war und ihm gerade seinen tollen Mercedes demoliert hatte.
„Danke schön! Herr Kontrahent, wann kommt endlich die Polizei?“
„Das wird noch etwas dauern! Sie sagten mir, es wären heute viele Unfälle passiert!“
„Ja, wenn alle so wie Sie fahren!“
„Entschuldigung bitte, schließlich sind Sie mir hinten drauf gefahren, Fräulein…!“
„Was wollen Sie damit sagen, Herr Kontrahent?“
„Ich wollte damit sagen, wenn Sie besser aufgepasst hätten, wäre es nicht passiert, Fräulein…!“
„Wie bitte?“
„Nach den gültigen Verkehrsregeln sind Sie auf jeden Fall die Verursacherin dieses Unfalles, Fräulein… !“
„Was sagen Sie da, Herr…?“
„Bitte hören Sie auf zu weinen, Fräulein…!“
„Warum soll ich aufhören, Herr Kontrahent, warum?“
„Weil ich es nicht ertragen kann, wenn Frauen weinen!“
„Dann schauen Sie doch einfach weg!“
„Ich verstehe Sie nicht, Fräulein… das ist doch nur ein Blechschaden! Ihnen ist doch Gott sei Dank nichts Ernstes passiert!“
„Mein schönes Auto ist im Eimer und ich werde in Hamburg erwartet! Wie komme ich jetzt nach Hamburg?“
„Oh, wer wartet denn auf Sie in Hamburg?“
„Das hat Sie doch nicht zu interessieren! Überhaupt nicht, Herr Kontrahent!“
„Ich würde vorschlagen, wir gehen noch ein paar Schritte weiter rüber, ehe der Krankenwagen kommt, hier ist es immer noch zu gefährlich für Sie, Fräulein…!“
„Der Krankenwagen braucht nicht zu kommen, mir geht es gut, sehr gut, blendend! Bitte bestellen Sie den Krankenwagen ab, bitte!“ Julia wurde plötzlich zahmer.
„Sind Sie sich sicher, Fräulein… ?“
„Julia, Julia ist mein Name!“
„Maximilian!“
„Ach, Maximilian!“
„Maximilian von Dobel!“
„Ach, auch das noch? Wo kauft man sich einen solchen edlen Namen?
„Bei den Eltern, Fräulein Julia!“
„Mein schöner Polo! Ich war immer so stolz auf mein schönes Auto und auch, dass ich noch nie einen Unfall gebaut habe!“ Nun fing Julia erst richtig an zu heulen.
„Bitte, Fräulein Julia, bitte weinen Sie nicht schon wieder, ich kann keine Frauen weinen sehen! Mir bricht es das Herz! Hier, bitte ein frisches Taschentuch!“ Maximilian näherte sich Julia, streichelte ihr die Haare und genoss ihren Duft.
„Danke, Herr Maximilian!“ Julia entdeckte das Monogramm auf dem Taschentuch. Tatsächlich ein Adliger „von sowieso“, dachte sie.
„Bitte nennen Sie mich Maximilian! Ihre Haare duften so schön, ich liebe Chanel!“ Maximilian streichelte zart ihre Haare.
„Sie kennen sich aber sehr gut mit Parfüms aus, Maximilian!“
„Ich liebe den Luxus und schöne Frauen wie Sie, Fräulein Julia!“
„Ach so! Und ich muss sehen, wie ich mit der Reparatur meines Schrottautos zurechtkomme!“
„Haben Sie denn keine Versicherung, Fräulein Julia?“
„Natürlich habe ich eine Versicherung! Doch in diesem Fall wird die Versicherung für meinen Schaden nicht aufkommen!“
„Ich bin Stammkunde bei einer renommierten Autowerkstatt, selbstverständlich können Sie ihr Auto ebenfalls dort reparieren lassen!“
„Erstens muss ich sehen, wie ich die Reparatur überhaupt finanzieren kann, Herr Maximilian!“
„Sind sie berufstätig, Fräulein Julia?“
„Selbstverständlich, leider noch nicht in einer führenden, hohen Position wie vermutlich Sie!“
„Das werden Sie auch noch hinbekommen, liebe Julia! Keine Sorge!“
Julia hatte nicht gemerkt, dass Maximilian sie bereits beim Namen nannte! Trotzdem überfiel sie ein Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens. Julia hatte das Gefühl, sie würde Maximilian schon ewig kennen oder sie waren sich bereits früher schon einmal begegnet, vielleicht in einer Disco? Das kann nicht sein, das konnte sie sich nie im Leben vorstellen, denn Typen wie Maximilian sind keine Disco-Typen. Maximilian scheint ein feiner und gut erzogener Mensch aus besonders edlem Hause zu sein! Ein Adeliger, ein feiner, vornehmer Mann, der vermutlich sogar in einem Schloss lebt!
„Wir sollten sicherheitshalber noch ein paar Schritte weiter weg von der Fahrbahn gehen, es wird immer gefährlicher hier! Du bist eine wunderbare Frau, Julia!“ Maximilian hatte Julia fest umarmt und fing an, sie leidenschaftlich zu küssen.
„Maximilian, die Autofahrer beobachten uns!“ Julia war wie gelähmt, sie hatte das Gefühl, sich nicht wehren zu können oder vielleicht wollte sie es auch überhaupt nicht?“