Wir kommen alle wieder!. Detlef K.H. Würth
….(weint leicht)…ein paarmal…(presst die Lippen aufeinander)..
F: also Du bist mit dem Klaus verheiratet?
A: ja (klingt völlig abwertend)
F: habt ihr Kinder?
A: ja..
F: wie viele?
A: zwei!
F: wo sind die Kinder jetzt?
A: .. die sind unten…die sind im Zimmer!…..Sie schlafen in ihrem Zimmer!
F: in welchem Alter sind die Kinder?
A: ..drei…..fünf..
So lief für mich noch alles in der gewohnten Bahn und ging weiter den Dingen auf den Grund. Schon allein aus der Tatsache heraus, dass es sich hier um eine Vergewaltigung handelte und dies im Sinne meiner Patientin, nicht ungestraft bleiben sollte. So gab ich dem unbewussten Anteil die Aufforderung, zu dem allerersten Mal eines Missbrauchs zu gehen.
F: wo bist Du?
A: …Wäldchen!
F: und wer ist es?
A: ..ich kenne ihn nicht…
F: und sagt der Klaus etwas zu Dir?
A: steht auch an der Tür…
F: was sagt er denn?
A: ..er nimmt die Wiege raus!
F: wo?
A: (flüstert)…aus dem Schlafzimmer!
F: warum?
A: er sagt…er hat das Spiel verloren…ich sollte nett sein..(wirkt sehr emotional)
F: was passiert jetzt?
A: ..er geht runter…mit der Wiege……ich werde…(unverständlich)…(Gesicht verzieht sich extrem)…
F: was ist?
A: ….der Mann vergewaltigt mich!!..(weinerlich, sehr emotional)..
F: was passiert, nachdem er fertig ist?
A: zieht sich an und geht…(weinerlich)..
F: was sagt der Klaus?
A: …er ist unten..
F: spricht er mit Dir?
A: ……..er kam später hoch….er ist betrunken!
F: was sagt er?
A: (atmet schwer aus)…fragt…ob es mir gefallen hat…
F: was sagst Du?
A: ich gebe ihm keine Antwort!…(atmet belastet)…Er ist ein Schwein!!………Ich hasse ihn!!! (sehr emotional)
Durch weiterführende Schilderungen stellte sich dann heraus, dass sie insgesamt dreimal, immer nach dem gleichen Schema vergewaltigt wurde. Was mich jedoch sehr misstrauisch machte, war die Aussage, dass ihr Mann ein Polizist wäre. Irgendwie machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit, eines das ich so noch nie, während einer Therapie erlebt hatte. Die Art und Weise des geschilderten Erlebens war real, keine Frage, aber die Umstände, ein betrunkener Polizist, ein Kartenspiel und die Frau als entsprechenden Spieleinsatz, nun, das erschien fast unglaublich. Meine pragmatische Einstellung, immer klares Ziel vor Augen den Patienten von seinem Leiden zu befreien, veranlasste mich, weiter voranzuschreiten, um in gewohnter Arbeitsweise die verdrängte Vergewaltigung zu verarbeiten. Dennoch muss ich gestehen, konnte ich mich einer gewissen Neugierde nicht entziehen und ließ mich somit noch auf etwas mehr ein.
F: und Dein Mann ist wirklich Polizist?
A: ja!
F: und er sagt gar nichts dazu?
A: wenn er getrunken hat, weiß er nicht mehr, was er tut!
F: was sagst Du?
A: ..er soll mich in Ruhe lassen!! (energisch)
F: beschreib doch mal das Schlafzimmer, in dem Du liegst, wie sieht das aus?
A: Doppelbett…gegenüber vom Bett ist ein…kleines… Fenster…links…Nachtschrank…rechts ist die Waschkommode und links ist eine Tür!..
F: wo führt sie hin?
A: ….es ist…wie….eine Klappe…wo man Stufen…wie mit einer Leiter hinunter geht!
Die geschilderte Umgebung schien in keiner Weise mit ihrem tatsächlichen Wohnraum in Verbindung zu stehen. Aber das war in diesem Moment auch nicht so wichtig, denn ich erhoffte mir lediglich durch mehr Informationen, eine bessere Nachbesprechung mit ihr führen zu können. Meine nächste Frage galt Ihrem Empfinden, ob sie nicht das Bedürfnis gehabt hätte, sich danach im Badezimmer zu reinigen. Dann kam das hier …
A: gibt’s kein Badezimmer!
F: wo wascht Ihr euch denn?
A: …Waschschüssel!
F: in welchem Raum?
A: …Küche….mit der Waschschüssel!
F: und mit der Waschschüssel wäschst Du Deinen ganzen Körper?
A: ..ja! (runzelt die Stirn)
Meine Frage ließ sie die Stirn runzeln, denn das schien für sie völlig normal zu sein. Und in diesem Moment wurde es mir klar. Das hier hatte nichts mehr mit unserer Zeitrechnung zu tun, denn selbst Menschen in sozial schwachen Bereichen, verfügen zumindest über einen Waschtisch.
F: was nimmst Du für Dich zu reinigen?
A: Seife!
F: und welche Seife ist das?
A: Kernseife!
F: hast Du auch ein Parfüm?
A: ……Rosenblüte Duft!
F: wer stellte es her?
A: ..Frankfurt….ein Laden in Frankfurt!…Es ist ein kleines Fläschchen…mit so einem silbernen Verschluss!…Es ist eine Rose drauf!……Ich sehe nur eine Rose…eine Holzkiste!
F: steht da was drauf?
A: ..Mat…usell..Matumsell…Mademoiselle..Rosé…. auf dem Holz ist…wie eine Rose eingebrannt…
F: trägst Du das oft an Dir?
A: nein!
F: wann machst Du es denn an Dich?
A: ……….wenn ich….unter Leute gehe!…
F: wo gehst Du dann hin?
A: zur Kirche!
F: und wo befindet sich die Kirche?
A: Kloppenheim!
Ich hatte genug gehört und begann mit der Auflösung ihres langjährigen Leidens. Fast jedem Therapeuten, der mit Hypnose arbeitet, ist dieses Phänomen bekannt. Plötzlich findet man sich mit seinem Patienten in einem - früheren Leben -, das scheinbar irgendwie mit der Erkrankung in der Gegenwart, in Verbindung steht. Man redet nicht darüber, weil die Dinge, die man hört, auf der einen Seite nicht unbedingt gehört werden möchten und andererseits auch nicht wirklich nachprüfbar sind. Meinen Pragmatismus kennzeichnend, hegte ich nie wirklich großes Interesse an derartigen Schilderungen und konzentrierte mich nur auf das Ziel, schnellstmöglich Besserung für meinen Patienten zu schaffen. Zählend begann ich Frau B. aus dem Trancezustand zu nehmen. Langsam öffneten sich ihre Augen und ihr Blick, kreiste im Raum umher, ganz so, als müsse sie sich neu orientieren. Sie konnte sich an jedes kleinste Detail erinnern, denn hierzu hatte ich die Anweisung in der Trance gegeben. Ebenso hatte ich die verdrängte Vergewaltigung so neutralisiert, dass kein emotionaler Bezug mehr vorhanden war. Das Erste was ich von ihr vernahm, war die erstaunte Reaktion: Ich war das! Jetzt ist mir klar, warum ich in der Dunkelheit Angst hatte. Ich wurde mehrmals vergewaltigt! Sie war sichtbar erleichtert über ihre gewonnene Erkenntnis, andererseits völlig irritiert über die doch so real stattgefundene Situation, die eigentlich