Vertraue deinen Träumen. Karolin Maier
„Okay, Mum, euch noch einen schönen Abend und mach dir keine Sorgen, wir sind schon groß und können auf uns selber aufpassen“, entgegnete ich ruhig.
Meine Mutter verabschiedete sich von uns und bedankte sich nochmals für die tolle Einladung.
Die Tür fiel krachend ins Schloss und ich rollte zum Fenster hinüber. Sarah folgte mir. Ich schaute aus dem Fenster hinaus, sah gerade noch, wie meine Eltern in den silbernen BMW einstiegen und wegfuhren.
Mein Blick wanderte nun zum Himmel hoch, der war heute leider ein wenig bewölkt und man konnte den Mond nur blass scheinen sehen.
Meine Freundin legte mir einen Arm um die Schulter und flüsterte:
„Komm, lass uns schon mal das Essen hinrichten. Ich habe einen riesigen Hunger.“
Ich nickte zur Antwort nur und drehte mich dann zu meiner Freundin um.
Nach einer viertel Stunde war das Zimmer-Picknick angerichtet und die Bücher, Hefte und Broschüren zu Bergen gestapelt. Wir setzten uns in mein Bett und fingen an unsere Teller mit den köstlichen Sachen zu beladen. Dann war erst einmal Schweigen, man hörte nur das Kauen. Danach ging es an die Arbeit. Ich nahm mir die Bücher vor und Sarah den Stapel Hefte. Während Sarah die Broschüren durchblätterte, fuhr ich den Computer hoch und suchte nach brauchbaren Sachen, die ich meinen Eltern dann zeigen konnte.
Ich tippte „Ferien auf dem Reiterhof“ in die Suchmaschine ein und gleich darauf wurden mir drei Reiterhöfe vorgeschlagen.
Der erste lag an der Ostsee, der zweite an der Nordsee und der dritte nahe des Rheins.
Ich las mir alle drei Anzeigen genau durch und schrieb das Wichtigste in Stichpunkten heraus. Am besten fand ich aber, war der erste Reiterhof, die Anzeige war mit Herz geschrieben worden. Sie war außerdem noch mit kunstvollen Zeichnungen verziert.
Bei diesem Reiterhof war nicht nur eine Anzeige dabei, sondern auch ein Video und ein Link zur Homepage. Auf der ersten Seite war ein großes, elegant springendes Pferd. In Großbuchstaben stand:
REITERHOF: PERLE DES OSTENS
Reiterhof Perle des Ostens, wie cool klang das denn?
Ich rammte Sarah meinen Ellenbogen in die Seite und sagte mit aufgeregter Stimme:
„Ich habe den perfekten Reiterhof gefunden. Er liegt an der Ostsee, direkt am Meer. Es ist ein schönes, gelbes Backsteingebäude, mit hellblauen Fensterläden und meerblauen Dachziegeln. Zu dem Gestüt gehören außerdem eine riesige Koppel und ein großes Stallungsgebäude. Da ist genügend Platz für die Pferde, das Futter und eine Reithalle mit Schiebetür nach draußen. Auf dem Übungsreitplatz hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Meer und…“
„Und die würdest am liebsten deinen Koffer packen, in den nächsten Zug steigen und zur Ostsee düsen.“, vollendete sie meinen Redeschwall und fügte begeistert hinzu: „ Das klingt ja richtig gut, nun müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir das deinen Eltern schmackhaft machen könnten.“
„Okay, alles klar, wie wäre es mit einer kleinen Pause? Wir könnten ein Onlinespiel spielen?“
Meine Freundin hob zur Antwort beide Daumen in die Höhe.
Darauf folgte eine wilde Kissenschlacht. Ich nahm ein Kissen aus meinem Bett und warf es zu Sarah, diese schleuderte dann mir wiederrum zwei weiche Kissen entgegen. Ich duckte mich noch rechtzeitig und die Kissen landeten auf meinem Schreibtisch. Es war ein Hin und Her. Kissen und Federn flogen.
Plötzlich hörte ich ein leises Miauen, es kam vom Fenster. Ich rollte hastig hinüber und sah auf der Straße einen schwarzen Fleck hin und her huschen. Ich rieb mir die Augen, um mich besser an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich schaute auf meine Uhr, es war genau Mitternacht. Plötzlich wurde aus dem Miauen ein Wimmern, das immer lauter wurde. Nach einer Weile konnte ich ein paar Ohren, einen gebogenen Schwanz und braun-weißes Fell erkennen.
Oder bildete ich mir das nur ein? „Nein“, dachte ich. Dieses Miauen war echt.
