Wer A sagt, sollte auch weitergehen. Winfried Niebes
wurde. Nun war ich mit dem ausrangierten Gerät meiner Mutter in der Lage, Hosen zu bügeln. Wie ich es bei ihr gesehen hatte, breitete ich eine braun-beige Wolldecke auf dem Küchentisch aus. Ich befeuchtete die zu bügelnden Hosenbeine mit reichlich Wasserspritzern. Auf einem feuchten Taschentuch tastete ich mit dem Bügeleisen, ob die Temperatur reichte; es war ohne Thermostat. Der Zeitpunkt für meinen Einsatz war gekommen. Einen Zeitraum von zwanzig Minuten, das habe ich nie vergessen, musste eine Hose dort ausharren, um mir meinen Bügelerfolg zu zeigen. Die Bügelfalten auf Stoffhosen, welche damals allgemein üblich waren, sprühte ich so feucht, dass anschließend Trocknen zwingend nötig wurde.
Seit Längerem stelle ich eine gravierende Veränderung der Kleiderordnung fest. Egal, ob werk- oder sonntags, Anzughosen mit guten Bügelfalten sind in der Öffentlichkeit eine Rarität geworden. Blaue Jeans, teilweise mit gut sichtbarem Freiluftknie und einem schicken Jackett sind aktueller Modetrend.
Gute Hemden brachte ich in die Wäscherei und konnte sie nach kurzer Zeit fein gebügelt abholen.
Wie früher in unserem sehr religiösen Dorf wollte ich entsprechend meiner Erziehung in einer katholischen Kirche am sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen. Die Herz-Jesu-Kirche in der Danzigerstraße lag in der Nähe. Dort besuchte ich hin und wieder das Hochamt um zehn Uhr. Anschließend wanderte ich ziellos durch einige Straßen oder nutzte die Straßenbahn zu einer Art Stadtbesichtigung. Sehr gut erinnere ich mich an verschiedene sonntägliche Besuche im AKI-Kino im Hauptbahnhof. Dort liefen NonstopFilme unterschiedlicher Art und Qualität. Auch erotische Handlungen wurden nach meiner Erinnerung damals Sexfilme genannt. Dort saßen um die Mittagszeit junge Pärchen, also nicht nur Zuschauer des männlichen Geschlechts. Oft empfahl mein knurrender Magen Ausschau nach einem Restaurant oder einer zumindest preiswerten Gaststätte zu halten. Es war nicht ausgeschlossen, dass ich aufgrund von Geldmangel auf Essen verzichtete und nur ein paar Kölsch26 trank. Anschließend erreichte mich ein Schlummerbedürfnis am ohnehin langweiligen Nachmittag.
Nicht, dass jemand denkt, ich wäre als ständiger Gast zum Essen in noblen Häusern eingekehrt oder hätte nur von Brot und Belag gelebt. Keine Bange, mein übersichtlich gefüllter Kühlschrank und der Vorrat im Buffet boten einige Möglichkeiten. Kocherfahrung besaß ich keine, da ich bei Muttern nie irgendeine Speise am Herd zubereitet hatte, es wohl nicht musste oder durfte, denn Mütter hatten damals wie heute einen Unabkömmlichkeitsanspruch. Für Einzelhaushalte hatte Roland Gööck, ein Sachbuchautor, geboren in Thüringen, ein winziges Kochbuch veröffentlichen lassen. An den unbändigen Durst nach der ersten Rezeptanwendung erinnere ich mich nur zu gut. Ein daumendickes Stück Schinken sollte ich in die Bratpfanne legen, aus welcher die erhitzte Margarine ihre Fettspritzer in die Umgebung sandte. Der Schinken war nach kurzer Bratzeit verzehrfertig. Hierzu bereiteten Bratkartoffeln mit Zwiebeln köstlichen Wohlgenuss. Bald war mir völlig klar, dass derartig gepökeltes, gesalzenes und geräuchertes Fleisch nicht gebraten werden darf. Ein großer Durst mit Salzgeschmack suchte mich nach dem Essen heim und gekühltes Pils musste dem Kühlschrank entweichen. Frischer Salat war ein Manko bei mir. An dessen Stelle kochte ich Gemüse wie Erbsen und Möhren aus der Dose. „Igitt, igitt!“, würde ich heute rufen. Aber der Hunger trieb es mit etwas Salz und Pfeffer gewürzt in mich hinein. Jedenfalls hatte ich im Anschluss an meine Kochkünste kein einziges Mal irgendwelche Magenbeschwerden oder andere gesundheitliche Probleme.
Ich gewöhnte mir zeitig an, im Normalfall genügend Schlaf zu bekommen. Auf jeden Fall berechnete ich die Zeit nach dem Aufstehen fast sekundengenau äußerst knapp. Um pünktlich die Straßenbahn und meine Arbeitsstelle zu erreichen, hätte mir kein Schnürsenkel reißen dürfen, denn dann wäre die nächste Bahn ohne mich gefahren.
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