Sarah stand neben mir und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger, als sie plötzlich innehielt und lauschte. Das hilflose Miauen hatte aufgehört.
„Was machen wir den jetzt?“, fragte ich mit zitternder Stimme. In meinem Hals hatte sich ein dicker Klumpen gebildet, dass ich nur noch röchelte.
Meine Freundin sagte nichts, gar nichts. Sie rannte nur zur Tür hinaus die Treppen hinunter und ich nahm in der zwischen Zeit den Fahrstuhl.
Wir kamen gleichzeitig unten an der Haustür an. Ich riss sie mit aller Kraft auf und wir stürzten in die Finsternis. Von einer Sekunde auf die nächste hörte ich den Motor eines Autos - eines sehr schnellen Autos.
Bei dem Wagen handelte es sich um unseren alten Nachbar. Er hatte die braun-weiße Katze nicht entdeckt. Er raste ungebremst weiter, ohne auf die Mädchen oder die arme kleine Katze zu achten.
Ich fuhr so schnell ich konnte zu der Katze, flüsterte ihr etwas Beruhigendes in ihr Ohr und schloss sie in den Arm. Sie klammerte sich mit ihren kleinen, scharfen Krallen ganz eng an mich und zitterte am ganzen Körper. Ich drehte mich blitzschnell um und übergab sie mit weichen Knien meiner Freundin, die wie angewurzelt da stand.
„Hier nimm sie!“, rief ich hektisch. Meine Freundin wirbelte herum, nahm dann endlich die Katze auf den Arm, streichelte sie zur Beruhigung und wir liefen, ich rollte so schnell wie möglich ins warme Innere.
Sarah setze die Katze behutsam auf dem Holzboden ab und fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn. Die kleine Katze sah uns mit ihren braunen Kulleraugen an und leckte sich dann behaglich die Pfote.
„Ich glaube sie hat Hunger“, sagte ich zu meiner Freundin.
Sie stemmte die Hände in die Hüften und ging Richtung Küche. Im nächsten Augenblick kam sie zurück. In der rechen Hand hielt sie einen Futternapf mit frischem Futter und in der linken einen Wassertrog.
„Hier Katze, das ist für dich. Lass es dir schmecken“, sagte sie fröhlich.
Wir beschlossen, dass die Katze, deren Namen wir nicht wussten, in meinem Zimmer essen konnte. Während sie sich über das Essen her machte, rollte ich zu meinem Schreibtisch und holte einen Block und Stifte. Ich schrieb einen kurzen Steckbrief:
Katze gefunden! Sie hat braun-weiß gestreiftes Fell und eine Herzblässe auf der Stirn. Sie hat außerdem große blaue Kulleraugen und eine zart rosa gefärbte Zunge. Darunter schrieb ich noch Sarahs und meine Adressen sowie unsere Telefonnummern.
Nach kurzer Zeit war ich fertig und zeigte auf den Rechner. Sarah kam zu mir und sagte: „Richtig gut, willst du es deinen Eltern eigentlich erzählen?“
Ich schluckte, drückte auf drucken und sah sie an. „Nein, es ist besser, wenn sie es nicht erfahren, sonst lassen die uns doch nie mehr alleine!“, erwiderte ich.
Sarah stimmte zu: „Okay, am besten ist es, wenn wir die Zettel morgen in aller Frühe austeilen.“
Am nächsten Morgen wurde ich durch leises Piepen, das zu meinem Wecker gehörte, geweckt. Schnell rüttelte ich meine Freundin wach, die noch tief und fest schlief. Nach einigen Minuten waren wir fertig angezogen und stapfen, ich rollte mit meinem roten Rollstuhl ins Freie.
Meine Freundin hatte sich eine Weste übergeworfen und sich den Stapel Steckbriefe unter den Arm geklemmt. Ich hatte ein blaues Kleid an, das in der Sonne funkelte.
Wir machten uns auf den Weg, bogen nach rechts ab und entschieden uns schließlich, uns aufzuteilen. Ich hoffte so sehr das wir den Besitzer oder die Besitzerin finden werden. Aber wenn nicht? Was ist dann? Was wird dann aus ihr? Diese Fragen rasten immer und immer wieder durch meinen Kopf und ich wusste auf keine eine Antwort. Ich schluckte trocken und wischte meine Gedanken beiseite. „Es wird alles gut, wir werden es gemeinsam schaffen“, flüsterte ich mir zu.
Ich nahm mir unser Viertel und die zur Schule führende Straße vor. Sarah den Park, das gegenüberliegende Viertel und die Straße,